Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Lager des Sultans.

Der Sultan, Lidamas, Arlanges, Gefolge.

Der Sultan.
    Sieh, theurer Machmud, wie dein Haupt, das werthe,
Vom goldnen Diadem und Steinen blitzt,
Was erst mein Zorn in Liebe dir versehrte,
Doch hast du mir verziehn die Bosheit izt,
Wer hat wohl meinem Arm und meinem Schwerdte
Von allen Göttern bis anher genützt,
Wenn du's nicht warst, mein lieber, vielgetreuer?
Drum sei für deinen Schmuck auch nichts zu theuer.

    Gewiß wirst du mir meine Brüder rächen,
Die jezt bei dir in deinen Reichen wohnen,
Wir müssen nun die Macht Frankreichs zerbrechen,
Mit unserm Fuße treten diese Kronen,
Man soll nicht mehr vom Dionysius sprechen,
Der Arm soll seinen Münster ohne Schonen
In Staub hinstürzen, und von allen Zungen
Sei, liebster Machmud, dir nur Preis gesungen.

Arlanges.
    Welch Pilgrim naht im weißlichen Gewande?
Er grüßt hieher nach deinem reichen Zelt.

Lidamas. Er scheint aus einem weitentlegnen Lande
Und nach der Schwärze aus der heißen Welt.

Arlanges. Er scheint kein Mann von Ansehn oder Stande,
So wie er hinkt und Stab und Mantel hält.

Der Sultan. Ruft ihn hieher, er scheint von vielen Jahren,
Vielleicht mag ich von ihm etwas erfahren.

Clemens wird herbei geführt.

Clemens.
    Ich muß, Großmächtigster, knieend anbeten
Die große Größe – für sich. (Ach, was soll ich sagen?
Dem fürchterlichen Kerle nah zu treten
Mit diesen grimm'gen Augen! zu viel wagen
Hieß doch mein Unternehmen; von gesäten
Juwelen, womit dieses Zelt beschlagen,
Bin ich geblendet, furchtbar ist der Schein,
Vor all den Edelstein'n wird man selbst Stein.)

    Großmächtigster, erhabenste Durchlaucht,
Wenn man nur Glanz und Pracht und Würde sucht,
Mein Seel! beim Machmud mein' ich, man nur braucht
Zu gehn her in dein blankes Zelt, – – (verflucht!
Ich weiß doch nichts, was recht zur Sache taugt,
Das macht, des Mann's Gesicht ist zu verrucht.)
Hier findet man den Glanz von viel Rubinen,
Am furchtbar glänzendsten doch deine Mienen.

    Ich habe manches Land auf meinen Reisen
Gesehn, und manchen großen Potentaten,
Doch keinen, den man also durfte preisen,
Denn wie auch in der ganzen Welt die Staaten
Regieret sind von Helden oder Weisen,
Möcht' ich doch keinem je, dein Feind sein, rathen,
Denn bist du doch die auserwählte Blume
In Asia, Afrika, im Heidenthume.

    Dein Werth ist auch von der Menschheit erkannt,
Sie zittern all, willst du dein Haupt bewegen, –
(Nur zu, nur zu, es geht ja ganz charmant,
Ich werde, meine Seele, Ehr' einlegen –)
Darum gehorchet dir so Meer wie Land
Und keine Macht steht deiner Macht entgegen,
Als nur Europa, das bezwingst du schon,
Zuerst Frankreichs windbeutlige Nation.

    Drum bist du auf des Meeres grauen Wogen
Mit deiner reisigen und tapfern Schaar
Zum Sturz des Christenthumes hergezogen,
Dein Heer, so wie Meeres-Sand unzählbar,
Hat Unbesiegbarkeit schon eingesogen
Mit seiner Milch, drum siegst du, das ist klar. –
(Gottlob! es geht ganz gut. Es ist doch viel,
Daß mir so zu Gebot der schwülst'ge Stil.)

