Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Zelt der Marcebille.

Marcebille auf Polstern, Roxane, Lealia.

Lealia. Meine Fürstin, diese Nacht
Wird nun bald vorüber gehen,
Du wirst froh den Morgen sehen.
Bang' hast du bis jezt gewacht,
Doch den Gott des Schlafes bitte,
Daß er lindre deine Sorgen,
Daß du heiter magst am Morgen
Nahn mit starkem muth'gen Schritte
Deinem Vater, wie sonst immer.
Laß die Angst nunmehr entweichen,
Denn von diesem Kummer bleichen
Muß der zarten Schönheit Schimmer.

Marcebille. Ach, Freundinnen, ach, Geliebten!
Nein, ihr kennt nicht meinen Kummer,
Tückisch fliehet wohl der Schlummer
Augen einer Tiefbetrübten.
Immer noch muß ich erschrecken,
Wie er nahte, schlau besonnen,
Er mich auf sein Roß gewonnen,
Meiner Arme hülflos Strecken,
Meine Thränen, meine Worte
Konnten nicht den wilden Sinn
Beugen und er nahm mich hin,
Nahte schon dem Feindesorte.
Doch nun ist es ja vorüber.
Seht wie goldne Sterne funkeln:
Diese Nacht mit ihren dunkeln
Tiefen Schatten ist mir lieber
Als die goldne Morgensonne,
Denn ich kann nun ruhig denken,
Still mich in Betrachten senken
Meines Elends, meiner Wonne,
Meiner Schmach, die mir so bitter,
Meiner Wonne, daß ich schon
Sicher bin mit euch entflohn
Vor dem schwarzen, rost'gen Ritter.
Seht, wie ruhig ist die Nacht,
Süße Nachtigallentöne
Klingen her, so voll, so schöne,
Wolken schwimmen oben sacht',
Unten blitzt ein fern Gewitter
Und es kommt in unsre Nähe,
Ob ich ihn wohl wieder sehe
Jenen schwarzen, rost'gen Ritter? –
Wie so milde Lüfte wehen,
Und die rothen Blitze springend
Sich zum Wald hernieder schwingend
Scheinen auf der Flur zu gehen,
Und durch finstrer Wolken Gitter
Flimmern wechselnd kleine Sterne,
Und mir ist, ich seh' von ferne
Wieder jenen rost'gen Ritter.
Könnte nur mein Wunsch geschehen,
Müßte er mir alle Qualen
Tausendfältig wohl bezahlen,
Denn ich fühle schlimm die Wehen,
Von der Lanze traf ein Splitter
An mein Herz, als ich von Weiten
Sah mit meinem Oheim streiten
Jenen rost'gen, schwarzen Ritter –
Aber laßt mich nun allein,
Ich will schlafen und so eben
Süßem Schlummer mich ergeben,
Bald wird mir dann besser sein.

die Jungfrauen gehen ab.

    O Schlaf! der du auf lichten Wolken fliegest
Und von den kleinen Sternen und vom Mond
Den Schlummer und die Träume nieder biegest,
Den Rausch, der auf den lichten Scheiben wohnt,
O Schlaf, der du im Baumgeräusch dich wiegest,
Von dir wird manche Schäferin belohnt,
O laß auch meine Augen sich jetzt schließen,
Des Süßen Bild mir aus dem Herzen sprießen.

    Schlaf! liebes Kind, du streichst mit linden Händen
Die Furchen sonst von Stirn und Angesicht,
An Quellen, unter lichten Rosenwänden,
Im Waldesgrün, durch das gespalten bricht
Der Glanz der Sonne, wo die Blumen senden
Betäubend ihren Duft, da wohnst du, nicht
Hier unter diesem Zelte; diese Kerzen,
Dem Herzen wecken sie nur neue Schmerzen.

    Schlaf! Liebes-Engel! Manchen tief gekränket
In Sorgen, Noth, Verbannung, Einsamkeiten,
Hast du mit deinem Lebenssaft getränket,
Ihm vorgespielt auf deinen Harfensaiten,
Worauf Herz, Sinn in still Beschaun sich senket
Und denket, was dies Denken zu bedeuten:
Ja, allen deine Himmels-Augen lachten,
Nur Schmachten dieser Lieb' willst du verachten.

    Doch warum will ich mich dem Schlummer geben?
Vielfarb'ge Träume könnten mit Gesängen
Ihn, der der Inhalt ist von meinem Leben,
Auf Stunden doch aus meiner Seele drängen.
Allein was könnten alle Träume weben,
In die sich nicht die Feuerküsse schlängen?
Ich will die Freundin rufen und es wagen
Zu sagen, was mir Muth giebt und Verzagen.

    Geliebte Lealia, komm herein!

Lealia kommt.

Lealia. Ich dachte dich in Ruhe nun zu finden.

Marcebille. In Ruhe? meine süße Freundin! Nein,
Sie soll mir gern mit dir sprechend verschwinden.

Lealia. Wie deine Augen schöner sich entzünden,
Du wirst nicht krank von diesem Schrecken sein?

Marcebille. Geliebte, ja, zum Tode krank, und Leben
Ist mir zuerst in diesem Schreck gegeben.

