Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Ein Zug von Schäfern und Schäferinnen, tanzend und singend, mit Flöten und Schalmeien.

Schäfer. Die Mailust ist begonnen,
Der Baum hat seine Grüne,
Die Blätter schon gewonnen.
Wie seufzten alle Knaben:
O daß der Mai erschiene,
Daß wir die goldnen Gaben
Bald möchten wieder haben!
Komm wieder Sonnenschein,
Fließt wieder Bäche munter
Den grünen Plan hinunter,
Singt wieder Vögelein
                    Im Walde.

Schäferinnen.
Und seht, er ist gekommen,
Das goldne Kind, der Mai,
Ist alles angeglommen,
Das Eis ist weggenommen,
Die Fluren sind so neu.
Er bringt uns alles wieder,
Schon tönen Frühlingslieder,
Die kühlen Bächlein rauschen
Vom Hügel hergeschwommen,
Die Vöglein alle tauschen
Die tausend Melodien,
Die goldnen Blümlein blühen
                    Im Walde.

Vereinigtes Chor.
Der Winter floh, ein Schatten,
Und ließ die Erde los,
Nun blüht der grüne Schooß,
Nun sieht man auf den Matten,
Im kühlen Waldesschatten,
Das Wild, die Vögel fliehen,
Eins nach dem andern ziehen,
Und liebend sich begatten.
Gegrüßt sei, holder Mai!
Die Lieb' ist dein Gespiele,
Wann ich den Frühling fühle
Wird auch mein Lieben neu,
Der Liebe Tempel sei
                    Im Walde. Ziehn vorüber.

Der Dichter tritt auf.
Wie sehnsuchtsvoll fühlt sich mein Herz gezogen,
Dem frischen grünen Walde zugelenket,
Von Bächen wird das neue Gras getränket,
Die Blumen schauen sich in klaren Wogen.
Ein blau Kristall erscheint der Himmelsbogen,
Zur blühnden Erde liebend hergesenket,
Die Sonne zeigt, daß sie der Welt gedenket,
Sie hat die Blumen küssend aufgesogen.
Die Pflanzen glänzen, Wasserwogen lachen,
Die muntern Thiere regen sich in Sprüngen,
Der Vogel singt, wie Laub sich grün entzündet.
Wenn Thiere, Wasser, Blumen, Flur' erwachen,
Läßt höher noch der Mensch die Stimm' erklingen,
Der Dichter Himmelslust der Welt verkündet.

Chor, von der einen Seite, mit Trompeten, wie in der Ferne.
Das Herz geht uns auf
                    Im Walde.

Chor, von der andern Seite mit Flöten in der Ferne.
Der Liebe Tempel sei
                    Im Walde.

Der Dichter.
Es lebt der Wald von wunderbaren Zungen,
Die Flöten tönen, der Trommete Klänge
Ermuntern laut der Waldvöglein Gedränge,
Dem Frühling wird, dem Muthe Gruß gesungen.
Die Fahnen dort sind kühn empor geschwungen,
Im blanken Erz regt sich der Krieger Menge,
Dort singt ein Schäferchor Liebesgesänge,
Und Flöten, Horn und Wald in eins erklungen.
Drein gießt sich Duft von Baum und Blumenblüthe,
Es brennt der Wald im hellen grünen Feuer,
Und Geister spielend im Gezweige springen,
Da regt die Poesie sich im Gemüthe,
Es greift der Dichter nach der goldnen Leier,
Die Wonne, die sein Herz bewegt, zu singen. –
Hör' Echo du im Thale drunten – unten –
Baumzweige über meinem Haupte droben – oben!
Die alte Zeit kömmt mir in meine Sinnen, – innen –
Gefühle wundersel'ger Stunden – stunden
Im Herzen auf und mich bezwangen – Wangen
Und süße Lippen, Busen, Locken – locken
Der Sehnsucht reizende Gefühle – fühle!

Ein Liebender tritt auf.
Hier ist der Bach, das grünende Gebüsche,
Wo einst bei eines schönen Morgens Frische,
Ach meiner allzuselgen Hand
Die Reizendste durch Handdruck sich verband,
Mir ihre Gunst die Schäferin gestand.
    Alle Wünsche, alle Träume
    Waren herrlich nun gestillt,
    Das Verlangen war erfüllt,
    Fröhlich rauschten grüne Bäume.
    Aus geh ich die Spur zu finden,
    Alles sagt mir von dem Glücke,
    Jene Zeit kömmt mir zurücke;
    Mußte sie so schnell verschwinden?
    Ach wie war die Stunde süße,
    Als sich unsre Blick' erkannten,
    Unsre Herzen schnell entbrannten,
    Sich begegneten die Küsse.
    Jeder Frühling sagt mir wieder,
    Wie ich selig einst gewesen,
    Darum kann ich nicht genesen,
    Und das Auge sinket nieder.
    Kommt der Herbst, bin ich vermessen,
    Kommt der Winter, seh ich glänzen
    Manche Schönheit bei den Tänzen,
    Und die Einzge wird vergessen.
    Aber wann die Blumen sprießen,
    Wann die Nachtigallen singen,
    Muß sie wieder mich bezwingen,
    Ich den schnöden Frevel büßen.
    Fließet, fließet, treue Thränen,
    Herz vergeh im tiefen Schmachten,
    Mögt ihr Augen euch umnachten,
    Leben, löse dich in Sehnen.