Der Sultan.
    So warlich uns die Sonne giebt ihr Licht
Und so gewiß das Meer voll Wasserwellen,
Bei meiner Macht! ich ruhe eher nicht,
Bis ich verstummt der Christen hündisch Bellen,
Durch meinen Mund der Geist der Welten spricht,
Und so wie Pflanzen, Berge, Sterne, Quellen,
Waldung und Meer und Sand und heiße Fluren
Zu Machmud flehn, so solln's die Creaturen.

Clemens.
    (Der ist doch darin schon ein größrer Meister,
Das macht die Uebung, die stärkt das Talent,
Doch werd' ich auch mit jedem Worte dreister –)
Mein Herr, wer einmal unsern Machmud kennt,
Der achtet nichts die andern mächt'gen Geister,
In ihm die rechte Quintessenz entbrennt,
Wodurch die Geister ächte Geister werden,
Was Sterne, Sonnen treibt und Meere, Erden.

Der Sultan.
    Du scheinst ein weiser Mann; wo bist du her?

Clemens. Glorreichster, wenn es dir nicht unbekannt,
Wie bei Aegypten fließt das rothe Meer,
Dahinter liegt das Aethiopsche Land,
Aus diesem reist' ich und sogleich die Queer
Durchstreifte ich der Wüsten heißen Sand,
Ganz Afrika, Nubien und Abyssinia,
Chaldäa, Persien, Indien, kurz, ganz Asia.

Der Sultan.
    Warlich, du bist recht weit herum gekommen!
Doch sprich, hast du von diesem meinem Zuge
In meinen weiten Reichen nichts vernommen?

Clemens. Gar viel, und es behauptet jeder Kluge,
Europa sei so gut schon wie verglommen,
Es liege ächzend schon im letzten Zuge,
Sie alle schwörn auf deines Zwecks Erreichung,
In edler tausendfältiger Vergleichung.

    Du seist die Sphinx, mit einem solchen Räthsel,
Kein Oedipus sei's zu errathen wacker,
Du habst gebacken eine solche Prezel,
Die keiner eß', zerr' er sich auch und plack' er;
(Glaub nicht, daß ich dich also nur verhätschel,)
In ganz Europa sei nicht der Nußknacker,
Der die Nuß, die du bringst, biss' von einander
Und wär er selbst der große Alexander.

Der Sultan.
    Wer bist du eigentlich nach deinem Stande
Und welch Geschäft führt dich denn durch die Welt?

Clemens. Ich habe Studien gar mancherhande,
Auf die der Reiche und der Fürst was hält
Und Kenntnisse, so ernste wie galante,
Die bringen manchen schönen Thaler Geld,
Und da ich weiß mich weislich einzuschränken,
Kann ich noch Kunstverwandten manches schenken.

    Ich bin Seiltänzer und Equilibrist,
Ich wahrsage aus Tass' und auch aus Becher,
Englischer Reiter, etwas Alchymist,
Ein Improvisador und Riemchenstecher,
Ein taschenspiel'nder Physikus, mir ist
Es leicht, in Kleidern auszustopfen Löcher,
Fettfleck' zu tilgen und in Luftballonen
Zu fliegen zum Erstaun' der Nationen.

    Vor allen doch ist meine Wissenschaft,
Die edeln Steine nach dem Werth zu schätzen,
Zu kennen eines jeden eigne Kraft,
Und seinen Preis und Würde ihm zu setzen;
Doch was am meisten mir den Vortheil schafft
Und reichen Leuten, Fürsten, groß Ergetzen,
Ist meine Wissenschaft von allen Pferden,
Denn darin gleicht mir keiner auf der Erden.

    Wie alt sie sind, weiß ich genau zu sagen,
Die Fehler all' und ihre Tugend, Güte,
Auch will ich wohl die größte Wette wagen,
Genau ganz anzuzeigen Kraft, Gemüthe,
Die Eigenschaften all, nach wie viel Tagen
Vergeht des edlen Rosses schönste Blüthe,
Und wann es endlich muß den Tod erleiden,
Das weiß ich auf ein Haar zu unterscheiden.