    Vernimm mich ganz, höre die Freundin sprechen:
Du weißt, nur Jagd, Fels, Wald war meine Lust,
Durch wilden Forst mit meinem Roß zu brechen,
Beschirmt vom güldnen Harnisch meine Brust,
Den Spieß von Stahl in einen Löwen stechen,
Im Widerhall der Berge, nicht gewußt
Ward von mir Aermsten, was sei Liebe, Sehnen,
Und frech verlacht' ich Seufzer, Liebesthränen.

    Doch ach! wie hab' ich büßen nun gemußt
So herbe, bitter, süß für diesen frechen
Hohn und Verachtung, ja, an dieser Brust
Will sich die Liebe zu gewaltig rächen,
Ich sterbe, wenn nicht mein wird der Verlust.
Du lächelst, süße Freundin, meiner Schwächen?
Blauäugig Mädchen mit den blonden Locken:
Das Herz will reden, und die Zunge stocken.

    Doch ja, du liebst, du wirst mich wohl verstehen,
Mich trösten, mich beruhigen und lindern
Den Schmerz, die Angst, ich will es dir gestehen,
Nichts soll die Worte meiner Zunge hindern.
O Freundin, welche wundersüße Wehen, –
Kein Trost soll diese Schmerzen jemals mindern. –
Der rost'ge Ritter, er hat mich gefangen,
Zu ihm, zu ihm nur eilet mein Verlangen.

    Wie ich erschrak, ihn nahe an mir sehend,
Wie er so fest an seine Brust mich drückte,
Ich rief und weinte, fern nach Hülfe spähend,
Und wie ich in sein braunes Auge blickte,
Wie sein süß Wort, sein Auge in mich gehend
Nicht mehr erschreckte, tröstete, entzückte,
Wie ich ihn zärtlich, ohne Angst und Grauen
Zärtlich umfing, versenkt, ihn anzuschauen.

    Der erste Kuß, den je mein Mund empfangen,
Von Lippen, wie die brennenden Rubinen,
Berührte mich und eine Welt voll Bangen,
Verlangen, Wünschen war in ihm erschienen,
Noch höher Roth glänzte auf seinen Wangen,
Welch freundlich Blicken, welche holde Mienen,
Wie Rosen aufgehn von der Sonne Gruße,
Aufblühte so mein Herz vom ersten Kusse.

    Nun weiß ich, warum purpurroth entzündet
Der Morgen kommt, der Abend nieder ziehet,
Was uns die Rosenblume süß verkündet,
Welch Feuer in Rubinensteinen glühet,
Warum die Lippe schwellend sich geründet,
Warum ein Blitz spielend im Auge blühet,
Warum Gestirne unsre Welt betrachten,
Wie aller Frühling ist ein Liebes-Schmachten.

    In diesen Küssen kamen Sterne, Welten,
Und machten mir mein Herz zum Paradiese,
Drum muß ich diese Liebe ihm vergelten,
Für mich fiel ja durch ihn der starke Riese:
Ach, Freundin, nein, du kannst, du wirst nicht schelten,
Ich fühle ja so hell, es ist nicht diese
Liebe, so neu sie scheint, plötzlich zu nennen,
Sie ward nicht, ist des tiefsten Seins Erkennen.

Lealia.
    Die Liebe, die nicht Wunder ist, ist keine,
Wie aus der heitern Luft ein Blitz herflieget,
Wie in der Nacht plötzlich mit klarem Scheine
Ein Glanz sich um die Bäum' und Berge schmieget,
Wie heut' der Frühling, wenn er kommt, so kleine,
Morgen schon Wald sich grün zusammen füget,
So plötzlich, süß erschreckend, wonnetrunken,
Ist auch das Herz im Liebesmeer versunken.

    Darum, Geliebte, schweige jeder Tadel;
Doch wenn ein frecher Räuber dieser Mann
Und ohne Rang, Herkommen, ohne Adel,
Der diese Herrschaft über dich gewann?
Dann, Liebste, wär' Ermahnung doch nicht Tadel;
Wie, wenn ein Zauberer dir dies gethan?
Wenn du das Edelste von Lust und Schmerzen,
Verlörst am niedrigen, verlornen Herzen?

