Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Pallast.

Octavianus, Adrastus, Nikanor, Pasquin.

Adrastus. Es zehrt der Gram an eurem theuren Leben,
Mein Kaiser, gebt nicht diesem Gifte Raum.

Nikanor. Ihr wagt ein zweites Gut, so theuer als
Das erste, wenn ihr um das erste trauert
So ungemäßigt, also Tag und Nacht.

Octavianus. O laßt mich, sprecht nicht, dieser Gram geziemt mir,
Der hat gut sprechen, welcher nichts verlor:
Wie geht es meiner Mutter?

Adrastus.                                     Großer Fürst,
Ihr wißt, daß sie seit dreien Monden stumm ist,
So muß man glauben, weil sie gar nicht spricht,
Sie sitzt, ein bleiches Bild, in ihrem Zimmer,
Die Fenster zugehängt, dort wandelt sie
Mit aufgelöstem greisem Haare, das
Ihr auf dem Rücken hängt, sie hört uns nicht,
Wenn wir sie rufen, euren Namen nennen,
Sie starrt hinaus nur in die leere Luft,
Als wenn sie dort Geist und Erscheinung sähe;
Einmal, als sie Musik hört', weinte sie.

Octavianus. Wer naht sich uns? – Sie ist es selber, seht!

Die alte Kaiserin tritt herein.

Adrastus. Mich schaudert's vor dem glühnden Augenpaar.

Nikanor. Wie schleicht sie durch den Saal, sie legt den Finger
Bedeutsam an den Mund, als wenn sie lachte,
Sie beugt sich nieder, scheint etwas zu sinnen.

Octavianus. Wie geht's euch, Mutter? –

Adrastus.                                                   Keine Antwort, nicht
Scheint sie gehört zu haben, was er fragt.

Nikanor. Nun sieht sie auf, sie kämmt mit ihren Fingern
Die langen greisen Haar' und lächelt seltsam.

Octavianus. Sie wird nie wieder zu sich selber kommen.

Kaiserin. Ihr schaut mich an mit prüfend scharfem Blicke.

Octavianus Sie spricht!

Adrastus.                       O Wunder!!

Nikanor.                                             Kann sie also reden?

Kaiserin. Und jetzt kommt meine Sprache mir zurücke.
Vielleicht zum letzten mal, ich bin jedweden
Ein Scheusal hier, und ungehirnten Thoren,
Die von mir, als von einer Tollen reden,
Zum Wunder und zum Räthsel auserkohren;
Mein eigner Sohn hat sich mir abgewendet,
Trägt meine Schmach, – o wär' ich nie geboren!
Ihr habt die Kaiserin hinweg gesendet
Mit ihren beiden Kindern, wilden Thieren
Zur Speise ausgesetzt, so tief verblendet
Konnt' euer Sinn euch in die Irre führen,
Und keiner wagte, Wahrheit auszusprechen,
Du konntest, Sohn, sie ohne Reu' verlieren.
Der Himmel muß die Frevelthaten rächen,
Die du an ihr so ohne Scheu verübt,
Ein ewger Wurm wird das Gewissen stechen.
Und dennoch meinst du wohl, du hast geliebt
Das arme unglückselge Weib, das trunken
Von Zorn und Thorheit ihr in's Elend triebt?
Jezt ist ihr Lebenslicht wohl schon versunken,
Sie klagt uns alle an vor jenem Rächer,
Dem unsre That nicht wird so leicht bedunken.
Sie hat die Kindlein dort als ihre Sprecher,
Im Himmel leuchtet klar ihr Angesicht,
Ihr Lächeln schüttet aus den Todesköcher.
Doch was sprech' ich von dir? War ich es nicht,
Die dieses wilde Feuer hat entzündet,
Erwecket des Allmächtigen Gericht?
So sei dir also, Octavian, verkündet,
Daß sie unschuldig, die du hast gerichtet,
Daß kein Gedanke gegen dich gesündet,
Von mir war alles nur aus Haß erdichtet,
Aus giftigem und bitterbösem Neid,
Ich hatte den Gesellen mir verpflichtet,
Versprechungen und Aussicht goldner Zeit,
Die Liebe, die er zu der Frau getragen,
Mein Leumund brachten endlich ihn so weit,
Daß er beschloß, das Bubenstück zu wagen;
Ich ließ ihn heimlich in das Schlafgemach,
Dann ging ich hin, um dir es anzusagen;
Wie ich gehofft, erwachte deine Rach,
Du schlugst ihn, ohn' ein Wort von ihm zu hören,
So war im Zorn dein Geist und Herz dir schwach.
Du ließest dich von mir so weit bethören,
Zum Scheiterhaufen sie schnell zu verdammen,
Ohn' Zeugen für und gegen abzuhören.
In meiner Brust sind nun die grimmen Flammen,
Mein Herz liegt auf dem Holzstoß ängstend nieder,
Das Feuer schlägt in meiner Brust zusammen.
Ein Phönix, schwing ich mächtig mein Gefieder,
Ein Greif, will ich in blaue Höhe steigen,
Ich fliege fort und komme niemals wieder;
Dort in dem Plan, wo sich die Sterne zeigen,
Hoch oben in der Sonne Luftrevier
Steig ich hinauf, die Lästerung wird schweigen
Vor meinem Glanz; lebt wohl dann für und für. ab.

Adrastus. Ihr sprecht nichts, theure Majestät –

Nikanor. Wir sind noch selbst erstaunt –

Octavianus.                                                 Felicitas!
Mein theures Weib! Felicitas! Mein Weib!
Sie hört mich nicht. Die Löwen hört sie brüllen,
Das Wild schreit laut, sie fürchtet seinen Grimm,
Sie sucht in Höhlen Schutz; mich hört sie nicht!

Cloris tritt ein.

Cloris. Glorwürdger Kaiser, ich soll etwas melden,
Und zweifle noch, zu sagen dir –

Octavianus.                                       Was kann
Noch kommen? Sprich, kein Unglück giebt es mehr.

Cloris. Die Kaiserin ist auf das Dach gestiegen,
Wie sie wohl öfter pflegte, dort die Sonne
Anschauend unverwandt, schritt sie weit vorwärts
Und stürzte so die steile Höh' herab.
Sie ist schon todt.

Octavianus.               Ihr Herz hat sie gerichtet.

Nikanor. Wir sagten immer von der Kaisrin Unschuld
Und wurden nicht gehört.

Octavianus.                             Das fehlte noch!
Dies Wort, – bei Gott, noch einen Laut der Art,
So stoß' ich euch das Schwert in eure Brust! geht.

Adrastus. Kommt nur, denn er weiß von sich selber nicht.

Nikanor. Den Ausgang nimmt die Uebereilung immer.

gehn.

Pasquin. Unsre alte Kaiserin hat eine neue und compendiöse Art zu fliegen erfunden; ein schöner Greif! das kann man mit Recht ein Vergreifen nennen; handgreiflich einfältig! Man wird sie nun selbst ergreifen müssen, um sie in das Erbbegräbniß zu thun. Und Felicitas und die Erbprinzen sind von den wilden Thieren aufgefressen, und unser Kaiser ist so gut wie übergeschnappt. – Es steht erbärmlich um unsern Hof. geht.



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