    Es wäre denn die eine einz'ge Sache,
Das Pferd sei wild, daß es mich nicht ertrüge,
Doch wenn ich darauf sitzen kann, so mache
Ich alles, was ich sagte, wahr, und lüge
Ich, biete ich mich gerne deiner Rache,
Und wenn man mich mit Aexten dann erschlüge,
Und würfe man mich auch in Pech und Schwefel,
So wär das nicht zu viel für meinen Frevel.

Der Sultan.
    Es sei erprobt, denn ich hab' solch ein Roß,
Dem alle andern Rosse müssen weichen,
Es ist so schnell, daß es kein Pfeilgeschoß
Vom stärksten Bogen kann im Flug erreichen,
Mächtig, gewaltsam, majestätisch, groß,
Ein scharf Horn auf der Stirne, dessen Streichen
Schon mancher ist im Harnisch todt gelegen. –
Führt Pontifer herbei, das Roß verwegen! –

    Schaut hin, es wird gebracht! An güldnen Seilen
Und silbern Ketten wird es festgehalten,
Schaut hin und prüfet es, sagt ohne Weilen,
Wann stirbt dies Roß, wann wird es wohl veralten,
Sein Tod wär' eine Wunde mir, die heilen
Nie könnte, was mir zwanzig Reiche galten,
Das gilt mir dieses einz'ge edle Pferd,
O nein, es ist mir über allen Werth.

Clemens.
    Das ist das schönste Thier, das ich je sahe,
So glänzend hell und blendend weiß, wie Schwäne, –
(Ich fürchte mich, der Bestie zu nahe
Zu kommen, denn sie hat so weiße Zähne,
Dabei das Horn! doch wenn ich es nun fahe,
Ist die Ehr' um so größer – –), schön die Mähne,
Und alles wunderseltsam an dem Thiere,
Die Beine ohn' Tadel, alle viere. –

    Dabei glänzt es von tausend Steinen blank,
An seinen Ketten springt und tanzt es leicht,
Es ist gebogen trefflich, voll und schlank –
(Wem es mit diesem Horne eins verreicht
Der wird in Lebenszeit nicht wieder krank –)
Wie edel es die Mücken von sich scheucht,
Wie es mit seinem hellen Zügel spielet
Und unter sich kaum mehr die Erde fühlet!

Der Sultan.
    Nicht wahr? das ist ein Pferd? Es giebt so keines
Als diesen Pontifer! O herrlich Thier!

Clemens. Zeitlebens sah ich weit und breit nicht eines
Von dieser Seltsamkeit und Größ' und Zier.

Der Sultan. Nun, alter Vater, setz dich auf ein kleines.
Ihr da, thut ihm die Sporen an allhier!
Damit er sitzend Nachricht möge geben,
Wie lange bleibt das edle Roß am Leben.

Clemens für sich.
    Nun kommt die Blume von dem Unternehmen.
Könnt' ich fortfliegen doch mit Adlersschwingen! –
O pfui, ich muß mich dieser Feigheit schämen.
Courage, Clemens, denn es muß gelingen.
O, Sanct Georg, Martin, wollet mich nehmen
In euern Schutz, ihr wart in diesen Dingen
Besser bewandert als ich armer Bürger,
Auch fürcht' ich mich vor diesem Christenwürger.

Der Sultan.
    O Roß! du hast mein ganzes Herz gefangen!
Wie tanzest du, wie ist dein Blick so klug!
Je mehr man dich anschaut, so mehr Verlangen
Hat man dich anzusehn! – Nun, Vater, ist's genug?
Wollt ihr nicht jezt das Reiten bald anfangen?

Clemens. Ob wohl das Roß noch nie von hinten schlug?

Der Sultan. Es hat's nicht in der Art; nun macht geschwinde!
Daß ich die Nachricht bald von euch erfinde.

Clemens.
    Sogleich will ich zu euren Diensten sein. ab.

