Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Tempel.

Zwei Priester.

1. Priester. Wie so ruhig, wie so stille
Heute die gewölbten Hallen,
In der dämmerlichen Hülle,
Nur verlorne Worte schallen
Durch die süße Einsamkeit.

2. Priester. Morgen wird ein hohes Fest,
Der Frohn-Leichnam schön gefeiert,
Christlich Bündniß Gott erneuert,
Altar schmücken laßt uns heut',
Daß am Morgen alle Gäst'
Lieb' und holde Freude finden,
Sich entladen ihrer Sünden,
Finden alles zubereit.

Joachim und Euphrasia treten ein.

1. Priester. Dort naht der alte Ritter mit der Gattin,
Die keinen Tag das heil'ge Grab versäumen.

2. Priester. Und keine Vesper, keine Messe, still
Und andachtsvoll sind diese beiden Frommen
Stets gegenwärtig.

Joachim.                       Sehr ehrwürd'ge Herrn,
So eben haben wir auf offner Gasse
Etwas gesehn, was uns höchst seltsam dünkt.
Ein Frauenbild auf einem großen Rosse,
In ihrem Arm ein schönes Kindelein,
Beide geschmückt, die Frau mit edlem Anstand,
Und hintennach ein mächtig großer Löwe,
Der wie ein zahmes Hündlein schmeichelnd folgte,
Es staunte alles Volk, ging aus dem Wege,
Und sie zog wie ein Wunder durch sie hin,
Ich weiß nicht, soll ich sagen, wie der Glaube,
Wie Aufruf an das Volk zum heil'gen Kriege,
Das Kind im Arm, der Leo hinterdrein,
Wie Liebe, oder Tapferkeit erscheinen.

Euphrasia. Und ihre freundlich edle Miene, leidend,
In Ernst gekleidet, aber doch so mild,
Es rührte wunderbar mein Herz der Anblick.
Da kommt sie mit dem Kind und mit dem Löwen.

Felicitas mit dem Kinde und mit dem Löwen.

Felicitas kniet vor dem Altar, legt ihr Kind darauf.
Endlich ist nun mein heißer Wunsch gestillet,
Ich kniee vor dem heiligsten Altar.
Von Gottes Nähe bin ich ganz erfüllet,
Ich fühl' um meinen Geist der Engel Schaar.
O Gottes Sohn! sei gnädiglich gewillet
Zu nehmen, was ich dir heut' bringe dar,
Ein armes Waisenkind, es trägt Verlangen,
Das Sacrament der Taufe zu empfangen.
        sie steht auf.
Ehrwürd'ge Herrn, ich komm' aus fernen Landen,
Es lechzt mein Herz, des Kindes stiller Geist,
Daß es ein Christ und einverleibet werde
Der Kirche Gottes. Ich bin fremd allhier,
Wollt ihr so gut sein, wen von euren Freunden
Zu bitten, daß er sei ein frommer Zeuge?

Joachim. Vergönnt mir, edle Frau, ein Wort zu sprechen:
Eu'r Wesen, eure Frömmigkeit hat mich
Gerührt, nehmt liebreich mich zum Pathen an,
Wie meine Gattin, ein'ge gute Freunde
Bring' ich noch mit, die sich erfreuen werden,
Den heil'gen Dienst dem Kind und euch zu thun.

Felicitas. Wie freut der Unglücksel'ge sich, wenn in
Der Fremde edle Herzen sich erbarmen,
Die er nicht in der Heimath fand. Viel Dank
Mein werther Herr. Könnt ihr mir wohl
(Da ihr so gütig einmal seid) auch sagen,
Wo ich in dieser Gottesstadt mag wohnen?

Joachim. Würdigt mein Haus, euch darin aufzuhalten.

Euphrasia. Wir werden's uns für einen Segen achten,
Wir sind nur stille Leute, aber nicht
Soll's euch an Ehr' und Dienst und Liebe fehlen.

Felicitas. Beschämt bin ich von eurem Anerbieten.
Doch soll die Freundlichkeit, die ihr mir zeigt,
Euch nicht zum Schaden sein, ich will euch gern
Vergüten Kost und Wohnung. – Edle Herrn,
So wollen wir zum hohen Werke bald.
Ein Löw' erhielt dem Kindelein sein Leben,
Drum sei der Name Leo ihm gegeben.

Priester. Versammelt nur die Zeugen, eh die Nacht
Hernieder kömmt, sei dieses Werk vollbracht.

alle gehen ab.



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