Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Fünfter Akt.

Feld, Lager, Schlachtgetümmel.

Florens, Bertrand.

Bertrand. Zeit ist es, daß du endlich wiederkehrst,
Die Schlacht wogt auf und nieder, bald die Christen
Als Sieger froh, bald ist der Sieg,
Der wankelmüth'ge, auf der Heiden Seite.

Florens. Hoch schlägt mein Herz, der Panzer ist zu eng,
So stürzen wir uns denn in das Getümmel.

Kg. Dagobert kommt.

Kg. Dagobert.
Führt jezt den Pontifer etwas beiseit. –
Mein Florens, mein Geliebter, eben rannte
Der wilde ungeheure Sultan auf
Mich ein, als er mich auf dem Rosse sah,
Laut kracht' die Lanz' und brach mir meinen Schild,
Kaum konnt' ich mich der Riesenkraft erhalten,
Doch sprangen so die Rosse aneinander,
Daß jenes Pferd mächtig zu Boden stürzte,
Und Pontifer nahm seinen vor'gen Herrn
Und warf ihn zürnend weit in's Feld hinein.

Florens. So muß feindlich den Heiden alles werden,
Was ihre Hoffnung erst und Pracht und Hülfe. –
Fahrt wohl, mein König, und erholt euch hier.

ab mit Bertrand.

Kg. Dagobert.
Wie tapfer er sich in die Haufen stürzt,
Er trennt die Schaaren, und die Fahnen zittern,
Die heidnischen, und weichen, und sie fliehn. –
Von dort braust uns ein neuer Sturm hervor,
Es reißt ein Strom sich durch die Englischen,
Das Kriegsgeschrei tönt näher schon und wilder,
Die römischen Paniere stürmen gegen.

Arlanges kommt.

Arlanges. Reißt die Fahnen und die Kreuze
Nieder! Tretet sie zum Spott
In den Boden! Machmud einzig
Sei der größte, stärkste Gott!
Ha, du König! du sollst fallen,
Meine Beute sei dein Kopf!
Unser Sultan stürzte nieder
Und du sprachst ihm lachend Hohn,
Deine Krone, deine Herrschaft
Sei nun meines Sieges Lohn.

Kg. Dagobert.
Schweig, Verräther, deine Drohung
Wecket meinen Muth und Zorn. – Gefecht.

Arlanges. Wo ist nun, was dich beschützte,
Dein geraubtes tapfres Roß?
Nun herbei, ihr mein Gefolge,
Stürzt herbei, denn er ist schon
Ohne Schild und ohne Helm,
Und ein großer Blutesstrom
Fließt aus seinem Panzer nieder.

Heiden kommen.

Kg. Dagobert.
Dionysius, von dem Thron
Eile mir zu Hülfe, höre
Meiner Bitte flehend Wort!
Wer wird deinen Tempel schmücken,
Wer ziert aus den hohen Dom,
Wer wird Priester, Mönche stiften,
Wer läßt dann den süßen Ton
Vom Gewölbe klingen, Vesper,
Hora von dem hohen Chor,
Wann die Heiden mich bezwingen
Und ich lieg' im Felde todt?

Florens kommt.

Florens. Zurück, ihr Hunde! Gott, beschütz den König!
Ihr Heil'gen all, rettet die Krone Frankreichs!
Durch meine Brust nur geht zu seinem Leben
Der Weg!

Arlanges.     Hinweg! hinweg vor diesem Teufel!

alle entfliehen.

Florens. Ist eure Majestät verletzt?

Kg. Dagobert.                                   Dir dank' ich
Mein Leben und mein Reich: ich geh' zurück
Und kehre wieder, wenn das Blut gestillt. ab.

Florens. O Marcebille, vor mir schwebt dein Bild. ab.

König Edward kommt.

