Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Zelt des Sultans.

Der Sultan, Alamphatim, Lidamas, Arlanges, Gefolge.

Kriegsmusik.

Alamphatim. Wie der rothe Morgen glühet,
Und die purpurrothen Fahnen
Schwingt in seinen goldnen Bahnen,
Goldne Funken nieder sprühet,
Daß die Wälder Röthe trinken
Und die Blumen auf der Au
Frisch gebadet in dem Thau
Ihre Wangen lieblich schminken,
So erhebt sich ein Getöne,
Und begrüßt die neue Sonne,
Daß sie dich mit Lust und Wonne,
Ruhm und Glorie bekröne.
Horch, wie fröhlich die Trompeten
Rufen, und der Zymbeln Klang
Sich vermischt zu dem Gesang,
Und die liebevollen Flöten
Ihren Ton drein klingen lassen:
Doch noch finster ist dein Blick
Und du willst im Mißgeschick
Noch dein stolzes Herz nicht fassen.

Der Sultan. Ja, es sind mir diese Stunden
Ohne Schlaf und ohne Schlummer
Nur im regen wachen Kummer
Und in Zorn und Gram verschwunden.

Arlanges. Seht, wie aus dem rothen Feuer
Sich ein blanker Reuter hebt,
Sein schwarz Roß aufbäumend strebt
Wie ein wildes Ungeheuer,
Und halb zürnend und halb schmeichelnd
Sänftigt er das stolze Thier,
Aus dem Sattel steigt er hier
Seines Rosses Nacken streichelnd.
Einen Oelzweig trägt er grün,
Seine Rüstung glänzet reich
Und ein Wappenrock zugleich
Roth darüber, er blickt kühn,
Nahet, weil er schon erkannte
Auf dem weiten großen Feld
An der hellen Pracht dein Zelt
Und er scheint ein Abgesandte.

Florens tritt ein mit einen Oelzweige.

Der Sultan. Was ist, Gesandter, von mir dein Begehren?

Florens. Willst du, o Sultan, alles was ich sage,
Auch ohne Zorn, im linden Muthe hören?

Der Sultan. Ich will, darum zu reden kühnlich wage,
Dich soll kein Held im Lager hier versehren.

Florens. Vernimm dann den Befehl und die Anklage,
Sei gütig, zornig, wie es dir mag dünken,
Auch fürcht' ich nichts, wenn Schwerdter um mich blinken.

    So wisse denn, der Gott, der für die Sünder
Den schnöden Tod am bittern Holz gelitten,
Der Christus, der für die geliebten Kinder
Mit Schmerz und Tod und Hölle selbst gestritten,
Er und mit ihm Maria auch nicht minder,
Die heil'ge, ew'ge Jungfrau, deren Bitten
Des Kindes Zorn in süße Sanftmuth lenken,
Werden uns Christen Heil und Stärke schenken.

    In dem Vertraun, und in dem sichern Schirme
Des heil'gen Dionysius, läßt der König,
Mein Dagobert, dich fragen, was sich thürme
Dies Heer um seine Mauern, das ihm wenig
Nur dünke und verächtliches Gewürme,
Denn schlagen wird durch uns dich dieser König
Und alle Zelte, die hochmüthig schimmern,
In Staub hinwerfen und in Asche trümmern.

    Drum wirst du alsbald dich zu ihm verfügen,
Um Rechenschaft von deinem Thun zu geben,
So mag er wohl den strengen Zorn besiegen,
Großmüthig schenkt er dein verwirktes Leben;
Doch wirst du dich nicht bittend vor ihm schmiegen,
Magst du nachher vor seinem Zorn' erbeben,
Nichts fruchtet mehr ein allzuspät Erkennen,
Ein Beil wird dann dein Haupt vom Rumpfe trennen.

Der Sultan. Ruchloser! Ehrvergeßner! diese Hand,
Dies Messer soll die freche Zunge lähmen! wirft einen Dolch nach ihm.

Florens. Dein spitzer Dolch fuhr hierher in die Wand.
Du solltest dich dieses Beginnens schämen.
Hast du nicht meine Bothschaft anerkannt?

Der Sultan. Recht hast du, Christ, ich will den Zorn bezähmen,
Gesandten soll man frei Gehör verleihen,
Auch wenn sie schmähend unser Ohr entweihen.

    Das Glück hat meinen Wurf noch abgelenket,
Er soll dir auch zum Schaden nicht gereichen,
Der edle Dolch sei dir von mir geschenket
Als meines Unrechts, meines Fehlers Zeichen,
Und wenn dein Herz, wie ich, Versöhnung denket,
So freust du dich des schönen Griffs, des reichen,
Den theure, köstliche Gesteine zieren,
Du wirst ihn gern in deinem Gürtel führen.