Eine Pilgerin kommt.
Was heute war, ist morgen schon verschwunden,
Es wechseln ohne Rast des Lebens Stunden,
Fortuna rennt unstätig durch die Welt
Und weiß nicht wo, weiß nicht wann einer fällt,
Sie spielt mit Zepter, Herrlichkeit und Kronen,
Blind geht sie hin, wo irgend Menschen wohnen,
Unglück und Leid, wie Thränen oder Lachen,
Begleiten sie, den Hofstaat ihr zu machen,
Sie kümmert's nicht, wer jammert, wer gewinnt,
Sie kömmt und flieht, forteilend wie der Wind.
    Ohne Ruhe ewig wandelnd
    Geht sie fort, weiß nicht wohin,
    Irr und unstät ist ihr Sinn.
    Nur nach blinder Laune handelnd.
    In das laute Lachen streut sie
    Unvermerkt der Thränen Saat,
    Und den Jammer, wenn auch spat,
    Durch ein holdes Glück erfreut sie.
    Dies sah ich auf allen Wegen,
    Und die falsche Welt verlassend,
    Und das Weib Fortuna hassend
    Wall' ich einer Klaus' entgegen.

Der Dichter.
Durch Himmelsplan die rothen Wolken ziehen,
Beglänzet von der Sonne Abendstralen,
Jetzt sieht man sie in hellem Feuer glühen,
Und wie sie sich in seltsam Bildniß mahlen:
So oftmals Helden, große Thaten blühen,
Aufsteigend aus der Zeiten goldnen Schaalen,
Doch wie sie noch die Welt am schönsten schmücken,
Fliehn sie wie Wolken und ein schnell Entzücken.
Was dieser fliehnde Schimmer will bedeuten,
Die Bildniß, die sich durch einander jagen,
Die Glanzgestalten, die so furchtbar schreiten,
Kann nur der Dichter offenbarend sagen;
Es wechseln die Gestalten wie die Zeiten,
Sind sie euch Räthsel, müßt ihr ihn nur fragen,
Ewig bleibt stehn in seinem Lied gedichtet,
Was die Natur schafft und im Rausch vernichtet.
Es wohnt in ihr nur dieser ewge Wille,
Zu wechseln mit Gebären und Erzeugen,
Vom Chaos zieht sie ab die dunkle Hülle,
Die Tön' erweckt sie aus dem todten Schweigen,
Ein Lebensquell regt sich die alte Stille,
In der Gebilde auf und nieder steigen,
Nur Phantasie schaut in das ewge Weben,
Wie stets dem Tod erblüht verjüngtes Leben.

Der Ritter kommt zurück.
Die Feinde sind entflohn, die muthgen Krieger
Gehn ohne Blut, mit unzerschlagnem Helm
Zurück in's Vaterland. – Schon wird es Abend,
Die laue Luft zieht durch die Blätter labend,
Auf Harnisch und auf Schild erglänzt der Schein,
Der Himmel funkelt wie ein rother Wein,
Der lockend im Pokal von Golde schwimmt,
Und Glanz von ihm in seine Röthe nimmt.

Ein Hirtenmädchen kommt.
Das Fest ist vorüber,
Schon winken von ferne
Die lieblichen Sterne
Des Abends herüber.
Nun klinget die Flöte
Noch zärtlicher drein,
Im lieblichen Schein
Der sinkenden Röthe.
Und alle beginnen
Mit schmeichelnden Tönen,
Damit sie die Schönen
Durch Lieder gewinnen.
Mich lassen sie ziehen,
Folgt keiner zum Hain,
Verlassen, allein
Zum Wald muß ich fliehen.
Ich bin noch ein Kind,
Drum darf ich es wagen
Mein Leiden zu klagen
Dem nächtlichen Wind.
Nach wenigen Lenzen,
So nennt man mich schön;
Beim Flötengetön
Entschweb' ich in Tänzen,
Dann werd' ich in Kränzen,
Die zärtliche Hand
Mir schenkte und band,
Hell prangen und glänzen.

