Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Vor Paris.

Ludwig, Anton.

Ludwig. Habt ihr's gehört, Herr Anton?

Anton. Nun, was giebt's gut's Neues?

Ludwig. Unser Gevatter, der Clemens, der hier in Saint Germain wohnt, auf der Matte, der reiche Geldwechsler, kommt zurück. Er ist schon über die Brücke, er muß gleich hier sein.

Anton. Ei, so muß ich gehn, und seine Frau rufen, die wird eine Freude haben, daß der alte Narr zurück gekommen ist.

Ludwig. Und wie ein Zigeuner kommt er an, er schreitet ehrbar mit seinem Pilgerstabe vor, hinter ihm ein Weib auf einem Esel, mit einem dicken fetten Kinde. Wo er das nur muß hergenommen haben. Der Zug sieht aus, wie die Maler oder die Comödianten die Flucht nach Egypten vorstellen, nur ist das Weib nicht sonderlich hübsch.

Anton. Ich muß nur laufen. ab.

Clemens kommt, Antonella auf dem Esel, mit dem Kinde.

Clemens. Gottlob! daß ich die Thürme meiner lieben Vaterstadt wiedersehe! Mein ganzes Innre kehrt sich vor Freuden um. Ich dank' euch, mein lieber Nachbar, daß ihr so gut habt sein wollen, mir so weit entgegen zu gehn, ich will's euch einmal, wenn Gott will, vergelten. – Nun, Esel, bist brav müde? – Hast die letzte Tagereise tüchtig marschiren müssen, nun kannst du ausruhen, Esel. – Ja, schüttle nur die Ohren, der Stall wird dir schon gut dünken. – Steig jezt ab, Antonella, ruhe hier unterm Baum ein wenig aus, das dort ist mein Haus, unansehnlich, aber bequem und geräumig, können wir doch bei Gelegenheit einmal ein neues bauen. Ach, Jesus, da kommen sie ja.

Anton, Susanne mit Claudius auf dem Arm.

Susanna. Steh hier ein bischen, Claudchen. Fall nicht um. – umarmt Clemens. Ach mein lieber guter Mann! So bist du denn glücklich wieder nach Paris gekommen?

Clemens. Ja, liebe Frau, beste Susanna; sieh, da hab' ich noch die alte Schwachheit von ehemals, – die Augen laufen mir über, schluchzend. Bist wohl? – das ka – kleine – Ca – Clau – Claudchen auch?

Susanna. Alle, liebster Clemens. – Komm, Claudchen. Sieh, er kann schon ein bisle gehen, wenn er auch noch was dorkelt. Komm Junge, da ist dein Papa, dein lieber Vater, er hat dir auch was mitgebracht.

Clemens. Ja, Claudchen, Italienische Rosinen und Feigen mein liebes Kind; gieb mir 'nen Schmatz. Hat er brav Appetit? Schmeckt's ihm?

Susanna. O er ist recht wählig manchmal; wenn er lustig ist, will er auch wohl sprechen, aber das wird ihm noch sauer.

Clemens. Er ist gewachsen, daß es zum Erstaunen ist. – O nehmt's nicht übel, lieben Freunde, Herr Ludwig und werthgeschätzter Anton, ich scheine euch vielleicht unhöflich, aber ich bin noch so in Freuden –

Ludwig. Sprecht euch nur aus, wir andern wollen noch was Rechts mit einander schwatzen, wir haben ja Zeit genug.

Clemens. Er sieht mir doch recht ähnlich, der Claudius. Willst auch mal auf die Pilgerschaft gehn? – Seht, die Blitzkröt nickt mit dem Kopf und lacht dazu, ja du wirst mir der rechte Pilger sein, zum Becker wirst du pilgern, nach einer Semmel, nicht wahr? oder nach Aepfeln wallfahrten? – Und du, Susanne, kommst mir ganz verjüngt vor. Ist denn auch die Wirthschaft gut gegangen? Kein Unglück vorgefallen?

Susanna. Alles ist noch in dem alten Geleise, so wie du es nur wünschen kannst.

Clemens. Nun so dank' ich unserm lieben Gott im Himmel um so mehr. – Es ist dir ein weiter Weg, Susanne, ach ich könnte dir von der See, von Wildnissen, von Gebirgen erzählen! man glaubt's vorher gar nicht, wie wunderlich die Welt beschaffen ist, wenn man es
nicht selbst mit Augen gesehn hat.

Susanna. Ich glaub's, ich glaub's, liebster Mann. Du siehst ganz ausnehmend munter aus. Die Buße ist dir zugeschlagen, du bist stärker geworden.

Clemens. Ach nein, vom Gehn, von der Hitze, laß mich nur ein Paar Tage richtig sitzen, so werden mir die Beine wieder so dünne wie sonst. – Hat denn unser Obst heuer getragen?

Susanna. Pflaumen zum Erstaunen, aber der Wein geräth dies Jahr nicht.

