Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Gefängniß.

Felicitas. Diana. Cloris.

Felicitas. Weint nicht, ihr Mädchen. Warum wollt ihr weinen?

Diana. Ach guter Gott im Himmel! Wie so ruhig
Die Kinder schlafen, wissen nichts von dem,
Was ihnen nun so nahe schon bevorsteht.

Felicitas. Sie schrieen kläglich in der ganzen Nacht,
Nun sind sie endlich ruhig. Ach die Süßen!
Sieh, dieser lächelt, jener streckt das Aermchen,
Sie träumen von der Mutter und von Engeln.

Cloris. Wie mögt ihr an den lieben Kindern nur
So große Freude haben, da ihr wißt –

Felicitas. Daß sie heut sterben müssen, meinst du, Cloris?
Dann sind sie mit der Mutter bei den Engeln,
Dann weinen sie nicht mehr, dann ist kein Schmerz,
Kein Leiden, das sie stört in Himmelsfreude.
Da giebt es keine Freunde, die im Unglück
Den Rücken wenden, wenn sie helfen sollten,
Da ist kein Feind, der ihnen Böses will,
Die ewge Lieb' bleibt ewig zugewandt,
In süßer Gegenlieb' das Herz entbrannt.

Diana. Ach Gott! O daß ich diesen Unglückstag
Erleben mußte! Hätt' ich das gedacht,
Als ihr als Braut zu uns herüberkamt?

Felicitas. Laß die Erinnrung fahren, liebes Mädchen.
So wie es ist, muß alles sein, nur Schein
Ist alles irdsche Glück, und kann nicht anders.
Ich hing zu fest an diesen Erdenfreuden,
Nun weckt man mich von meinem Schlummer auf;
Unfreundlich ist die Hand ein wenig, doch
Sie meint es gut, daß ich erwachen soll.

Cloris. Ihr seid anjezt in freudenreicher Rührung,
Und uns befällt der Schmerz so heftiger,
Je mehr wir eure hohe Tugend sehn,
Je näher uns des Abschieds Stunde kommt.
So jung noch, – sterben, – und so unschuldig!

Felicitas. Und möchtest du denn, daß ich schuldig wäre?
Und lebt' ich auch noch schuldlos viele Jahre,
So wäre doch ein Tod der Schluß des Lebens,
Und keine schönre Zeit kann je mir werden,
Als jezt zu sterben, so verzeiht mir Gott
Um dieses Leiden meine vorgen Sünden.
Es könnten auch in Zukunft Leichtsinn, Thorheit,
Und weltliche Gedanken unvermerkt
Mich hin zum Bösen lenken, drum ist besser,
Ich sterbe schuldlos jezt. Was sollen mir
Auch Tage, Monden noch des Weh's und Jammers?
Mein Leben starb, als ich im Einzigen
Ein Ungeheuer sah, als aus der Liebe
Ein Basilisken-Auge tödtlich blickte,
Ich würde nie den eisern Blick vergessen.
Drum kommt, geliebte Kleinen, kaum geboren,
Ist euch ein Grab in Mutterarm bereitet,
Ich drück euch an die Brust und wir besteigen
Den Scheiterhaufen; wenn die Flamme weht,
So küß' ich eure Mündchen, eure Augen,
Wir weinen nicht, ich trinke eure Thränen,
So nimmt die ewige Barmherzigkeit
Uns auf in ihre reinen Himmelsfreuden.
Ich kann es sagen ohne Heuchelei,
Ich freue mich auf meinen Tod, die Schande,
Die mich verfolgt, ist nur ein kurzer Irrthum,
Die Wahrheit dringt ans Licht; was kümmert mich,
Was hier die armen Menschen von mir sprechen,
Wenn ich verklärt von dort hernieder schaue?

Cloris. Daß doch so böse Menschen stets den guten
Entgegen stehn, und daß der Himmel zuläßt
Ihr Wüthen, ihr Verfolgen.