    Doch deinem König sage: nimmer stillen
Könnt' ich mein Herz, bis ich den frechen Hohn
An ihm gebüßet ganz nach meinem Willen,
Denn er verliert den angemaaßten Thron,
Sein Blut muß weit das flache Feld erfüllen,
So wird ihm der verdiente schnöde Lohn,
Wenn er nicht will zu meinem Glauben treten
Und Machmud, unsern edlen Gott, anbeten.

Marcebille tritt ein mit ihren Jungfrauen.

Der Sultan. Doch hier kommt meine Tochter, keiner zürne,
Ich freue mich, wenn sie mein Auge sieht.

Florens für sich.
O Himmel! wie beim Schein von dem Gestirne
Mir alles Blut von meinem Herzen flieht,
Wie dieser Mund, die Augen, diese Stirne
Magnetisch meine Blicke nach sich zieht,
Und heißes Blut in meine Wangen treibt
Und alle Lebensregung stehen bleibt.

Marcebille. Wie konnt' ich wohl, um dich zu sehen, säumen?

Der Sultan. Ja, ich erkenne deines Herzens Sehnen.

Marcebille für sich.
O Lust und Freude wird nun überschäumen,
Ausbrechen in den Strom der heißen Thränen!
Wie? Ist es Liebe? Ist es nur ein Träumen?
Seh' ich ihn selbst? Ist es ein eitles Wähnen?
Vielleicht hält nur mein zitterndes Verlangen
Ein täuschendes Phantom vor mir gefangen. –

    Du weißt, mein Vater, schon, was ich gelitten,
Wie ich entflohen kaum noch einem Frechen,
Ja, du erhörst gewiß mein innig Bitten,
An diesem wilden Räuber mich zu rächen.

Der Sultan. Für dich und Machmud wird der Kampf gestritten,
Ihr Uebermuth soll bald in Stücke brechen,
Kein Heil soll dieser Brut, der schnöden, tagen,
Denn Hunger, Schwerdt, Krieg wird um sie geschlagen.

Marcebille für sich.
Ich muß nun sprechen, Schweigen ist zu bitter.

Florens für sich.
O wie die Blicke mir am Herzen saugen,
Ich sinke um in diesem Angstgezitter,
Ich trage nicht das Lächeln dieser Augen.

Marcebille. Sage mir, Christ! kennst du nicht einen Ritter,
(Doch mag er wohl zu keinem Ritter taugen)
Der gestern unsern Tapfersten erschlagen?
Von diesem magst du mir wohl Nachricht sagen.

    Denn nie stand je zum Manne mein Begehren
Als nur zu diesem, um ihn zu bestrafen,
Wird mir mein Wunsch nicht, muß ich mich verzehren
In Sorge, denn die Noth läßt mich nicht schlafen,
All' meine Freuden mußten sich verkehren
Seit seine Blicke meine Augen trafen,
Nicht ist es nur der Mord, daß ich so klage,
Ein andres Leid ist's, das ich in mir trage.

    Er wagte alles, und ein schlimmer Kuß,
Der meine jungfräulichen Lippen rührte,
Macht nun, daß ich so nach ihm schmachten muß,
Weil er mir Ruhe, Schlaf und Lust entführte;
O würde mir durch Machmud der Genuß,
Daß ihn das Glück in meine Arme führte!
Für den erschlagnen König, dies Erfrechen,
Für meine Angst wollt' ich mich an ihm rächen.

Florens.
    Ich kenne diesen Ritter und mir gleichen
Soll er in Gang und Stellung und Geberde,
Er muß um dich von mancher Noth erbleichen,
Er sucht nur dich auf aller weiten Erde,
Er zagt nicht vor Gefahren, vor den Streichen
Des Glücks, daß ihm dein klarer Anblick werde,
Und kaum beglänzt das Morgenroth die Auen,
So zieht er aus, dein Angesicht zu schauen.

    Seit ihm der Himmelsglanz in diesen Mienen
Aufging so wie ein neues Morgenroth,
Ist seinem Leben auch ein Stern erschienen:
Doch leidet er darum am meisten Noth,
Daß du nicht so wie er dem Gott willst dienen,
Der liebevoll um uns erlitt den Tod,
Er hofft, du wirst den Götzendienst verlassen,
Dann erst wird dich die höchste Lieb' erfassen. –

    Dir, Sultan, hab' ich nichts zu sagen mehr,
Ich scheide und im Feld sehn wir uns wieder;
Dein Hohn der Christenheit verdrießt mich sehr
Und ich vergelte dir ihn warlich wieder,
Dein Leben liegt in meinem kühnen Speer,
Die Spitze bohrt dich in den Sand darnieder,
Wenn du nicht deine Götzen lässest, ehren
Den Christ willst, der dich gnädig mag bekehren. geht ab.

