Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Oben auf den Wällen der Stadt.

Viele Menschen, darunter Graf Armand, Richard, Ludwig, Anton, ein Mönch, Gumprecht, Soldaten von verschiedenen Nationen.

1. Soldat. Von hier sieht man weit in das Feld hinein.

2. Soldat. Da unten steht der Riese, pocht an's Thor.

Gumprecht. Habt ihr den edlen Ritter wohl gesehn,
Der unserm Feind nun wird den Garaus machen?

Richard. Er zieht da unten durch die Straßen eben,
Er glänzt daher in seinem blanken Harnisch,
So wie der Ries' ihn sieht, wird er erschrecken,
Der Anblick schon wird in die Flucht ihn jagen.

Mönch. Bei außerordentlich'n Begebenheiten
Geräth der Mensch in eine Art Verrücktheit!
So will die Kreatur hinaus nun ziehn,
Die mit der Rüstung an der Mauer klebt.

Anton. Gevatter, ist der unten da nicht Clemens?

Ludwig. Freilich, da geht er mit dem Claudius.

Anton. Wer muß der sein, der auf dem Pferde sitzt?

Ludwig. Weiß Gott, wo sie das Scheusal aufgefangen.

1. Soldat. In Liebe ist gewißlich das Gespenst,
Er will des Sultans Tochter sich erobern.

Richard. Wer weiß, ist er nicht von der Tafelrunde
Aus vor'ger Zeit, einer von Artus Leuten,
Vielleicht der tapfre Tristan, oder gar
Herr Parzifal, dann wirft er alles nieder.

Gumprecht. Ich schwöre drauf, 's ist der gehörnte Siegfried,
Oder vielleicht Herr Dieterich von Bern,
Klar ist, er wird ein Bärenhäuter sein.

Soldaten lachen.
Ja wohl! Hätt' er sich doch nur scheuern lassen.

2. Soldat. Der Riese wird ihn wohl im Sande scheuern
Und seinen Helm mehr putzen als ihm lieb ist.

Clemens und Claudius kommen herauf.

Anton. Das Thor geht auf.

Ludwig.                               Gevatter Clemens, sagt,
Wer ist der Ritter von dem dreck'gen Harnisch?

Clemens. Mein Sohn Florens, mein Sohn, er wird ihn schlagen,
Der Riese soll von meinem Sohn erzählen.

Ludwig. Gevatter, der ist auch übergeschnappt.

Anton. Verständ'ge Leute werden immer rarer,
Der Mann hat sich fast sechzig Jahr gehalten,
Und nun so plötzlich! – ja, was ist zu machen?

Gumprecht. Was sie dem Bengel alles in den Kopf
Doch setzen! Muß nun gar zu Riesen reiten!
Doch das wird dir gewiß versalzen werden!

Clemens. Sie kommen an einander! seht! der Riese
Thut wie verachtend, lenkt das Pferd herum,
Schüttelt mit seinem großen Ochsenkopf
Und will nicht streiten. – Florens rennt ihn an –
Bei Gott; das war ein Stoß! – ha, du besinnst dich
Mein Riesechen, verwunderst dich ein bischen –
Ich muß mich auf die Brustwehr schrittlings setzen,
Sonst kann ich nicht gut sehn. setzt sich auf den Wall hinaus.

Gr. Armand.                         Warlich, der Stoß
War wie ihn nur ein Ritter führen konnte.
Das Roß des Riesen strauchelte, er selbst
Verliert die Bügel. Wundersam, wie trefflich
Lenkt nun der Junge um, ich habe nie
Ein schöner Reiten im Turnier gesehn.

Clemens. Seht! seht! wie da das Heidenblut schon fließt!
O segne Gott dich, allerliebster Florens,
Daß du uns allen und der Christenheit
Willst so gefällig sein ihn umzubringen.

Gumprecht. Holla! Da wird der Ries' ihm eins versetzen!
Er greift nach ihm, er will ihn fangen! ha!