Marcebille. Schweige endlich, Schwätzerin!
Geh' und laß mich meinen Unstern
Einsam klagen, einsam seufzen. – Lealia ab.
Nein, mein Ohr sei nicht versuchet
Von der Schmähung des Geliebten,
Jeder Ton ja sei verfluchet,
Der nicht Preis von dir will sprechen,
Darum sei ihr Mund verstummet. –
Ha, ich trage nicht die Plagen,
Dieser Schmerz ist nicht zu dulden,
O Geliebter, komm zu mir,
Sei der Meine, allhier ruhe
In den Armen, in den weißen,
An dem jugendlichen Busen,
Dir nur bin ich schön und reizend,
Dir nur blüht die frische Jugend.
Ja, du wirst noch mein Gemal,
Sprachest du nicht so im Kusse,
Sagten das nicht deine Augen,
Deine süßen Blicke dunkel,
Deine frischen Lippen stammelnd
Von Sehnsucht und Freude trunken,
Als die Hand im Liebesfeuer
Meine Brust, die zarte, drückte,
Als ich nicht zu schelten wagte,
Nur in deinem Blick versunken?
Wenn ich küssend bitte: laß den
Glauben fahren, Liebster, thu' es!
O so wirst du dich bekehren,
Und wir finden Wonn' und Ruhe.
Liebe nur sei unser Glaube,
Und die liebenden Naturen
Unsre Götter, wir in Liebe
Ganz vereiniget und unser:
Darf es dann der andern Götzen?
Nein, mein Machmud gehe unter,
Und du wirst auch bald vergessen
Alle Dionysiusse!
Erde, Himmel, Wälder, Quellen,
Und einsame Felsenkluften,
D'rein ein Lager uns gebettet,
Und in Armen wir verschlungen,
Kinder, schöne, um uns spielend,
Wir von Vogelsang umsungen –
O was willst du noch, mein Liebster?
Ja, du bist wie ich bezwungen. –
Komm, Roxane, meine Freundin;
Bist du wohl im süßen Schlummer?

Roxane kommt.

Roxane. Nein, Gebieterin, ich wache,
Nahe eilend deinem Rufe.

Marcebille. Kindchen, hör' und mögst nicht schelten:
Dieser Ritter, der mich suchte,
Ist der Herr meiner Gedanken,
Wie er häßlich schien und dunkel:
Kann ich's sagen, kann ich's nennen,
Soll ich staunen, mich verwundern?
Ach, mein Herz, du wirst es fassen,
Denn vielleicht ist auch bezwungen
Dein Gemüth, du wärst sonst nimmer
Diese Schöne, Reizend-Kluge.
Dacht' ich sonst an Mann und Liebe,
An Vermählung, hatt' ich Furcht nur,
Wild erschienen mir die Männer
Und das Hochzeitbett zum Wunsche
Nicht für junge zarte Mädchen,
Nur ein Schrecken jeder Jungfrau;
Wie vor gift'gem schlimmen Pfeile
Floh ich weg vor jedem Kusse,
Jede Liebkosung von ihnen
Schien mir Schönheit zu verwunden:
Ach, es war so! denn für ihn nur
Schützt' ich meiner Schönheit Blume,
Meine Lippen, meine Augen
Ihm nur aufbehalten wurden;
Und mein Herz und die Gedanken
Harrten in Andacht der Stunde,
Als Gedanken, Herz und Sinne
Wurden Eine Liebeswunde,
Darein sein geflügelt Bildniß,
Seine Worte, süß erklungen,
Seiner Blicke lichte Sprache
Sich im liebetrunknen Blute
Tauchen und im Glanz erheben
Und in Liebe sinken unter:
Fühlt' ich des Geliebten Hand doch,
Seinen Liebes-Druck, den stummen
Kuß, mit Hingebung an meinem
Jungfräulichen Leib, und Kuß und
Druck und Blicke, süße Rede,
Alles, alles war mir Unschuld.

Roxane. Wer ganz und vertrauend liebet,
Tief versenkt im Liebesmuthe,
Darf nicht zittern, darf nicht zagen,
Will er, ist ihm Sieg gelungen,
Was unmöglich scheint, gelinget,
Darum folg' dem Herzens-Zuge. –
Sieh, Geliebte, wie der Morgen
Sich empor schon hebt so blutig,
Wie die Sonne sich verkündigt
In den schimmervollen Fluren.

Marcebille. Käme er so mit der Sonne,
Wie die Sonne golden, purpurn,
Tauchte er vom nahen Hügel,
Träte aus des Waldes Dunkel!

Roxane. Wenn er liebt mit treuem Sinne,
Wecken ihn des Morgens Gluthen
Und ein Sehnen treibt ihn mächtig
Auf den Flügeln seines Wunsches,
Denn kein angezündet Herz
Widersteht dem Liebessturme.

Marcebille. Reiche mir mein allerschönstes
Kleid von tiefem dunkeln Purpur,
Darauf glänzend reich von Golde
Eingewirkt die hellen Blumen,
Gieb auch mir das Diadem
Von Rubinensteinen funkelnd,
Und die Ohrgehänge, glänzend
Freudenthränen gleich, den Schmuck dann
Reich' um Hals und weiße Brust,
Der sich ringelt um die Schultern:
So will ich zu meinem Vater,
Wie die Kriegesgöttin blutig,
Die nach Raub und Tod hineilet,
Wie der rothe Morgen purpurn,
Der den schönsten Tag verkündet,
Wie die Rose auf den Fluren
Wenn sie sich im Thaue badet
Und auf Blättern Perlen funkeln,
Und das Ohrgeschmeide schüttelnd
Sie benetzt die kleinen Blumen:
Wie die Liebe will ich wandeln,
Brennend, so wie der Karfunkel,
Ach, sie sagen, daß er schmilzt
Wird er mit Lorbeern umwunden,
So zerschmilzt mein Herz dem Helden. –
Liebste, folge meinem Zuge.

sie gehn ab.



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