Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Saint Germain, die Matte.

Clemens, Anton, die vor dem Hause sitzen.

Clemens. Mein liebster, theuerster Gevatter,
Glaubt nur, das ist ein dumm Geschnatter,
Was ihr da in der Stadt vernommen;
Ein sicheres Brod zu bekommen,
Das ist die höchste Weisheit, Freund,
Mir alles andre Thorheit scheint:
Drum wünsch' ich noch so, wie zuvor,
Der Claudius fänd' bei ihr ein Ohr,
Die Frau Beata ist noch jung,
Vermögen hat sie auch genung,
Es käm' 'ne hübsche Summ' in's Haus.
Nein, Claudius will nicht hoch hinaus,
Er paßt nicht für den Ritterorden,
Der Stand ist für ihn nicht geworden:
Mit Florens, – je nun ja, da galt's,
Doch bricht's dem Herrn noch mal den Hals.

Anton. Ein jeder hat so sein Genie,
Der junge Herr Claudius wird nie
In Helm und Harnisch sich ausnehmen.

Clemens. Glaubt mir, mein Freund, ich würd' mich schämen,
Wenn ich den Sohn dazu gezeugt,
Drum seid so gütig nur und schweigt.
Als Bürgersmann leb' und erwerb' ich,
Ein Bürgersmann auch bleib' und sterb' ich,
Genung, daß mich mein König schätzt,
Damit bin ich zufrieden jezt,
Sorg' nicht um ungelegte Eier,
Nachruhm und Ruhm gilt nicht 'nen Dreier.

Anton. Seht nur, was geht denn da so närrisch,
So launisch, ungehobelt, herrisch,
So bucklicht, krumm und ausgespreißt?

Clemens. Solch Thier man einen Narren heißt,
Gevatter, wer dazu geboren,
Trägt an der Mütze Eselsohren
Und auch ein langes Kleid mit Schellen.
Gar oft sich solche Männer stellen
Als einfältige Schöps' und Rinder,
Steckt aber dann ein Pfiff dahinter,
Verborgne Weisheit, die den Fürsten,
Die eben nicht nach Wahrheit dürsten,
In goldnen Pill'n wird beigebracht,
Mancher besinnt sich, wenn er lacht.
Potz Wetter! ja, ich irr' mich nicht,
Das ist dasselb' schnurr'ge Gesicht,
Der Orientale, mein Bekannte,
Der türkische Extra-Gesandte:
Was macht der für eine Carriere!
Ich dachte nicht, daß der hier wär
Ein Hofnarr!

Hornvilla kommt.

Hornvilla.           Nun, mein lieber Clemens,
Ich bin jezt ex professo demens
Und werde dafür salarirt,
Daß ich meinen Verstand quittirt,
Und doch war das das klügste eben
Was ich gethan in meinem Leben.

Clemens. Curios ist euer Lebenswandel
Und seltsamlich der ganze Handel,
Den ihr im Lebens-Schauspiel treibt,
Nie lang auf einem Punkt ihr bleibt.
Setzt euch, nun setzt euch zu uns her. –
Macht euch der Stand nicht viel Beschwer?
(Trinkt doch ein Gläschen Wein mit mir)
Denn ich gesteh', ich verginge schier
Wenn alle über mich so lachten
Und närrische Gesichter machten,
Wenn ich so Ohren sollte tragen,
Das paßte nicht für meinen Magen.
Nein, Ehr' und Reputation
Ist doch des Lebens höchste Kron.

Hornvilla. Doch wenn auf'm letzten Loch ihr pfifft,
Man setzt' euch vor Strang, Schwerdt und Gift,
Ihr würdet euch von den Gerichten
Gar gern zu diesem Stande flüchten:
Denn keinen Ruhm und Ehre theil' ich
Mit all dem Heldenvolk großmäulig,
Und fräßen sie auch ganze Länder;
Nein, glücksel'ger du Marketender,
Der du bei einem vollen Glase
Dir trinkst allmählig roth die Nase
Und ferne von dem Schlachtgewühle
Sitzest in deines Zeltes Kühle.

Clemens. So mein' ich auch, denn das ist praktisch,
Es gilt mir mehr ein einz'ger Backfisch,
Den ich gebraten vor mir seh,
Als alle Fische in der See.

