Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Pallast.

Adrastus, Nikanor.

Adrastus. Noch bin ich starr vor Schrecken und Erstaunen.
So hat die Bosheit endlich doch gesiegt?

Nikanor. Ich stehe wie im Traum, wie ein Erwachter,
Dem plötzlich Sonne seine Augen blendet;
Ich suche mich an etwas festzuhalten,
Zu überzeugen mich, es sei kein Traum.

Diana kömmt.

Diana. O meine Herren, meine werthe Herren,
Habt ihr's gehört? – O schafft der edeln Frau,
O Hülfe schafft ihr! Rettet sie vor Schmach!

Adrastus. Wir stehn noch hier betäubt, als wenn ein Blitz
Vor unsern Füßen eingeschlagen wäre.

Cloris kömmt.

Cloris. O Hülfe! Rettung! O der schlimmen Zeit!

Nikanor. Was ist zu thun? des Kaisers Zorn ist mächtig,
Die That spricht gegen sie, es ist kein Freund,
Der's wagen darf, sich ihrer anzunehmen.

Cloris. So bleibt doch euer redliches Gemüth,
In euch muß sie die letzte Hülfe suchen.

Adrastus. Die Leidenschaft des Fürsten ist zu taub
Um Rath zu hören, sich zu mäßigen.

Nikanor. Das hat die alte Fürstin längst gesucht,
Sie hat gewonnen, jene ist verloren.

Pasquin tritt ein.

Pasquin. Ei, das sind ja schöne Begebenheiten! Herrliche Neuigkeiten! Unser Sänger, der Herr Biren, hängt draußen hoch am Galgen, so eben hat ihn der Kaiser frisch abgestochen, und nun wird er in die kühle Luft gehenkt.

Nikanor. Schweig jezt mit deinen Possen.

Pasquin. Keine Possen, mein hochgeehrtester Herr, sondern die reine Wahrheit. Er hängt in der That draußen, wie ein abgewürgtes Huhn, die ganze Stadt kann ihn sehn und sich an ihm spiegeln.

Adrastus. Fort, Schalksnarr, es ist jezt nicht Zeit, dergleichen Reden zu führen. Hüte dich vor dem Zorn der kaiserlichen Majestät.

Pasquin. Warum? ich thue ja nichts übles. Da ich nun dies Exempel gesehen habe, werde ich mich wohl fein in Acht nehmen, bei der Kaiserin zu schlafen. Dem haben sie das Bad gesegnet, so wie er nun draußen im Winde herum baumelt. Aber wahrlich, es ist auch unerlaubt, gleich zwei Kinder zu zeugen; wenn er sich noch an einem begnügt hätte, so könnte man ihm vielleicht durch die Finger sehn. Es ist löblich, daß solcher Unverschämtheit bei Zeiten gesteuert wird; denn wenn das um sich griffe, wo sollte man sich vor allen Hurkindern retten?

Octavianus tritt ein.

Octavianus. O Sehn, daß du kein Sehen wärst gewesen!
O thörigt Auge, konnt'st du nicht erblinden?
Konnt' ich nicht Tod vor diesem Tage finden?
Von Todeskrankheit wär' ich dann genesen.
So bin ich unter Tausenden erlesen,
Dem Freude, Trost und Hoffnung muß verschwinden;
Ich klage Luft und Meer, den tauben Winden:
Saht ihr schon je ein unglückselgers Wesen?
Kein Trost, – kein Rath, – nicht Hülfe, – nur die Rache,
Kann noch mein Herz erwecken und erschrecken,
Ihr Blut soll diesen Frevel mir versöhnen.
So lange tobt in mir der grimme Drache,
Ich seh' ihn stets die weißen Zähne blecken,
Ich höre seine Stimme mich verhöhnen.

Pasquin. Die Liebe nimmt die Röthe von den Wangen,
Und Seufzer, Thränen, Weh, sind ihr Geleite,
Wer sich der Täuschenden ergiebt als Beute,
Der ist im allerschlimmsten Netz gefangen.
Ein falsches Langen nennt man recht Verlangen,
Verlangt hat sich der Sänger, welchen heute
Zu seiner Schande sehen alle Leute
Mit Baumeln an dem hohen Galgen hangen.
Wenn andre nur des einen Todes sterben,
Und daran schon genug zu käuen haben,
Ward der (je ärger Stück je besser Glück)
Erstochen erst, in Lüften dann erhaben,
Er konnt' kein Grab, doch doppeln Tod erwerben,
Lebt' durch den Hals, und starb durch das Genick.

Octavianus. Seid ihr hier? – Geht, ihr meine theuren Räthe,
Ich folge euch sogleich in die Versammlung.
O wollte Gott, daß wir um beßrer Ursach
Uns hier beisammen fänden! Jetzo geht. –

sie gehn alle ab.

Pasquin. Ist euch die Ursach noch nicht gut genug? Kann man aus bessern Gründen eine Rathsversammlung halten?

Octavianus. O weh mir! daß mein Glück ein eitles Träumen,
Ein Schatten war, ein nichtiger Gedanke,
Den wir vergessen, wenn wir uns besinnen,
Wenn wir ihn fesseln wollen, so enteilend,
Daß ich nicht sagen kann: ich war einst glücklich. –
Du weinst, mein guter Junge? Freilich wohl
Ist hier zu vielen tausend Thränen Ursach.

Pasquin. Freilich ist Ursach dazu, und zu tausend noch bessern Thränen, als ich sie jemals kann fließen lassen. Denn erstlich, haben sie für alle seine Mühe den Werkmeister draußen hinaus gehängt, wo er dem Winde und dem Wetter und allen Vögeln des Himmels exponirt ist; dann fürchte ich immer, wird man sein Machwerk auch nicht besser achten, und es für verbotne Waare erklären, so wie man ihn schon zu einem Böhnhasen und Pfuscher gemacht hat; dann habt ihr euren Rath versammelt, um ihnen allen zu erklären, daß ihr ein Hahnrey seid und es selber mit Augen gesehn habt, und doch meint, das wäre noch keine tüchtige Ursache, einen Hochedlen Rath zu versammeln. Seht, darüber könnte ich weinen, so lange ich Augen hätte, Wasser zu gießen, oder ein Herz, um zu ächzen, oder ein Gehirn, um daran zu denken. –

Octavianus geht ab.

Pasquin. Doch scheint es fast, als wollten die Gehirne jetzt aus der Mode kommen. – Der Kaiser schämt sich in der That, seinen Narren für lose Reden zu strafen, weil er großmüthig sagen kann: laßt ihn gehn, er ist dazu, er ist ein Narr; aber er wird sich keinen Augenblick schämen, selber ein Thor zu sein und mir in mein Amt zu pfuschen. Für jezt nemlich, denn nachher wird ihn Reue und Gewissen und dergleichen genug anfechten, und er wird wieder eine andre Rolle von Narrheit spielen. O glücklich wer seinen Beruf erkennt! Aber er merkt nicht, daß es Ohren sind, die ihm unter der Krone wachsen, sondern er hält sie für Hörner, er geht nun mit gebücktem Kopf, um damit nirgend anzustoßen, er möchte der Luft ausweichen, um sich nicht zu verletzen, ja seinen Gedanken entfliehen, und doch hat er jezt den Staatsrath berufen, um ihm die Sache recht umständlich darzulegen. Ich will doch auch gehn, und sehn, ob sie mich hineinlassen. geht ab.



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