Kg. Edward. Die feige Schaar entflohe, es wich unser Panier,
Doch zitternd meinem Zorne riß sich die Schaar herfür,
Die rothe Rüstung wurde vom Blute doppelt roth.
Wer mag vom Kampfe trunken fürchten Gefahr und Tod?
Der höchste Wein des Lebens fließt in dem Schlachtgefild,
Man schöpft die goldne Welle in Helm und blanken Schild,
Und wie wir zechen fröhlich Trompetenton erklingt,
So daß die Labung selig zum vollen Herzen dringt. ab.

Octavianus kommt.

Octavianus.
    Des Kampfes Wolke woget auf und nieder,
Wie in den Sommerlüften Wetter wehen,
Bald still am rothen Himmel furchtbar stehen
Und bald erhebt sie schnell ein Windstoß wieder,

    Der reißt und wirft die Schlacht, wer tapfer, bieder,
Darf der Gefahr ins glühnde Auge sehen,
Doch mich bedrängen ängstender die Wehen
Und in mir wird das matte Leben müder.

    Oft dacht' ich: dieser Pfeil, geschnellt vom Bogen,
Muß meine Brust, mein wundes Herz wol finden,
Er wird Leben und Reu' und Schmerzen brechen!

    Doch mir vorüber gehn die Todeswogen,
Und Reue nur, Wehmuth um meine Sünden
Können dies lebensmüde Herz zerstechen.

Der Sultan kommt.

Der Sultan. Treff' ich dich, verwegnen Christen,
Der, ein Rasender, so toll
Meine Freunde, meine Nächsten
Heimsucht mit dem blut'gen Mord?
Du und jener wilde Teufel
Säen das Gefilde voll
Edler Leichen, drum sei du
Hier von meinem Spieß durchbohrt!

Octavianus. Deinem Toben, deiner Bosheit,
Wird Verachtung nur und Trotz,
Wer besiegt vom Gegner fällt,
Sei alsbald von uns erprobt.

Der Sultan. Diesmal sollst du nicht entrinnen,
Denn Gefängniß oder Tod
Ist gewiß dir.

Octavianus.       Wie der Himmel
Will, der immer sei gelobt.

Der Sultan. Sieh, wie meinem grimmen Schwerdte
Von dem Haupte dein Helm flog,
Nun bist du in meinen Händen.
Stirb Verruchter!

Octavianus.               Fahre wohl
Leben, fahrt wohl, meine Freunde,
Florens, der mir lieb wie Sohn.

Florens kommt.

Florens. Ich hörte von dir meinen Namen rufen. –
In welcher Noth find' ich dich hier bedrängt?
Auf mich nun wende dich, gewalt'ger Krieger,
Du Sultan Babylons, sei mein Gefangner!

Der Sultan. Verwegner Bösewicht, dein Uebermuth
Wird warlich dir bezahlt, doch weich' ich jezo
Den Streichen, denn es kämpft kein Mensch aus dir,
Du stehst im Bündniß mit den höll'schen Geistern. er entflieht.

Octavianus. Mein edler Jüngling, nun hast du mir zweimal
Das Leben schon gerettet, doch du wagst
Zu viel, ein Gut zu sichern, das der Eigner
Nicht hoch hält, dennoch muß ich dafür danken,
Laß dich umarmen: theuer, wie ein Sohn,
Bist du dem Herzen.

Florens.                           Dürft' ich sagen: Vater!
Zu dieser edeln Bildung.

Octavianus.                           Mein Geliebter!
Laß Weisheit auch in deinem Muthe sein;
Ich sah' noch nie so ungestümes Kämpfen,
Du thust, als sei kein Leben zu verlieren,
Als seist du froh zu sterben im Getümmel,
Noch hat der Himmel dich geschützt, verwundet
Bist du noch nicht, ruh jezt ein wenig aus.