Clemens. Darüber ist in ganz Italien, Toskana, Romania, die Klage, in Calabria, Sicilia, Cypern soll es gar nicht besser stehn. Frau, ich habe Trauben gegessen, an denen jede Beere so groß wie ein Hühnerei war.

Susanna. Ich glaub's dir.

Clemens. Aber die Türken trinken gar keinen Wein, die Araber auch nicht, sie haben ein Vorurtheil dagegen und es ist ihnen in ihrem Gesetz verboten. – Claudchen, komm her, ich hab dir auch einen Venetianischen Hans Wurst mitgebracht. Sieh da, mein Kind. Das muß man den Italiänern lassen, solche Kunstwerke verfertigen sie überaus sauber. Es hängt ihm ein kleiner Faden zwischen den Beinen, wenn man daran zieht, so rührt sich der ganze Kerl und schneidet Gesichter. – Sieh, – nein, – wein' nicht, wein' nicht mein Hänschen, er thut dir nichts, er ist nur ein Hans Wurst, der meint's gut mit dir. – Das Kind fühlt recht zart, es heult, wie es den Kerl sieht. – Eins hätt' ich bald ganz vergessen. Claudchen, noch was hab ich dir mitgebracht, das wird dir gewiß Freude machen. Einen Spielkammeraden. Ja, liebe Frau, sieh mal her, so groß du nur die Augen machen kannst. – Schau, Susanne, das heißt ein Kind, – nun, was sagst? – Du bist erstaunt.

Susanna. Ja wohl, wie gemalt, so, ich weiß nicht, wie ich sagen soll, er schaut so vornehm drein. Es ist ein Junge, nicht wahr? Aber wo hast du ihn denn her?

Clemens. Nu, rath einmal. Ja, ja, liebe Susanne, ich habe auf deine Güte gerechnet. So ist der Mensch, aus ging ich auf die Wallfahrt, um meine Sünden zu büßen, und, wie man eine Hand umdreht, hatt' ich neue begangen. Ja, ja, lach nur. Den Jungen mußt du nun schon auferziehen; wollte Gott, ich hätte seine Mutter auch mitbringen können, aber leider! die ist fort, die war gar ein schöners Weib, als die dort, seine Amme.

Susanna. Lieber Clemens, sei nur still mit solchen Windbeuteleien.

Cajus, Beata kommen.

Cajus. Die Hand her, eingeschlagen, Gevatter Clemens! Nun einen rechtschaffnen Kuß! Brav, daß ihr wieder da seid.

Clemens. Gott grüß' euch. – Behüte, der Mann wird immer dicker.

Cajus. Gesundheit, Gevatter, gönnt mir's, das Essen schmeckt und bekommt mir. Was will der Mensch mehr in dieser Welt? Appetit, gute Verdauung, gesunder Schlaf. – Da ist meine Braut, Beata, ihr kennt sie ja wohl.

Clemens. Wie sollt' ich nicht? als ein Kind hab' ich sie gekannt. Seid mir vielmals gegrüßt, schmucke Braut. – Aber Gevatter, Gevatter, ihr bald funfzig, und das junge Mädchen, und ihr so stark, so –

Cajus. Seid ohne Sorgen.

Clemens. Aber die vielen jungen Herren in Paris –

Cajus. Mir soll keiner kommen, oder ich schlage ihn ohne Umstände mit der Axt vor den Kopf.

Clemens. Und wie geht's euch sonst? Was macht der Handel und Wandel?

Cajus. Gott besser's, mit jedem Jahre elender. Wir Fleischer sollen Fleisch schaffen, und es kommt nichts, mit Schweinen so so, aber die Ochsen gehn ganz aus; sie werden so rar wie die Heiligen; ihr werdet von der Rindviehseuche in der Normandie gehört haben, das giebt uns allen den Stoß, wir werden alle ruinirt.

Clemens. Im Orient ist auch eine große Pest gewesen, aber freilich nur unter den Türken.

Cajus. Der Orient muß ein närrsches Ding sein. Hat man da ordentliche Fleischbänke und eine Metzgergilde?

Clemens. O ja, wie bei uns, außer daß sie alle einen Bund auf dem Kopf tragen und wir Hüthe.

Cajus. Und die Gesellen und Meister, alle sind ordentliche Türken?

Clemens. In den Türkischen Gegenden freilich.

Cajus. Ich müßte mich todt lachen, wenn ich dergleichen Kerle einmal sähe. – Aber was bringt ihr denn da mit? – Meiner Seel, ein Junge, wie ein kleines Spanferkelchen. Ei, der Taus! Was stellt das vor, Gevatter Clemens?

Clemens. Laßt uns hineingehen, kommt alle hinein, meine Freunde, in mein Haus, auch ihr Ludwig und werther Anton. Meine Frau muß uns heut allen ein Traktament anrichten, und da will ich euch beim süßen Wein tausend Dinge, zehntausend Wunder erzählen. Seid nochmals gebeten, kommt. O Frau, daß ich nun wieder da bin!

sie gehn alle ab.



 << zurück weiter >>