Der Sultan. Wie blitzt es um sich mit den Augen wild! –
Der Alte scheint ein kluger Kopf und fein: –
Es bäumt empor, – und wieder wird's gestillt –
Ha ha! was fällt dir, Pontifer, denn ein? –
Da schlägt er aus, da liegt das schwarze Bild,
Der Pilgersmann – ha, ha! – im grünen Grase,
Und ziemlich unsanft fiel er auf die Nase.

Clemens kommt zurück.
    Ihr lacht, durchlaucht'ger Herr! das war ein Schlag
Ich dachte gar, der Himmel fiel herunter –
Doch geh' ich jezt, ob ich euch sagen mag,
Was ihr verlangt. ab.

Der Sultan.               Wie hüpft er doch so munter!
Ganz Auge bin ich und den ganzen Tag
Könnt' ich die Kreatur ansehn. – Welch Wunder
Sieht er, daß er's so aufmerksam beschauet? –
Nun steigt er auf, er hat ihm schon vertrauet. –

Clemens draußen.
    Leb wohl, Sultan! ich danke für dein Pferd,
Mein Stab und Pilgertasche bleibe dir –

Der Sultan. Wie? Was? O gebt mir Bogen her und Schwerdt!
Ist denn kein Gift in diesen Blicken hier?
Mein Roß! Mein Roß! so kostbar und so werth! –
Da fliegt es hin, – die Sinne schwinden mir –
Mein Pferd! Mein Pontifer! Kleinod! Mein Schimmel!
Der schwarze Dieb! – ha! stehst du noch, du Himmel? er stürzt nieder.

Arlanges. Ihm nach und sucht ihn wieder zu gewinnen.

Lidamas. Vergeblich, selbst der Wind holt ihn nicht ein. –
Mein edler Herr! – Ich fürcht', es ist von hinnen
Sein großer Geist! – Er ist so starr wie Stein.

Arlanges. Er sieht um sich sein ganzes Glück zerrinnen,
Wenn er's nicht fühlte, müßt' er ehern sein.

Lidamas. Zurück schon kommen sie in Eil geflogen.

Arlanges. Schnöd sind wir um den Pontifer betrogen.

Reiter kommen zurück, der Sultan erhebt sich.

Ein Reiter. Der Dieb ist mit der Beute in den Thoren
Schon von Paris.

Der Sultan.             Du wärst nicht schnell wie Feuer,
Wenn andre dich einholten! O verloren
Bist du mir nun, so wie mein Reich mir theuer!
Doch recht geschieht mir alten blöden Thoren! –
O Machmud, stummes, dummes Ungeheuer! –
Nehmt ihm das Diadem von seinem Kopfe, –
Was hält mich, daß ich ihn nicht ganz zerklopfe?

    Doch nein, er ist nicht werth, daß ich die Hände
Noch an ihn lege, die ihn oft gekos't,
Nicht werth ist er, daß ich noch zu ihm wende
Das Auge, wild entzündet und erboßt;
Nein, Boshafter, versuch's, wenn ich verblende
Den Sinn so sehr, daß du noch bist mein Trost,
So mache man mich selbst zu solchem Götzen,
Zum wilden Thier, das eigne Hunde hetzen.

    Nun sollst, Paris, du meinen Grimm erfahren,
Nicht länger soll nun meine Rache warten.
Versammelt euch, ihr Fürsten, zu den Schaaren,
Fügt, Völker, allzumal euch den Standarten!
Wer will noch länger Grimm, Wuth, Zorn, Blut sparen?
Trommeten, Zinken, laut brüllt zu der harten
Entscheidung! Wappnet eure Brust und Herzen,
In Erz vermauert euch, ihr selber erzen!

    Chaldäa, du Arabia, ihr Nationen,
Die ihr den Euphrat trinkt, Mesopotamen,
Perser, Parther, und die am Ganges wohnen,
Ihr Mohren all mit mannichfalt'gen Namen,
Brecht auf! Blut trinkt! ha, reißt euch ohne Schonen
Heraus wie Gift, Pest, Tod! Streut Todessaamen
Umher durch das Gefilde! Ras't, die Horden
Der Frevler schnell mit Tigerwuth zu morden!

alle ab.



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