Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Stube.

Susanne, Claudius.

Claudius. Der Handel liegt in dieser Zeit nun völlig.

Susanne. Und auch das Münster wird nicht ausgebaut,
Der König, sagt man, ist drum recht betrübt.

Clemens und Florens treten ein.

Clemens. Da sind wir in der Stadt etwas gewesen,
Wohin man sieht und hört, nur lauter Noth.

Florens. Recht traurig war der König, auch der Kaiser,
Es ging mir durch das Herz. Was haben sie?

Clemens. Soll man nicht traurig sein, wenn uns die Hunde,
Die wilden Türken also nahe liegen
Und rings Paris stets anzuzünden drohen,
Das Haupt dem guten König abzureißen?
Nun haben sie den allerkühnsten Ritter,
Den großen ungeschlachten wüth'gen Kerl,
Den Riesenkönig, diesen Abschaum, bei sich,
Der hat sie alle, Kön'ge, Grafen, Fürsten,
Baronen, Ritter, Edle, ausgefodert
Zum einzeln Zweikampf draußen vor dem Thor,
Doch keiner ist ein Narr, daß er ihm käme.
Nun wollte unser König mit ihm schlagen:
Nein, rief der Röm'sche Kaiser Octavianus,
An eurem Wohl liegt auch das Wohl des Landes,
Laßt mich hinaus, ich fürcht' mich nicht vor ihm!
Nein, sagt' der König wieder, Eu'r Maj'stät
Ist wohl zu gut für solchen Heidenschuft.
So streiten sie und denken, Graf und Ritter,
So mancher, der ein großes Maul sonst hat,
Soll raus sich scheeren, Ehre einzulegen.
Doch keiner rührt sich, keiner muckst und ihnen
Ist's auch nicht zu verdenken, daß sie bleiben;
Doch sind sie traurig, sprechen melankolisch,
Daß's einen recht erbarmt, so große Herren
Zu sehn in solchem miserabeln Zustand.
Ein junger Ritter war doch so verwegen,
Und das hat sie erst alle abgeschreckt,
Der rief: he, Stiefeln, Sporen, Harnisch her!
Der ritt hinaus, allein es ging ihm übel,
Der Riese packt ihn bei der Gurgel, siehst du,
Hat über Hals und Kopf ihn 'rein gefressen.

Florens. Glaubt das nicht, Vater, zu der schönen Braut
Hat er ihn heimgetragen als Präsent,
Mir wär' das recht, wo Jungfraun sind, ist nichts
Zu fürchten; der sieht sie recht in der Nähe

Clemens. Willst du doch Alles immer besser wissen!
Die Riesen sind fast immer Menschenfresser,
Denn das gehört einmal zu ihrem Stand,
Es muß sich einer wohl bedenken, wer
Das unternimmt, und dieser Bluthund gar,
Der beißt durch Küras wie durch taube Nüsse.

Susanne. Das ist ein übles, gotterbärmlichs Leben.

Florens. Mein Vater, laßt uns mal vernünftig sprechen:
Thut's euch nicht weh, den edlen König leiden
Zu sehn? Regt sich in euerem Herzen nicht
Unwill' und Zorn und Haß gegen die Feinde?

Clemens. Ja, guter Jung, das thut's, mir ist ganz flau
Um Lung' und Leber, und die Gall' läuft über,
Wenn ich solch wildes Volk so prahlen höre.

Florens. Nun denn, so laßt mich stracks zum Thor hinaus,
Gebt mir die alte Rüstung, die ihr habt,
Das Pferd ist da, das ich so theuer kaufte,
Das soll sein Geld am Riesen abverdienen,
Und Ehre will ich mir an ihm erwerben,
Den König von dem schweren Gram befrein,
Und die Beschimpfung der Franzosen rächen.

Clemens. Darauf will dein verständig Wort hinaus?
Geh, Gelbschnabel, laß dir die Nase putzen,
Du bist und bleibst ein ausgemachter Dummkopf.
Hör nur ein Mensch! Du dich an Riesen machen?
Das sind nicht Puterbraten, Pfefferkuchen,
Mein guter Lümmel! Ach, wie hat doch Gott
Die arme Creatur so ganz verwahrlost!
Und lachen möcht' man, stünd' es nicht so schlimm
Um uns; da ist so mancher tapfrer Ritter,
Dem Spieß und Schwerdt in vielerlei Gefechten
Um seine Nase blinkten, der die Heiden
Auch mehr als nur vom Hörensagen kennt,
Und keiner ist so kühn, so unvernünftig,
Den Riesen anzugreifen. Immer schon
Warst du ein Dummkopf, bald wirst du verrückt.

