Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Pallast.

Balduin, Ritter.

Balduin. Er hat uns Reich und Gränzen stark beschirmet,
Die Pilger wandeln nun in Sicherheit,
Die heil'gen Orte bleiben unentweiht,
Und alles dank' ich diesem Jüngling nur,
Der fast ein Knabe Wunder thut im Kriege,
Von dessen Herkunft keiner weiß, der fremde
Mit seiner Mutter in dies Land hier kam.

Leo, Felicitas treten ein, der Löwe folgt.

Leo. Du hast uns her beschieden, edler Fürst!

Balduin. Wer bist du doch, o wunderwürd'ger Jüngling!
Aus welchem Hause stammst du, welch Geschick
Trieb deine Mutter her zur heil'gen Stadt?
Verschweig' es nicht, wenn du mich liebst, gewähre
Die Wollust mir, deinen Werth ganz zu kennen
Und dir zu lohnen, nicht wie du verdienst,
Noch ich es wünsche, doch wie ich es kann.
Was hat es zu bedeuten, daß dies Thier
Dir wie ein zahmes Hündlein folgt, und Wuth
Aus deinen Blicken gegen Feinde trinkt?
Sprecht, edle Frau, wenn ihr mir so vertraut.

Felicitas. Vor deinem Throne knie ich und erkenne
Die Gnade, die mich zu dir reden heißt.
Ach, die Verlassene, Verbannte spricht
Zu dir, die ohne Gatten, Vaterland,
Mit diesem Sohne, der von allem Glücke,
Von allen Hoffnungen ihr übrig blieb,
Vor Jahren her in dieses Land geflüchtet
Und Obdach fand bei frommen alten Leuten.
So wisse denn ich bin Felicitas,
Die unglücksel'ge Gattin Octavianus,
Des römschen Kaisers, welcher sie verstieß,
Entbrannt in Eifersucht und falschem Argwohn,
Von giftiger Verläumdung rasch bethört.
Ein Löwe raubte mir im dunkeln Wald
Den Sohn, als ich entschlief; nach ein'gen Tagen
Fand ich ihn unvermuthet wundervoll
In einer Höhle wieder und die Löwin
Hatt' ihn gesäugt, ich nahm das liebe Kind,
Und seitdem ist sie immer uns gefolgt,
Hat mich und ihn beschützt und ist sein Diener,
Der die Gefahr in Schlachten von ihm hält:
Drum ward er nach dem Thier Leo genannt,
Das ihn erhielt als ich ihn gab verloren,
Das ihn ernährt, geschützt, ihm treu geholfen.
Durch deine Milde ist mein Sohn ein Ritter
Und Führer deiner Schaar, doch hat mein Elend
Dein Herz gerührt, vergönne, daß wir würdig
Begleitet und von dir geschützt zurück nach
Europa kehren mögen, viele Jahre
Sind schon verflossen, des Gemales Zorn
Ist wohl entwichen, er hat wohl erfahren,
Wie Lüge nur nach meinem Leben stand.

Balduin. Steht auf, berühmte Fürstin, neben mir
Ist euer Sitz, und euer edler Sohn
Vergönne mir, daß ich ihn Herzog nenne:
Es mögen euch die besten meiner Ritter
Begleiten und zehntausend meiner Krieger,
Und meine Wünsche mit euch. Wollt ihr wieder
Zurückekehren hier in diese Stadt,
So sei euch, Herzog, nach mir dieser Thron,
Es erb' auf euch der Schutz und Schirm der Stadt,
Des heil'gen Grabes und gelobten Landes.

Leo. Wie sollen wir so großer Milde danken?

Felicitas. Beglückt vor allen sind die Könige,
Wenn ihr Gemüth mit ihrem Stande eins ist,
Im Augenblick können sie das gewähren,
Was viele glückliche Geschlechter lange
Zeitalter dankbar und gerührt genießen.

Leo. Wenn ihr uns gütige Erlaubniß schenkt,
So schiffen wir uns ein, doch nicht nach Rom,
Zum frommen König Dagobert in Frankreich,
Von dort mag dann mein kaiserlicher Vater
Von uns erfahren: glücklich oder nicht
Kehr' ich ein treuer Knecht in eure Dienste.

Balduin. Des Himmels Segen möge euch geleiten.

alle ab.



 << zurück weiter >>