Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Feld und Lager.

Felicitas, Leo.

Leo.
    Schon finden wir uns in den blühnden Auen
Der Lombardei, und Gras, Wald und Gefilde
Scheinst du mit tiefer Sehnsucht anzuschauen,
Es ist, als ob ein leis Erinnern milde
Aus diesen Lüften will hernieder thauen:
Auch mir erwecken diese Berggebilde,
Die Wasser rauschend, diese Wälder kühl,
Sehnsüchtig stilles Weh, Andachtsgefühl.

Felicitas.
    O lieber Sohn, dies sind die schönen Bühnen
Von meinen Kinderjahren, wo nur Lust
Von Bergen quoll und keimte aus dem Grünen
Des neuen Frühlings, und sich an die Brust
So schmeichelnd kosend drückte, als erschienen
Aus Sternen Liebesblicke nur, Verlust
War mir noch unbekannt, dies bange Trachten,
An dem das arme Herz muß einsam schmachten.

    Mein Vater war so gütig schwach, daß, wehten
Die Winde rauh, er sie wohl schelten konnte,
Hart sollte nicht der zarte Fuß auftreten,
Wie er erquickt in meinem Blick sich sonnte,
Versäumt' ich rückzukehren, wann die späten
Gestirne keimten aus dem Horizonte,
So quält' er schwach sein Herz mit manchem Grame,
Und von den Lippen scholl seufzend mein Name.

    Die Kinderjahre und die goldnen Stunden,
In denen Gegenwart scherzend umspielt
Die heitern Tage, waren mir verschwunden,
In denen ich in Liebesarmen hielt
Den Garten und die Blumen, als verbunden
Ich mich mit Waldung und mit Luft gefühlt,
Als ich nur immer dachte ohne Sorgen:
O wäre, wie es heute war, auch morgen.

    Da war ein Schmerz mir in mein Herz geschlichen,
Ein Sehnen, eine Freude, unbekanntes
Vorahnden, und der Frühling war erblichen,
Entfremdet war Bekanntes und Verwandtes,
Flatternd die Scherze all von mir gewichen,
Ich suchte jenes Bild und ach! ich fand es
Nun nirgend, das mir sonst so heiter klar,
Und nun verschwunden mir so gänzlich war.

    Da kam dein Vater, und ein helles Blicken
Fiel wundersam in meines Lebens Tiefen,
Da wachte Wehmuth auf, Freud' und Entzücken,
Die Liebesgeister, die in Ruhe schliefen,
Sie eilten über unsichtbare Brücken
Und standen weinend, wie sie Hülfe riefen,
Da kamen süße Worte angeflogen
Und sänftigten die ungestümen Wogen.

    Auch wir sind wieder, so wie sonst, die deinen!
Rief Wald und Quell und eilte mir entgegen,
Der Frühling wollte glänzend wieder scheinen,
Die Blumenfinger an mein Herz mir legen,
Ich grüßte Feld und Garten wieder, weinen
Mußt' ich ob dieser Fülle und dem Segen,
Und alle Brunnen rauschten Liebestöne,
Was schön gewesen blüht' in hellrer Schöne.

    Nun folgt' er hin zur Jagd, zum kühlen Wald,
Er saß zu mir an Silberquellen nieder,
Und wie der Waldgesang durch Schatten schallt,
Horchten wir sinnend auf die Liebeslieder,
Ermüdet tranken wir die Brunnen kalt,
Das weiche Gras empfing die matten Glieder,
Wo Einsamkeit und Stille, Sonnenschein
Dämmernd herblinkte, wuchs ein Liebeshain.

    Bald war die Furcht unsrer Liebe genommen,
Wir durften nicht mehr flüchten zu den Schatten,
Der langgehoffte Tag war nun gekommen,
In Rom nannt' ich den Liebsten meinen Gatten. –
Ach, Wellen Glücks, wohin wart ihr geschwommen,
Wo wart ihr denn, ihr still friedsel'gen Matten?
Verschwunden war und plötzlich abgebrochen
Der Rosenwald, und mir mein Herz zerstochen. –

    Dort ist der Hain, wo ich so oft gegangen,
Dort steht der Berg, von dem ich um mich blickte,
Hier ist das Feld, wo oft an meinen Wangen
Der Wind den Seufzer trug, der mich entzückte,
Dort war es, wo wir uns zuerst umschlangen,
Wo mich sein Kuß wie aus mir selbst entrückte,
So viele Thränen ich jezt weine, schon
Seit meiner Jugend so viel Jahre flohn.

Leo.
    So schwinden Tage, Monden, Jahre schnell.
Vergänglichkeit, du plünderst unser Leben!
Noch leuchtet um uns Sonnenschimmer hell,
Plötzlich sind wir der finstern Nacht gegeben:
Wie kinderfreundlich, blumgeschmückt der Quell
Aus seinem Berg springt mit dem Jünglingsstreben,
In öde Sümpfe tritt er und muß schreiten
Langsam, vergessen in die Einsamkeiten.

Richard kommt.

Richard. Welch edles Lager, welche Krieger find' ich
So unerwartet auf der schönen Flur?
Wer bist du, Mann?

Richard.               Ich komme von Paris,
Dort ward in einer schlimmen blut'gen Schlacht
Der edle König Dagobert gedrängt
Von unzählbaren Heiden, und gewiß
Ist er verloren schon, denn im Getümmel
Ließ ich und viele Freund' mit mir das Feld,
Weil unbezwinglich war die Feindesmacht,
Und selbst die Tapfern gerne rückwärts gingen.

Leo. Mehr ziemt es dir im Feld mit ihm zu sterben;
Doch kömmst du auch als Bote mir erwünscht.
Auf denn und nach Paris, dem edlen König
Zur Hülfe! und die auserles'ne Schaar,
Die ich mit mir von Balduin gebracht,
Wird seinen Thron erretten oder fallen.

sie gehen.



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