Felicitas.                                   Gestern kam
Die alte Kaiserin in mein Gefängniß,
So grimmig, wie ich sie noch nie gesehn,
Wie man Gespenster schildert, oder Furien.
Ich sah in ihr mein Unglück gegenwärtig,
Sichtbar den bösen Geist, der mich verfolgt,
So bleich, so abgezehrt, so lang und hager,
Die Augen blitzend, und die schmalen Lippen
Vor Neid und bösem Willen eingekniffen.
In meinen Armen wollte sie die Kindlein
Erwürgen, aber Kräfte fühlt' ich in mir
Das Ungethüm mir abzuwehren. Sterben
Ist wohl ihr Loos, doch nicht von ihren Händen;
Und konnt' ich auch nur wenge Stunden fristen
Ihr armes Leben, so gewann ich doch
Mir wenge Stunden Mutterseligkeit.
Ich weiß, woher ihr Grimm, ihr Neid mir kömmt,
Sie war mir stets entgegen, immer giftig,
Gleich als ich hieher kam mit meinem Gatten.
Sie hatte ihm ein Weib gewählt, das sie
Beherrschen möchte, meine Unvorsicht
Und Jugend, (da ich damals noch nicht wußte,
Wie sehr sie Octavian regieren durfte)
War Schuld, daß ich ihr heftig widersprach,
Gemahlin wollte sein und Kaiserin. –
Die alte Wärterin Griseldis, die
Noch Octavian gesäuget, sagte mir
Viel von der Kaiserin und ihrem Leichtsinn,
Dem wüsten Leben ihrer Jugend, wie
Man vielerlei Geschichtchen von ihr wüßte,
Und ihren mancherlei Geliebten, daß
Der alte Kaiser oft in Eifersucht
Entbrannt, sie vor des Hofs Versammlung schmälte.
Lebhaft so wie ich war, kam einst im Zwist,
Was frisch mir im Gedächtniß lebte, vorschnell
Auf meine Zung', in Gegenwart des Kaisers.
Da sah ich, wie sie mir Verderben schwur,
Ich hatte keine Waffen gegen Tücke,
So hat sie mich zum Abgrund hingetrieben.

Diana. Hier ist ein Mann, der euch zu sehen wünscht.

Felicitas. Ich habe aller Hoheit mich entkleidet,
Ich darf nicht sagen: Nein; zu meiner Strafe
Hat man erlaubt, daß jeder Unterthan,
Jedweder Thor und schadenfrohe Knecht
Mir nahen darf in meinem trüben Kerker.

Apollodorus tritt herein.

Apollodorus. Theure Kaiserin –

Felicitas. Spotte nicht einer armen unglücklichen Frau, mir gehört dieser Titel nicht. Laß deiner Schadenfreude an meinem Anblicke genug sein.

Apollodorus. Ihr irrt euch in mir, edle Frau. Ich bin ein armer Mann, der euch von jeher zugethan war, den eure Barmherzigkeit und hohe Gnade aus der Gefangenschaft der Meerräuber loskaufte. Ich habe Tag und Nacht euer Schicksal beweint, das ich voraus sah, aber nicht wenden konnte.

Felicitas. Wer bist du?

Apollodorus. Bei meiner Geburt standen glückliche Sterne, so daß es mir vergönnt war, mich der ernsten Wissenschaft zu weihen: mir ist vom Schicksal verliehen, in mannichfaltigen Zeichen der großen Natur die Zukunft zu lesen. Schon lange hab' ich euer Horoskop, die Constellation ist glücklich, das beweisen eure Schönheit, hohe Tugend, fester Sinn und edle Geistesgaben. Auch Glück und langes Leben ist euch zugewandt, nur ein Stern ist mir räthselhaft. Darum versagt mir meine Bitte nicht, und laßt mich in eure Hände schauen, ob ich die Zeichen dann begreife.

Felicitas. Könnt ihr in ihnen etwas lesen?

Apollodorus. Alles, ich sehe hier euer Glück und Unglück. Ein langes Leben ist euch bestimmt, ein glückliches Alter, Freude an euren Kindern, nur eine schwarze Stunde,
gegen die ihr kämpfen müßt; überlebt ihr diese, so habt ihr gesiegt.

Felicitas. Nicht rufe mich mit eitler Weissagung,
Mit Wähnen deiner Kunst zurück vom Wege,
Den ich so muthig ging.

Der Caplan tritt ein.

Caplan. Des Herren Friede sei mit euch und allen:
Verzeiht mir, Fürstin, diesen sauern Gang,
Der Seufzer mich und schwere Thränen kostet;
Ich komme euch zu rufen. Ist die Seele
Gerüstet, Abschied von der Welt zu nehmen?

Felicitas. Ja heilger Vater.

Caplan. Gelüstet euch zuvor, durch süße Beichte
Die letzte Last vom Herzen abzuwälzen,
Den zarten Leib des Herren zu genießen,
Lossprechung zu empfahn von euren Sünden,
So kommt mit mir, euch bleibt nur kurze Frist.

sie gehen.



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