Florens. Mein edler Herr, wie könnt' ich träge ruhen?
Dies ist der Tag, an dem es mir vergönnt ist
Zu zeigen, daß ich nicht unwerth des Ordens,
Den meines Königs Milde mir verlieh;
Dies ist der heiße Tag, der vielerwünschte,
Der nur zu schnell vorüber eilen wird,
An dem ich zeigen kann, daß ich ein Christ bin.
Der Tag ist da, an dem mir ward verliehen,
Daß ich von diesem Ungeheur der Schlacht
Mein Glück erbeuten kann, mein höchstes Gut,
Das sie, dem Löwen gleich, mit blut'gem Rachen
Mir zu entziehn sucht: dieses wilde Thier,
Bezähmen müssen wir's, daß es gehorsam
Zu unsers Königs Füßen liegt und schmeichelt,
Und sichrer Friede wird aus diesem Scheusal,
Wenn wir den Zügel in's Gebiß ihm legen.
Drum kommt zurück. Saht ihr die tapfern Thaten,
Die Englands König schlug und sein Gefolge?
Wie kühn der großgesinnten Spaniolen
Paniere in den Feind eindrangen? Welch
Gemüth zum Krieg Graf Armand mitgebracht?
Wie in dem wilden Meer Franzosen scherzen,
Delfinen gleich, im Blut? drum laßt uns eilen,
Und nun geh' ich von eurer Seite nicht,
Kenn' ich gleich das Gefühl nicht, das mich bindet
An diesen Blick, an diese hohe Bildung,
So sei's doch mein Gelübd' euch treu zu sein
Wie meiner Liebe, und kein Heidensäbel
Soll euch verwunden, eh' er mich nicht trifft,
Gemein sei uns Gefangenschaft und Tod.

sie gehn ab.

Kg. Rodrich tritt auf.

Kg. Rodrich. Wie ein Falke kühn und muthig
Durch die Luft sich Bahnen sucht,
Und der Reiher auf der Flucht
Wird von seinem Bisse blutig,
Also auch der Feind unmuthig
Möchte schon zur Flucht sich wenden,
Wenn ihn nicht die Schaaren bänden,
Die mit neuem Muthe kämpfen,
Selbst der Himmel hilft sie dämpfen
Und den schönsten Sieg vollenden.

Lidamas tritt ein.

Lidamas. Die Geschwader brechen, reißen,
Und das Unglück macht ein Thor
In der Schlachtordnung der Heiden,
Durch das Glück und Sieg entfloh.
Auf, Bekenner Machmuds, zeiget,
Daß ihr geht den Christen vor,
Oder fallt von eurer Lehre
Und bekennt den fremden Gott!

Kg. Rodrich. Dieses thu, du schnöder Heide,
So wird deiner noch geschont.

Lidamas. Dich hab' ich vorlängst gesuchet,
Weil dein Schwerdt viel Blut vergoß
Von den Edelsten der Helden
Und dein Uebermuth so groß.

Kg. Rodrich. Du sollst auch den Boden küssen.

Lidamas. Nicht mehr sprich ein solches Wort!

gehn fechtend ab.

Graf Armand kommt.

Gr. Armand.
    Uns ist der Sieg gelungen.
    Schon ist der Tag absteigend
    Und kühle Dämmerungen
    Wehn auf der Flur, so wie die Sonne neigend
    Mit rothem Glanz das grüne Gras will färben:
So ging der Feind nun unter, die Flur färbt Blut von Heiden, welche sterben.

    Wie sich die Schaaren drangen,
    Ward Octavian im Streite,
    Florens mit ihm gefangen,
    Die Heiden führen sie hinweg als Beute;
    Sie müssen sterben, kann's mir nicht gelingen,
Sie alsbald zu ereilen und beide Helden mit zurück zu bringen. ab.

Der Sultan kommt mit Gefolge.

Der Sultan. Mögen doch die Wunden alles
Blut des Lebens mir verbluten,
Eilet nur zurück zum Kampfe,
Laßt mich hier im Zelte ruhen,
Alsbald komm' ich euch zu Hülfe
Neu erzürnet, neu ermuntert.
Kehret um und stürzet nieder,
Oder glänzt, wie ich, von Wunden!