Hornvilla. Das ist es eben, was ich sage,
Das Leben ist von Tag zu Tage
Nur als 'ne Beute zu betrachten,
Drum läßt sich keiner gerne schlachten.
So hatten sie mich nun gefangen
Und meinten gar, ich sollte hangen;
Ich wehrte mich, schrie Weh und Zeter!
Da sagt' ein Bischoff denn: Freund, geht Er
Ab von den falschen Heidenlehren,
Will sich zu Christ lassen bekehren,
So wird man ihm noch gnädig sein.
Topp! sagt' ich gleich, ich schlage ein,
Ich war schon ehmals auf dem Wege,
Ihr werdet noch die alten Stege
Das G'leise finden im Gemüthe.
Gleich lehrten sie mit Ernst und Güte,
Von altvergessenen Geschichten,
Wie man's Herz fleißig soll abrichten,
Daß es wie'n Jagdhund schnüffelnd spürt,
Unsichtbar Gut uns apportirt,
Umschleicht und nach dem Himmel gafft,
Wenn's Cherub, Engel merkt, aufblafft,
So fallen auf die Nas' ihm Kronen:
Und derlei alte Traditionen.
Ich that, als wenn ich alles merkte
Und mich im Glauben recht bestärkte,
Ward drauf die christliche Gemeinde
Vermehrt mit einem neuen Freunde.
Es kam bald drauf Herr Dagobert,
Er sprach: nun bist du doch was werth,
Das wird dir deine Seele letzen,
Mehr als das Dienen nicht'ger Götzen.
Ja, sagt' ich, das ist nun mein Ruhm,
Fatal ist mir das Heidenthum.
Du wirst, sprach er, christlich beharren
Und taugst nun schön zu meinem Narren
So wie zum Feur der Salamander,
Dann bleiben wir stets bei einander.
Stand ist mir Stand und einerlei,
Ich bin von Vorurtheilen frei;
So wurde ich denn ordinirt,
Vom Marschall als Narr eingeführt.
Als er mich am Hof präsentirte
Und eine Rede rezitirte,
Hielt ich denn auch dabei die meinige,
Gerührte Damen weinten einige;
Ich sprach von Duldung und Aufklärung
Und von der endlichen Gewährung
Uralter Wünsche, wie die Stände
Sich bieten sollten mehr die Hände,
König, Narr, Staatsrath die Cultur
Verbessern menschlicher Natur,
Drum wollt' ich mein gering Vermögen
So wie die arme Wittw' einlegen;
Es muß doch jeder was Verstand
Aufopfernd thun zur linken Hand,
Will er dem Staate sein was nütze,
Doch ich sei so in Wohlthuns-Hitze,
Daß ich mein ganzes Capital
Mit Zinsen eingelegt zumal.
Da nannten sie mich Patriot,
Ich wurde recht bescheiden roth.

Clemens. Ihr habt ganz recht; doch wir hier sitzen
So öffentlich, ich sah schon spitzen
Die Mäuler manchen Rittersknecht,
Der Diskurs ist mir nicht ganz recht.
Ich weiß zwar wohl, Humanität,
Duldung und andre Rarität
Will, daß ich sehe auf das Herz,
Allein das sitzt gar sehr inwärts
Und auswärts hängen all die Schellen –

Hornvilla. Adieu, ihr Spießbürgergesellen.
O wartet nur, wenn Friede ist,
Der Abend lang, zum heil'gen Christ,
Werd't ihr euch nach der Decke strecken,
Nach einem Narrn die Finger lecken,
Ihn lock'n mit Wein, doch sicherlich
Wer dann nicht kommt, glaubt, das bin ich.

Clemens geht in das Haus, Anton ab, Kg. Dagobert tritt auf mit Gefolge.

Kg. Dagobert.
Wo bist du, Narr? Man sieht dich nimmermehr.

Hornvilla. Ich hänge mich hier an den Bürgerstand,
Denn der macht doch den Kern des Landes aus.
O Bürgerglück! mein lieber, theurer Prinz,
Das ist das höchste Loos, versuch's, gewinn's,
Hier findet man Gefühl und Herzlichkeit,
Treu, Biedersinn, Großmuth nach Fleischergewicht.

Kg. Dagobert.
Geh, Narr, ich habe dir verziehen alles
Und hoffe, meine Gnade wird nicht mißbraucht.

Hornvilla. Wenn ihr euch nicht gewöhnen könnt, daß Gnade
Gemißbraucht wird, so steckt sie in die Tasche,
Denn nur für Mißbrauch ist die Gnade da.
Mißbrauch! ist auch ein Wort, das man oft mißbraucht. geht ab.

Florens tritt aus dem Hause.

Kg. Dagobert.
Wie geht es euch, mein junger kühner Ritter?

Florens. In eurer Gnade muß ich wohl gedeihn.

Kg. Dagobert.
Gehört hab' ich von euren kühnen Thaten,
Von eurer Liebe, eurem Unternehmen,
Und warlich, ohne Liebe, ohne Andacht
Fehlt auch das Herz dem wahren Ritterthume.
Fahr wohl, mein wackrer Jüngling, Frankreichs Hoffnung.

Geht in das Lager, Susanne kommt aus dem Hause.

Florens. Was ist euch, Mutter? warum weint ihr so?