Florens. Zürnt nicht, es ist kein Einfall von jezt eben,
Es läßt mir keine Ruh, ich kann nicht schlafen
Vor dem Gedanken, immer treibt's mein Blut,
Ich denk' nur Kampf, ich führe Streich auf Streich,
Die Einbildung führt mir gar mannigfaltig
Gefechte vor, nur dieses ist mein Wunsch.
Ich weiß nicht, wie ihr andern leben könnt,
Ich kann's nicht, möchte nicht, wenn ich es könnte,
In diesem Spiel will ich mein Glück versuchen,
Hier will ich siegen oder untergehn,
Ich kann nicht ohne Harnisch, Schwerdt, Helm sein,
Das ist mein Trieb, es pocht mein volles Herz,
Es drängt mich hin, Soldat nur will ich werden,
Und so den Lauf beginnen. Lebt denn wohl,
Vater, Mutter und Bruder fahret wohl.
Ihr wollt mir nicht behülflich sein,
So wie ich bin, tret' ich mit einem Stecken
Zum Riesen hin, ich unterlaß es nicht,
Das schwör' ich bei Sanct Dionys und Gott!
Und sterb' ich nun, so ohne Wehr und Waffen,
Dann seid ihr selbst an meinem Tode Schuld!

Clemens. Wohin, du Großer? Bleib! Sei nur nicht grob,
Das will ich mir verbitten, gegen mich!
Unkluger! komm! So magst du's dir denn haben. –
Muß ich nicht gar ihm seinen Willen thun?
So sind die Kinder jezt! Zieh's an, das alte
Verrostete Gewehr und Harnisch! Bring's
Herein, Susanne, all das Eisenzeug,
Was gilt's, es wird ihm leid, er wird vernünftig.

Susanne. Ach, lieber Florens, laß dir doch ja rathen! geht.

Florens. Ich weiß, mein lieber Vater, daß der Riese
Von meinen Händen fällt, seid unbesorgt,
Denkt nur die Ehre, die ihr selber habt,
Wie Könige und Fürsten von euch sprechen,
Wie sie euch danken, daß ihr mich erzogt,
Und wenn ich Ritter bin und bin bekannt,
So wird auch jeder euren Namen nennen;
Der alte Clemens, sagen sie alsdann,
Das ist ein braver Mann! Den möcht' ich kennen!
Sagt dann der Kaiser: und man läßt euch rufen
Und alle danken euch dann noch dafür.

Clemens. Nun, närrscher Junge, so versuch' dein Heil!
Denkwürdig wär's für alle künft'gen Zeiten.

Susanne bringt die Rüstung.

Clemens. Da kommt das alte Eisenzeug, verschimmelt,
Verdorben ganz, und Krebs und Beinharnisch
Ist nicht im Stande, denn seit dreißig Jahren,
Mein lieber Florens, steht es in dem Winkel,
Da setzt' ich's hin, als ich damals quittirte
Den Krieg, und da hat es nun auch gestanden
Hinten in unsrer alten Polterkammer. –
Da ist der Helm, – Susanne, gieb ein Tuch!
Der ist voll Spinneweben, Mäuse sind
Drinn ein und ausgegangen und an Glanz
Ist nicht zu denken, – recht ein Bild des Friedens
Sind Mäus' im Helm, – nun setz' ihn auf, – er paßt.
Recht stattlich siehst du aus im rost'gen Helme.

Susanne. Ist es denn Ernst? Willst du's ihm nicht verleiden?

Clemens. Er schwatzt so lange, bis man's selber glaubt.
Da ist der Harn'sch. Mich wundert, daß die Riemen
So gut noch sind, solch Lederzeug hält lange.
Da ist das Schwerdt, – ei, tausend! nein, ich kann's
Nicht ausziehn, – da, halt du die Scheide, Claudius!
Ich will am Griffe zerren. – Das sitzt fest,
Wie eingeschmiedet, will's denn gar nicht rücken?
Hätt' nicht gedacht, daß Rost so kräftig wäre, –
Zieh besser, Claude, eins, zwei, drei, nun geht's –

Sie ziehn, das Schwerdt geht aus der Scheide, beide fallen rücklings hin.

Claudius. Herr Jesus!

Clemens.                     Gott behüte! Muß ich fallen?

Florens lachend.
Man sieht, das Schwerdt ist nicht in der Gewohnheit,
Ihr habt nicht Kampf, nicht Zwiespalt viel gehabt.

Claudius. Ja lach' nur! alle Rippen thun mir weh.

Clemens. Ach nein, ich bin ein friedliebender Mann.
Da ist das Schwerdt! doch könnt' es schärfer sein.
Laß nur die Scheide hier, du bringst's nicht rein,
Häng' es so simpel nur an deine Seite,
Es ist so schwarz, man denkt, es ist die Scheide.

Florens. Die Lanze her, dann bin ich ganz gewappnet.

Clemens. Ja zum Erbarmen. Laß den Spieß mich etwas
Noch säubern, denn die Hühner haben lange
Darauf gesessen, solch Gesindel achtet
Nicht sehr, ob's eine Lanze ist, ob Stock,
Das denkt nur drauf, die Sachen zu beschmeißen.
O Sohn! mein Sohn! – Was wird die Welt doch sagen,
Wenn sie dich sieht? du siehst aus wie der Satan!

Florens. Mutter, lebt wohl! als Sieger komm' ich wieder.

Susanne weinend.
Ach, lieber Sohn, an deinen Hirngespinnsten
Kommst du nun um, das ist die Frucht vom Lesen,
Von all den Ritterbüchern und Gedichten,
Ach, lieber Sohn, ich weine mich zu Tode!

Florens. Vater, lebt wohl!

Clemens.                           Nein, ich begleite dich
Bis an das Thor, komm mein Sohn Claudius mit.

sie gehn.



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