Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Pallast.

Biren. Diana. Cloris.

Diana. Ihr werdet nie gescheidt werden.

Cloris. Ihr seid der muthwilligste Schwätzer unter der Sonne. Laßt uns, wir müssen zur Kaiserin.

Biren. Hört mich nur weiter an, und ich will euch beweisen, daß es eure Pflicht sei, mich zu lieben und in dieser Nacht bei mir zu bleiben.

Cloris. Wir halten unsre Ohren zu.

Biren. Dann mögt ihr fürs Erste gehn, und der Kaiserin einen schönen Gruß von mir bestellen.

Diana. Die gefällt euch wohl auch?

Biren. Mir gefallen alle Mädchen und alle Frauen, die Kaiserin aber vor allen, und –ich weiß, was ich weiß.

Cloris. Was wißt ihr denn?

Biren. Daß ich ihr nicht mißfalle. Je nun, kommen Berg und Thal doch wohl zusammen.

Diana. Seht den Unverschämten!

Biren. Was das Auge sieht, begehrt das Herz, ein junger Gesell darf mit seiner Hoffnung so hoch steigen, als ihn seine Einbildung nur tragen will.

Cloris. Nehmt euch nur vor dem Fallen in Acht.

Biren. Die Kaiserin ist schön, jung, ich bin nicht alt und nicht häßlich, ich bin ihr zugethan, sie ist freundlich gegen mich, ich muß oft vor ihr singen, sie nennt meine Stimme süß, sie sagt, daß ich mit Ausdruck singe, – und mehr sollt ihr nicht erfahren, ihr neidischen Plauderinnen. Nun komm, Diana, gieb mir einen Kuß, und du, Cloris.

Cloris. Fort! Lästerzunge!

Diana. Seit ihr an den Hof gekommen, hat man nichts als Verdruß.

Die alte Kaiserin kommt.

Kaiserin. Wo ist die Kaiserin, ihr lieben Kinder?

Cloris. In ihrem Zimmer, und sie hat die Kleinen
Zu Bett gebracht und lieblich eingesungen;
Drauf hieß sie uns, wir sollten uns entfernen,
Die Kinder schlafen, nur die Wärterin
Ist bei ihr, denn sie will allein seyn.

Kaiserin. Vielleicht bedarf sie eurer, geht und fragt –

Cloris und Diana ab.

Biren. O meine Kaiserin, wie habt ihr lange
Mir nun schon keinen lieben Blick geschenkt,
Mir ist es eine Ewigkeit, seit ich vor euch
Kein Lied gesungen, euch mit keinem Ton
Ergötzt, – ihr seid mir nicht mehr zugethan.

Kaiserin. Mich kränkt und quält um mancherlei die Sorge,
Da bin ich nicht zu Liedern aufgelegt.

Biren. Wenn ihr mir euren gütgen Schutz entzieht,
So sink ich wieder in den Staub, der Neid
Der alten Thoren wartet nur den Wink
Von euren Augen ab, um mein Talent
Zu schmähn, mit Füßen es zu treten. Du,
Nur du allein und deine Majestät
Bist meine Sicherheit. Was quält dich so?

Kaiserin. Du bist noch jung, genieß der frohen Tage,
Und gönne Kummer und den bleichen Gram
Dem Alter; noch wie immer lieb' ich dich,
Drum soll dein heitrer Blick nicht trübe werden
Durch das Gewölk der Schwermuth. Höre Sohn –

Biren. O Gütigkeit! o himmlische Gestalt!
Hier könnt' ich vor dir nieder knien und weinen,
So liegen bleiben, deiner Stimme horchen;
O könntest du mein Herz im Busen sehn,
O könntest du mich manchmal reden hören,
Wie ich dein Lob verkünde, wie ich dich
Den Freunden preise, dich vergöttre –

Kaiserin.                                                       Still!
Ich glaube dir, du bist nicht undankbar;
Doch hab' ich noch nicht Dank von dir verdient,
Du mußt nicht überzärtlich im voraus
Bezahlen, was den Werken erst gebührt,
Das stumpft gar leicht den allerbesten Vorsatz.
Du gutes Kind, blüht jezt dein Sinn so reich
An Liebe übervoll, da ich noch nichts
Für dich gethan, da ich noch mein Versprechen
Nicht halten konnte, hier dein Glück zu machen,
Was willst du thun, welch Opfer willst du bringen,
Wenn meine Worte mehr als Worte sind?

Biren. Ihr habt noch nichts gethan? Wie? Leb' ich nicht?
Bin ich nicht wie ein frohes Füllen spielend
Im Sonnenscheine eurer Gnade? Blickt
Nicht Neid und Bosheit auf mich scheel, von Hoch
Und Niedrig, soll– ich kann's nicht sprechen, – Fürstin,
Schon in der Hoffnung lacht das höchste Glück.

Kaiserin. Doch wen Fortuna soll so schön bekränzen,
Der muß sich auch der Kränze würdig machen.

Biren. Was kann, was soll ich thun?

Kaiserin.                                             Nicht zagen,
Um diesen Preis ein kühnes Stückchen wagen.

