Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Schlafzimmer der Kaiserin.

Felicitas. Griseldis.

Felicitas. Nun geh, meine gute Griseldis, und lege dich auch zur Ruhe.

Griseldis. Wollt ihr nicht, daß ich bei euch wache?

Felicitas. Geh zu Bett, so wie die andern, deinem Alter ist der Schlaf gut. Die Kinder sind still, ich bin gern des Nachts munter. Laß mich, es ängstet mich nur, wenn ich sehe, wie du dich meinetwegen bemühst.

Griseldis. Keine Mühe, gnädigste Frau –

Felicitas. Ich befehle dir, geh, morgen sehn wir uns wieder.
        Griseldis ab.
Wie süß die Kindlein schlafen! – Wie so lieblich
Sie in die Brust den Athem ziehn, und sorglos
Ganz in sich ruhn, von Träumen zart umfangen,
Von Engelfittigen beschirmt. Ihr Knaben,
Geliebte Kinder, wißt nichts von der Welt,
Kennt nur die Mutter, die euch Nahrung reicht:
Das Leben quillt in euch und macht euch größer,
Der holde Schlaf giebt liebliches Gedeihn.
O Gott! wie bin ich glücklich! – Aber nein,
Kein Glück darf ungetrübt dem Menschen werden,
Er muß es fühlen, daß er lebt auf Erden,
Die harte Erde mischt sich mit der Sonne,
Und Trübsal dunkelt uns jedwede Wonne,
So wie die Kerze golden angefacht
Am Dochte brennet, der sie dunkel macht. –
Es macht mich, wenn ich alles denke, müde,
O komm auf mich, du stiller heitrer Friede,
Der Stern wird auch von meinem Himmel weichen,
Dann glänzt mir wiederum ein günstig Zeichen. –
Ob wohl die Lampe hell genug, daß bei
Dem Schimmer ich das angefangne Mährchen
Zu Ende lesen mag? sie nimmt ein Buch. Wie doch die Liebe
Der Mittelpunkt von jeglicher Erfindung,
Von allem ist, was künstlich wird ersonnen!
Das ist es doch, was alle Menschen wollen!
– Ja, mir verjüngt sich alles, – wie ich einst
Mit ihm mich auf der Jagd verlor vom Haufen,
Wir von den Pferden stiegen, in der Mitte
Des Waldes, wo die rothen Blumen standen,
Ein Bächlein rauschte, sammt den hohen Wipfeln,
Wie dort sein erstes Liebeswort erwachte,
Wie da sein erster Kuß mich überraschte,
Wie da Geständniß sich mit dem Geständniß
Vertauschte, jeder lauschte, und es rauschte
Der Wald, wir hörten nichts und fuhren auf,
Wenn sich die Büsche neigten. Nur zu sehr
Hab ich ihn stets geliebt, zu schnell mich ihm,
Dem Liebesdrang ergeben; was nicht schwer
Der Mann erringt, das hält er auch nicht theuer –
Der Lampe Strahl ist ungewiß und dämmernd,
Das Buch ermüdet mich, und Schläfrigkeit
Ergreift und wiegt die Sinnen ein, ich weiß nicht
Ob ich es wagen darf, dem Schlafe mich
Ergeben; – doch, ich wache ja, so wie
Die Kleinen sich bewegen. – Wunderbar –
Wie still die Nacht – sie schläft ein.

Die alte Kaiserin öffnet leise die Thür und läßt Biren herein.

Kaiserin. Sie schläft auf ihrem Ruhebette dort,
Ihr habt Gelegenheit und Nacht und Liebe
Auf eurer Seite, nun vertraut euch selbst. sie entfernt sich.