Der Sultan. Wie? Das ist ein böser Bube,
Kein Gesandter, wie ich glaube!
Eilt ihm nach, ihm nach geschwinde,
Bringt mit abgeschlagnem Haupte
Trost und Hülfe meinem Herzen,
Die der Bösewicht mir raubte!

Arlanges. Ihm nach eil' ich, wie vom Bogen
Stürzt der schnelle Pfeil und schauen
Soll er sein Verderben plötzlich
Und bereuen, was er dräute. ab.

Alamphatim. Hundert Bogenschützen, Krieger
Sollen folgen, und zum Raube
Sei er ihrem Grimm gegeben,
Zittern soll er, bitten, schaudern,
Aber keine Hülfe komme
Seiner Todesangst, dem Grauen.
Lebe wohl, geliebter Bruder,
Lebe wohl, schönste der Frauen,
Alsbald steig' ich auf mein Roß,
Das in keinem Laufe strauchelt,
Das das schönste nach dem deinen,
Das zu keinem Kampfe zaudert,
Meine Lanze führ' ich mit mir
Und ich kehr' mit seinem Haupte. ab.

Der Sultan. Bleibe, Lidamas, im Zelte,
Jene sind genug dem Dienste.
Schon seh' ich im fernen Streit sie
Und im hitzigen Getümmel:
O, verleihe ihnen Kräfte,
Theurer Machmud, güt'ger Himmel!
Doch sie haben Kraft genug,
Ihrer hundert zu zertrümmern.

Lidamas. Unkenntlich, in Wolken Staubes,
Seh' ich nur die Waffen schimmern,
Hier ein Drängen, dort ein Rennen,
Welche von den Unsern fliehen,
Und die Sonne blendet, daß wir
Merken keine Unterschiede;
Aber schon trennt sich der Haufen,
Ein'ge dorthin, andre hiehin
Weichen und es blitzt die Rüstung
In der Morgensonne Glühen.
Da reißt sich ein Reiter vor,
Andre folgen ihm, es sprühet
Hinter ihrem Hufschlag Feuer,
Also scheint der Staub hochfliegend,
Und sie nahen unserm Lager,
Ja, sie sind es, deine Diener,
Und Arlanges schnell vor allen
Tritt herzu, dir anzukünden. –

Arlanges herein.

Arlanges. Herr, wie soll ich reden, sprechen?
O wie find' ich nur das Wort?
Und ich fürchte, schweig' ich, red' ich,
Deinen wildentflammten Zorn.
Ihm nach eilten wir im Fluge,
Spornte jedermann sein Roß
Und einholten wir geschwinde
Ihn an jenem wald'gen Ort.
Unerschrocken stand der Ritter,
Und so mancher Bogen schoß
Und so mancher Spieß gezückt ward,
Schien es alles nur ein Spott,
Denn sie trafen seinen Panzer,
Flogen ab vom blanken Gold
Und es schienen alle Götter
Nur dem Bösewichte hold:
Unsre stärksten Krieger stach er
Von den Pferden, wie er spornt
In's Getümmel, wüthig drängend,
Schlug er hier und schlug er dort;
Um ihn lag das Feld bestreuet,
Hier ein Arm und dort ein Kopf,
Der Verwundeten Geächze
Schlug graunvoll an unser Ohr.
Mich stach er im Fluge nieder
Und ich stürzt' zusammt dem Roß;
Und doch, weißt du, bin ich immer
Sonst des Sieges nur gewohnt:
Nun heran gesprengt dein Bruder
Auf dem Pferde, das hervor
Sich mit Muth und Kühnheit dränget,
Wie es immer trotzt dem Tod,
Denn es ist dies Roß das theurste,
Stärkste, muthigste, geht vor
Allen andern, außer deinem:
Und Alamphatim, der hoch
Seinen Speer trug, senkt' ihn nieder,
Rennt und hat den Schild durchbohrt
Seinem Feinde, der den seinen,
Jedes Pferd sprang wild empor,
In dem Sattel blieb ein jeder,
Ihre Stärke war erprobt,
Und sie griffen zu den Schwerdtern,
Und es hallte laut der Ton
Von den Klingen, von der Rüstung,
Keiner da des andern schont,
Aber plötzlich stürzt dein Bruder,
Alle stürzten mit ihm wohl,
Denn das Haupt war ihm zerschmettert
Und der Christ nun zu sich zog
Jenes gute, theure, muth'ge,
Schöne, weltberühmte Roß,
Auf dem er so wie ein Adler
Ueber Feld, durch Waldung flog,
Und wie sehr wir alle eilten,
Ward er doch nicht eingeholt.