Susanne. Ach, liebster Sohn, du machst uns alle elend!
Das ist ein Kreuz! das ist ein Jammer! Ach!
Auf meinen alten Tagen das erleben!
Du bist nun Ritter, thust so wackre Thaten,
Hast Riesen umgebracht, hast Prinzessinnen
Zu Damen, gehst zum Sultan, sprichst mit Kön'gen,
Das ist für dich wohl gut und nicht zu tadeln,
Allein für schwache, alte, närr'sche Männer,
Wenn die den Raps in ihre Köpfe kriegen,
So wird der ganze Krieg, die Zurüstung,
Das Wunder all blamirt und Narrensposse.

Florens. Was meint ihr, Mutter? Ich versteh' euch nicht.

Susanne. Wie einen Kranken, der die Pest hat, sollte
Man dich aus unserm Hause thun, du steckst
Sie alle mit der Raserei noch an.
Für mich zwar bin ich sicher, das weiß Gott,
Und auch für unsern Claudius wollt' ich stehn,
Wir werden niemals schwärmen, wenn uns Gott
Die Gnade nicht entzieht: allein der Alte,
Der Clemens, – wie ein junger Haselant,
So wie ein Kohlenbrenner, wie der Teufel,
(Gott steh uns bei) steht er drinn in der Stube,
Gesicht und Hände ganz mit Ruß gefärbt,
Gekleidet in dem Pilgeranzug, wie er
Vor zwanzig Jahren nach Jerus'lem ging
Und dich, du Unglückskind, nach Frankreich brachte,
So will er fort, will zu den Heiden hin.

Florens. Allein weshalb?

Susanne.                           Weshalb? Du kannst noch fragen?
Hast du ihm nicht von einem Bestienpferd,
Der Mißgeburt, dem Pontifer, erzählt?
Zu Kopf ist's ihm gestiegen, er will fort,
Hin will er, um für dich das Pferd zu stehlen.

Clemens kommt aus dem Hause in Pilgerkleidung, Gesicht und Hände geschwärzt.

Clemens. Seh' ich recht heidnisch, mohrisch, grimmig aus?
Gewiß, Herr Ludwig würd' sich vor mir fürchten.

Florens. Doch, lieber Vater, wißt ihr, was ihr wagt?

Clemens. Seid alle still und redet mir nichts ein,
Mir ist der Kopf ganz warm von dem Projekt
Und wenn mir einer lange bange macht,
So geht's nur schief. Ja, Augen sollt ihr machen,
Das Maul aufreißen, wenns gelungen ist!
Ha ha! da will ich manchem Junggesellen
Den besten Ruhm so vor dem Maul wegfangen. –
Noch etwas hinken muß ich. – Geht's so gut?
Nein, halt! nicht so, als wär ich lahm von Gicht,
Nicht, wie besoffne Leute etwa wackeln,
So recht wie angeboren, – ist's so recht?

Florens. Ihr hinkt recht angenehm und recht natürlich;
Doch wozu soll das? Es ist überflüssig.

Clemens. 'Ne kleine Zugab nur beim Wagestück,
Ein angenehmer Schnörkel, der nicht schadet
Und mir doch nutzt, denn wenn ich also lahm thu'
Und keinen Augenblick das Hinken lasse,
So thu' ich mir auch überhaupt Gewalt,
Daß ich nicht aus der Rolle falle, solch
Aeußres, zufäll'ges Ding bringt auf Gedanken,
Aufmerksamkeit, und es hängt mehr von ab,
Als man im Anfang denkt. Adieu denn beide!

Florens. Wenn es gelingt, ist es ein großes Werk,
Wenn nicht, so lös' ich euch vom Sultan aus.

Clemens. Nichts! nichts! Doch paßt hübsch oben auf,
Daß ich das Thor der Stadt auch offen finde,
Wenn ich so angeras't im Laufen komme. ab.

Susanne. Ach, wenn ich meinen Mann nicht wiedersehe,
So leg' ich mich heut Abend in mein Grab. geht ab.

Florens.
    Gedanken, Bilder, süß Erinnern, Lüfte,
Ihr Wolken ziehend, Vögelein im Singen,
Wollt ihr mir jene Abendstunde bringen
Zurück in meinen Sinn, die Blumendüfte?

    Nun trennen mich nicht Felsen mehr und Klüfte,
Die Liebe lieh mir ihre goldnen Schwingen
Zu diesem liebsten einz'gen Gut zu dringen,
Sie hob mich über Meere, Ströme, Schlüfte.

    So schlage denn, mein Herz, nur frei und muthig,
Dein Ahnden, deine Wünsche sind erfüllet,
Die Sehnsucht deines Lebens ist gestillet.

    Komm denn, o Schlacht! es brülle mir dein Rachen,
Wie sehr du zürnest, will ich deiner lachen,
Du trägst mein Glück in deinen Zähnen blutig. ab.



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