Ein Ritter kommt.

Ritter. Herr, deine geliebte Tochter
Marcebille ist verschwunden,
Und man sagt, daß sie von jenem
Helden kühn entführet wurde,
Sie ist innerhalb der Thore,
Wie willst du sie wieder suchen?

Arlanges tritt schnell herein.

Arlanges. Herr, es fliehen alle Haufen,
Machmud's Macht ist umgesunken,
Und ein bleiches Schrecken bindet
Die noch in dem Streite stunden:
Mit des Abends Feuerglanz
Fließt ein Bach roth ganz und blutig,
Eine Wolkenschaar hellblendend
Und ein tiefes Meer von Purpur
Von dem Himmel zu der Ebne,
Legt sich wie ein Mantel unten,
Und es haben wahrgenommen
Wohl die Tapfersten der Unsern,
Daß ein Frauenbildniß mächtig
In dem Glanz der Röthe ruhte,
Auf dem Arm ein Kindlein tragend,
Alle Krieger, die's erfunden,
Wurden fliehend, wie die Wolken
Hinter ihnen Wellen schlugen.

Lidamas tritt ein.

Lidamas. Nun ist alles, Herr, verloren,
Diese unglücksel'ge Stunde
Hat dein großes Heer zerstöret,
Und erschüttert in dem Grunde
Deinen Thron und unsern Glauben.
O vernimm das große Wunder:
Als wir stritten, eng geschlossen,
Uns ermunternd in dem Bunde,
Sah man auf dem rechten Flügel
Plötzlich eine Schaar verwundernd,
Die vom Hügel zu Montmartre
Schritten ernst und still herunter,
Glänzend weiß alle Gewande,
Keiner hatte ihrer Kunde,
Und wie fremde, überirdsche
Geister, klang von ihrem Munde
Ein Gesang, dem alle bebten,
Und das Heer war eine Furcht nur.
Sie erhoben Schilde glänzend,
Wie von Blitzen waren Wunden
Uns geschlagen, viele todt,
Doch von allen keiner wußte,
Wer sie waren, bleich Entsetzen
Jagte alle, und nun unter
Flücht'ge schlugen Würge-Engel,
Jene weißen Ritter, rundher
Klang Geheul wie Jagd und seltsam
Ward dazwischen dann gesungen.
Fliehe mit uns, Herr, sie nahen,
Fliehe schnell dem Todesschlunde.

Der Sultan. Ja, ich fliehe, die Gefangnen
Seien meiner Rache Buße,
Schnürt sie fester noch und enger,
Nehmt sie mit auf unserm Zuge,
Sind wir übers Meer gekommen
Seien Martern viel erfunden
Und der schlimmste Tod, der langsam
Ihren Geist in Quaal entbunden.
Mit der scharfen Axt, o Machmud,
Der du mich verrieth'st den Hunden,
Hau' ich dir dein kostbar Haupt ab,
Nehm' es mit sammt deinem Rumpfe,
Nicht dich zu verehren künftig,
Nein, ich will mir andre suchen
Bess're Götter, die mit Stärke
Sind gerüstet und auch guten
Willen zu mir tragen, aber
Dich will ich zum Hohn in Lumpen
Kleiden und so auf dem Markte
Allem Volk dich zeigen, Schurke!

alle fliehend ab.

Kg. Dagobert, Kg. Edward, Kg. Rodrich, Gefolge.

Kg. Dagobert.
    Lasset die Feinde nach der Heimath fliehen,
Wir wollen uns zum Kreuz und Altar wenden,
Allda in frommer Andacht nieder knieen,
Gebete demüthig zum Himmel senden,
Trost, Labsal, Freud' und Wonne wird uns blühen
Wie Blumen aus den todten stummen Wänden,
Mit süßer Wonne wird es uns durchblitzen,
Die wir Altar und heil'ge Kirche schützen.

alle ab.



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