Clemens. Zurück! Florens! Da springt er schon zurück!
Du grober Tölpel, streckst die Klauen aus?
So recht! so recht! ihm eins auf seinen Arm!
Gieb's ihm, daß er es fühlt! – Da liegt der Arm!
Da läuft das Blut! – Ja, den Sohn hab' ich selbst –
Herr Jesus! helft! helft, Leute! in der Freude
Rutsch' ich zu weit und purzle jezt, zum Heiden
Hinunter! Hülfe!

Gumprecht.             Alter Hampelmann,
Im Schreien wird er noch den Hals abstürzen.

hilft ihm wieder herauf.

Clemens. Viel Dank, mein Freund! Ach, seid ihr's denn mein Gumprecht?
Ich geb' euch nachher was zum Trinkgeld. – Freunde,
Ja, das wollt' ich euch sagen, diesen Sohn,
Den hab' ich selbst gebracht vom Meer hieher.
O sei mir diese Stunde doch gesegnet
Und alle Mühe damals! – Doch, wie geht's?
Was macht der Streit? Ei, ich war recht erschrocken,
Ich zappelte, es hing nur noch an wenig,
Bauz! lag ich unten. – Halt dich brav, mein Sohn!

Claudius. Ihr seid ganz blaß geworden, lieber Vater!

Clemens. Thut nichts, ich will mich jezt wohl besser hüten. –
Hau ihm den andern Arm nun auch vom Leib,
Das wird ihm gut thun, er mißbraucht die Klauen,
Den König zu beschimpfen und die Kirche!
So recht! Er hat den Helm ihm abgeschlagen.
Das klang recht wie der allerstärkste Schmid.
Mir grauset's, wenn ich so hinunterschaue.

Richard. Jezt faßt der Ries' den Schild –

Clemens.                                                   Er hat ihn schon,
Er schmeißt ihn in die Höhe, – bückt euch, Leute! –
Dacht' ich nicht gar, er würd' uns alle treffen –

Gr. Armand. Ich staune, wie gewandt der junge Ritter,
Der Riese wirft ihn auf die Seite nieder,
Er läßt die Stegereifen fallen, wieder
Sitzt er im Sattel sicher und gerade.

Clemens. Du schläfst, Florens! du schläfst! Wirst du besiegt –
Da haut der Jung' ihm mit dem Schwerdt die Schulter –
Das Blut spritzt wie aus Röhren: ist es nicht
Als schlacht man einen Ochsen. – Spring zurück!
O weh! o weh! da liegt das Pferd und Reuter.
Steh auf den Beinen, steh um Gotteswillen!

Gr. Armand. O Gott, beschütze diesen jungen Helden!
Daß er der Christenheit ein Schützer werde.

Mönch. Hab', Herr, Erbarmen mit der tapfern Jugend,
Erhalte uns den Muth, die edle Tugend.

Gr. Armand. Der Riese wagt den fürchterlichsten Streich, –
Der Ritter fällt, – nein, er springt aus dem Streiche–

Clemens. Seht, wie der Riese zappelt in der Wuth!
Er springt ja ellenhoch im eignen Blut, –
Er will zum Florens hin, allmächt'ger Himmel!
Da stürzt und fällt das große Ungeheuer, –
Ei Gott bewahr, das gab ein grausam Schüttern,
Daß ich es hier bis unterm Hintern spürte,
Wie ein partiell Erdbeben, – ha, nur zu!
Hol recht aus, hau, das ist ja gute Arbeit –
Er will den Kopf nicht geben, – hau nur zu! –
Das war geschehn! – Welch großes Vieh von Kopf!
Da steigt er auf. Ja, Leut', das ist mein Sohn!
Seht, wie der große Kopf vom Sattel hängt
So wie ein jähr'ger Hammel. Das sind Riesen!

Gr. Armand. Den jungen Helden will ich gleich empfangen. ab.

Soldaten. Hinunter! schnell hinunter! braver Kerl! ab.

Gumprecht. Er giebt den Riesenkopf da unten ab
Und reitet aus dem Thore weiter –

Clemens.                                                 Weiter?
Reit't weiter? und ich hab' ihn nicht gehalst,
Gedrückt, geküßt, vor Liebe aufgefressen?
Und muß nun trocknen Mauls nach Hause gehn?

Alle. Triumf! Triumf! laßt uns mit lautem Singen
Durch alle Straßen laufen, tanzen, springen! alle ab.

 


 


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