Der Sultan. Nun genug, genug der Rede!
O heillose, bittre Ankunft
Jenes schändlichen Verräthers!
Läg' er doch im tiefsten Abgrund!
Meine Streitaxt her den Händen! –
Sieh, du böser, schlimmer Machmud,
Damit schlag' ich dir dein Haupt:
Beßre dich nach der Entartung!
Mußt du jenem Hülfe leisten
Und dem Bruder folgt Ermattung?
O, ich möchte dich zerspalten,
Denn du handelst wie ein Schandbub,
Lügst und trügst und hintergehst uns!
Was hilft nun das Gold, die Anmuth,
Alles, was ich an dich wandte,
Und der kostbar reiche Anzug?
Willst du nicht im Guten helfen,
Sieh, bekömmst du solche Nahrung! –
Nun, ihr Krieger, nicht gesäumet,
Alle, alle zur Versammlung!
Daß wir uns berathen endlich
Zur Vertilgung dieser Schandbrut! –

sie gehn ab.

Marcebille. Glücklich ist er doch gerettet,
Ja, er ist zum Glück erlesen,
Wäre er nicht mehr gewesen,
Wär' auch mir mein Grab gebettet,
Denn es ist mein Herz gekettet
Nur an seinen Worten, Blicken,
Diese müssen mich beglücken,
Oder es ist auch mein Leben
Mit dem seinen hingegeben,
Tod für ihn ist auch Entzücken.

Der Sultan kommt zurück.

Der Sultan. Nein, ich kann nicht Ruhe finden!
Ha! was kann ich noch gewinnen?
Hoffnung, Trost und alle Sinnen
Wollen jezo mir verschwinden.

Marcebille. O mein Vater, zu verkünden,
Darf ich es, dir anzusagen,
Wie uns Hülfe würde, wagen?
Um an jenem wilden, frechen
Räuber uns sogleich zu rächen,
Der den König uns erschlagen?

Der Sultan. Sprich, mein Kind! was kannst du meinen?

Marcebille. Laß mit allen meinen Frauen
Uns ein Lager auf den Auen
Ferne von dir setzen, deinen
Rittern gieb Befehl, erscheinen
Wird sodann, der mich geraubt,
Weil er mich verlassen glaubt;
Alsbald ruf' ich deine Krieger
Und sie bringen von dem Sieger
Dir das unverschämte Haupt.
So ist er nur zu erwerben,
Denn gewiß nur durch Magie
Konnt' er jenen schlagen, nie
Mocht' er sonst den Sieg erwerben:
Dieser Riese sollte sterben,
Sich mit seiner Macht nicht fristen
Vor dem einzeln schwachen Christen?
Dann kommt er im Uebermuth
Und es kostet ihm sein Blut,
Er erlieget meinen Listen.

Der Sultan. Liebste Tochter Marcebille,
Könntest du durch solche Thaten
Deinen Vater wohl verrathen,
Daß sich alles Leid erfülle?
Nein, es werde dir dein Wille,
Ich will deinen Worten glauben,
Keine Zweifel sollen rauben
Diese Lieb', die mir verwandter,
Denn es wohnt kein Herz vom Panther
In der Sanftmuth frommer Tauben.
Was auch könnt' ich noch verlieren,
Wenn die List und niedrer Trug
Dieses Herz, das mir sonst schlug,
Also schnell könnten entführen?
Finden wir doch bei den Thieren,
Die in Mord den Blutdurst kühlen,
Treue Liebe, edel Fühlen
In der tauben öden Wildniß;
Und es sollte dieses Bildniß
So nach meinem Leben zielen? geht ab.

Marcebille. Wie bekümmert, wie bedränget,
Sind nun alle meine Geister. –
Ich bin meiner selbst nicht Meister,
Folge dem, wie es verhänget. –
Ach, wenn ihr uns nie bezwänget
Holde Wünsche, höchste Liebe,
Wären nie uns keine Triebe
Nicht zum Bösen, nicht zur Tugend,
Einsam, ohne Licht die Jugend,
Ohne Muth und Leben bliebe. –

 


 


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