Biren. O nennt es nur, und mag alsdann Gefahr
Mir dräun mit ihrem wilden Schlangenhaar,
Mag mir der Tod sich dort entgegen drängen,
Mag sich der wildste Sturm der Kett' entreißen,
Der Donner schelten mit den tiefsten Klängen,
Und mich den Rückweg drohend suchen heißen,
Ja, selbst der Blitz kann zischend niederzücken,
Und Eichen über meinem Haupt zersplittern,
Soll mir ihr Auge nur entgegen blicken,
Will ich vor Donner, Blitz, und Tod nicht zittern.

Kaiserin. Das ist ein wackrer Ton, ein edles Wort,
So muß ein kühnes Blut die Welt betrachten,
Ein solcher findet Ruhm an jedem Ort,
Wer so sich acht't, den müssen alle achten,
Und Frauenlieb, und alle süße Gunst
Bekränzen wohl des Jünglings heitres Leben,
In Auge, Blick und Stellung liegt die Kunst,
Die unsichtbar ein Gott ihm mitgegeben,
Das sind die allerstärksten, härtsten Ketten,
Mit denen er sie all' gefangen führt,
Wie Blumen weich, ein stilles Angebinde,
Ein lächelnd Wort, das tiefste Weisheit spricht,
Ein Zauberbann, ein Wesen, das zur Sünde
Die Weiber führet und sie wissen's nicht:
So seid ihr von dem Schicksal auserlesen,
Felicitas kann nur durch euch genesen.

Biren. So ist es nun gewiß?

Kaiserin.                               Ihr müßt nur selber
Euch männlich erst vertraun, denn oftmals will
Sich die Gelegenheit nicht selbst erkennen,
So zagt sie vor dem leisesten Gedanken:
Das Weib will stets, man soll die Gunst errathen,
Sie will im Spiel nur durch Verlust gewinnen,
Will sich das Recht der Klage vorbehalten,
Und arge List, Beredsamkeit, Gewalt,
Muß sie, sich unbewußt, zum Ziele führen;
So lügt sie vor sich selber, um so sichrer
Den zu belügen, dem sie liebend naht.
Dann kommt Gewohnheit, und in süßer Täuschung
Vergißt sie endlich des Betrugs, von Stunden,
Erinnerungen, Sehnsucht, selbst betrogen:
Dann folgt erst das Geständniß, und die Lippen,
Wenn sie schon längst geküßt, gestehen erst,
Daß diese Küsse küßten, diese Worte
Dem Liebenden Kleinod' in Gold gefaßt,
Noch süßre Küsse dem Gehör gegönnt,
Das nicht die durstgen Lippen mehr beneidet.
Der holde Trug, die Lüge, Widerstreben,
Erlogne Schaam, die mit der wahren kämpft,
Sie waren stets und sind der Liebe Kinder.
Felicitas ist dazu Kaiserin,
Ihr bringt schon der Gedanke mehr Gefahren,
Als andern kaum die That, sie wird sich selbst
Nicht das gestehn, was sie muß Schwachheit nennen,
So wenger andern, denn jedwed' Geständniß
Scheint Anklag' ihr und Tod. – Jedoch ich weiß
Das was ich weiß –

Biren.                           O, laßt mich hören, – sprecht,
Aus ihrem Munde selbst?

Kaiserin.                                 Euch gilt's gleich viel,
Traut meinem Wort, daß sie euch einzig liebt,
Und wünscht, euch bald recht vieles vorzuwerfen,
Wofür ihr euch nicht zu entschuldgen wißt.

Biren. Ich bin wie trunken, wie im Himmel, wie
Ein Nachtwandler, der auf des Thurmes Zinne
Erwacht und über sich die Sterne sieht:
O goldnes Glück, wer hätte dich vermuthet?
Wie durft' ich glauben, diesen Schatz zu finden?

Kaiserin. Geht auf mein Zimmer, denn wir sprechen dort
Von unsern Planen noch ein weiteres.

Biren. Ihr seid mein Leitstern, mein Orakel, fodert,
Und was geschehen soll, geschieht, mich schreckt
Kein Thron, kein Drohwort, alles gilt mir nichts,
Wenn ihr auf meiner Seite bleibt und handelt. geht ab.

Kaiserin. Wie findet doch die Rache stets Gesellen,
Die sich freiwillig ihr zur Seite stellen?
Er meint, ich könnte meinen Sohn vernichten,
Um ihm ein glänzend Glück nur zu errichten,
Getrost geht er den Weg zum Abgrund hin,
Es sieht die Schlünde nicht sein blöder Sinn. –
Die wilde Liebe, zwischen ihr, der Fremden,
Und Octavian, sie soll sich plötzlich wenden,
Bald soll ihr Hohn, ihr Spott sie selber treffen,
Sie sieht sie nicht, die blutge Geißel, die
Geschwungen schon ihr droht.– Dann wird mein Sohn
Mir wieder, was er war, er ist geblendet,
Sie hat mir Herz und Seele schon entwendet. – geht ab.



 << zurück weiter >>