Biren. Wo bin ich denn? Wie bin ich hergekommen?
Welch Stern regiert anjezt am Himmelsbogen?
Ist Venus dorten liebend angeglommen,
Entsteigt sie golden wohl den Meereswogen?
Sind Liebesgötter mit ihr aufgeschwommen?
So hast du mich denn, Göttin, nicht betrogen?
Ich schaue mich in diesem, diesem Zimmer
Mit ihr allein bei mattem Kerzenschimmer!
Darf ich den eignen Sinnen wohl vertrauen?
Und ist es nicht ein schmeichelhaftes Wähnen?
Ich darf sie so in lieber Nähe schauen,
Nach der so lange rang mein heftig Sehnen?
O Schönste du, holdseligste der Frauen,
Du willst nun endlich meine Wünsche krönen,
Du gönnst dem Jüngling deinen süßen Leib,
Willst nicht mehr Fürstin sein, nur liebend Weib!
Und dennoch wag' ich's nicht, sie anzurühren.
Wie reizend, wie sie hingegossen ruht!
Dies Bildniß könnte Heilige verführen,
Wie mehr ein frisches, jugendliches Blut;
Was will ich noch? verschlossen sind die Thüren,
Doch sie zu wecken fehlt es mir an Muth,
Ich fühle mich im zitternden Verlangen,
In Furcht und kühnen Wünschen eingefangen.
Der runde Arm erhebt sich ob dem Haupte,
Der Athem hebt und senkt die schönen Brüste.
O daß kein Schleier mir die Reize raubte,
Daß nur mein Aug' um diese Formen wüßte,
O daß der frische Mund es mir erlaubte,
Daß ich den Schlaf von diesen Lippen küßte,
Daß ich das Licht der Augen leuchten sähe,
Daß sie erweckt mich zornig nicht verschmähe!
Sie schläft wohl nicht, und will, ich soll es wagen,
Mein großes Glück, die Wonne zu ergreifen,
Ich seh die Brüste mir entgegen schlagen,
Die selbst die Hülle kämpfen abzustreifen;
Im Schlaf darf sich die Frechheit nicht verklagen,
Sie will zur Liebe höchste Güte häufen,
Die hellen Augen würden mich beschämen,
Und meinem Muthe seine Flügel lähmen. –
Wer ist schon jemals so beglückt gewesen!
Biren, du darfst die Augen keck erheben,
Du bist von vielen Tausenden erlesen,
Die allerhöchste Wonne zu erleben.
Ich nahe dir, du allerreinstes Wesen,
Ich widersteh nicht länger diesem Streben –
O weh! Was ist? – Vernehm ich draußen Schritte?
Es nahen hieher selbst die frechen Tritte.

Die alte Kaiserin und Octavianus treten ein.

Kaiserin. Hier siehst du sie und ihn, ermiß nun selber,
Ob Lüge, ob ich Wahrheit stets gesprochen. –
Wie? Bist du stumm?

Felicitas träumend.           O! meine lieben Kinder!
O wer beschützt euch vor dem starken Löwen!
        sie erwacht.
O Gott! o dreimalheilger Gott! Was seh ich? –
Ich träume etwa noch. – Ist dieser dort,
Die starre Bildung mit dem bloßen Schwerdt,
Ist der mein Gatte? Kinder, lebt ihr noch?
O mein Gemahl! – Was will hier der Gesell?
Die Kaiserin! O weh mir Unglückselgen!
Fast muß ich alles nun errathen.

Octavianus.                                         Fast?
Du Ehebrecherin!

Felicitas.                     O hör' mich an.

Kaiserin. Willst du sie noch zu Worte kommen lassen?
Soll sie dich mit der glatten Zunge täuschen?

Octavianus. O schweig! Kein Wort! Kein Athemzug!
He Wache draußen! Wache tritt ein. Werft mir diese da,
Mit ihrer schnöden Brut, der Bastardbrut,
In einen tiefen Kerker!

Felicitas. Du hörst mich nicht, ich soll zu dir nicht sprechen?
Leb wohl, du wirst mein armes Herze brechen.
O meine Kinder, – ach ja, weint nur, weint,
Kein Glück für uns auf dieser Erde scheint. mit der Wache ab.

Biren niederknieend.
O mein Gebieter!

Octavianus.               Ist's möglich, Rasender,
Du stellst dem Basilisken dich ins Auge?

Biren. Ich wollte, o mein theuerster Monarch –

Octavianus. Du Schändlicher!

Biren.                                         Mein Glück zu machen kam ich –

Octavianus. Schweig!

Biren.                           Hört mich nur an.

Kaiserin.                                                   Du läßt ihn sprechen?

Octavianus sticht ihn nieder.
So finde deinen Lohn! – O meine Mutter,
Taub, fühllos bin ich, blind und ohne Sinnen.
Wohin verberg ich mich? – O kommt von hinnen.

sie gehn ab.



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