Ein Reisender tritt auf.
So leg' ich hier den schweren Bündel nieder,
Der mir die Reise zu beschwerlich macht.
Genug der Länder hab' ich nun gesehn
Und will mich im Erinnern schön ergötzen.
Nichts geht doch der Bequemlichkeit zuvor.
Wie freu' ich mich auf meine alten Freunde,
Auf die Verwandten und auf Frau und Kinder,
Auch Nachbarn, ihnen alles zu erzählen;
Die größte Lust kömmt immer hinten nach.

Ein zweiter Reisender tritt auf.
Weit hinaus treibt mich das Sehnen,
Wundervolles Land zu schauen:
Keiner darf sich selbst vertrauen,
Oder sich als weise wähnen;
Das erfodert manche Künste,
Mancherlei muß man erfahren,
Und oft sieht man erst nach Jahren,
Alles waren eitle Dünste.
Darum will ich in die Weite,
Manches Glück wird mir begegnen,
Auch mag's manchmal Schläge regnen.
Meist folgt Morgen auf das Heute.
Jeder führt etwas im Schilde,
Und umsonst ist nichts auf Erden,
Darum acht' ich nicht Beschwerden,
Wenn ich mich nur etwas bilde.

Ritter. Beglückt, wer mit den ausgespannten Flügeln
Sein Schiff dahin auf ebnem Meere führt,
Er sieht um sich die große Fläche spiegeln
Und wird von keiner bleichen Furcht berührt,
Er führt den Kiel zu seiner Heimath Hügeln,
Den Lauf untrüglich der Magnet regiert,
Die Sterne lenken an dem Himmelsbogen,
Gehorsam dienen Winde wie die Wogen.

1. Reisende.
Was hab' ich doch von meiner ganzen Reise,
Als daß ich nunmehr weiß, was ich nicht wußte,
Wodurch mir jezt die Zeit noch länger währt?
Als ich den Weg vor meinen Füßen hatte,
Dacht' ich, es müsse was besondres werden,
Nun da ich endlich denn zurückgekehrt,
Dünkt mir das Ganze nicht der Rede werth.

2. Reisende.
Wundervolle Berge warten
Meiner, und die Wasserfälle,
Glänzend springt wohl manche Quelle
In dem blumgezierten Garten.
Bäume rauschen, Gemsen klimmen
Oben schwindlicht am Gesteine,
Freundlich blinkt im Morgenscheine
Stadt und Berg mit Thürm' und Zinnen.
Manches wird sich noch begeben,
Mancher Rausch und manche Schöne,
Mancher Zwist, den ich versöhne,
Fügt sich lustig in mein Leben.

Ein Küster tritt auf.
Da hab' ich nun auf weiten Wegen
Hin und zurücke reisen müssen.
Das ist mir herzlich ungelegen,
Denn meine Beine müssen's büßen.
Und alles aus dem dummen Grunde,
Weil unsre Uhr nicht richtig geht,
So daß sie immer eine Stunde
Nach dreien Stunden stille steht.
Das Dach ist nicht ganz regendichte,
Und immer scheut das Dorf die Kosten,
Das macht die Uhr nun ganz zunichte,
Denn Werk und alle Räder rosten.
Kommt in Tumult drauf die Gemeine
Und alle machen groß Geschrei,
Es ist zwölf Uhr, so ruft der eine,
Der andre schwört, es sei schon drei.
Die Einheit fehlt dem ganzen Werke,
Es läuft nun gegen alle Regel,
Und keiner ist's, der sich nicht merke,
Denn jedes Beichtkind wird zum Flegel.
Man kann nun nicht zu rechten Zeiten
Die liebe Kinderlehre halten,
Mit Sicherheit die Glocken läuten
Da sich die Dinge so gestalten.
Die Ordnung ist nun auch begraben,
Und alles schwimmt in Anarchie,
Und bis auf die Currende-Knaben,
Lebt jeder wie das liebe Vieh.
Doch ist die Uhr nur erst im Stande,
Und das geschieht in kurzer Frist,
So weiß doch jedermann im Lande,
Woran er mit sich selber ist.

1. Reisende.
Das ist gewiß, nichts in der ganzen Welt
Geht über eine recht honette Uhr.
Warum? Man weiß dann stets in jeder Stunde,
Wie viel die Glocke eigentlich geschlagen.
Man ißt dann nicht zu spät und nicht zu früh,
Legt sich gesetzt zur rechten Zeit zu Bette,
Treibt das Studieren niemals über Macht,
Und da das Leben aus der Zeit besteht,
So muß man auch beständig darnach sehn,
Wie viel es an der Zeit ist in der Welt.

2. Reisende.
Ach! und dann das dumpfe Läuten,
Das vom Kirchhof schön herüber
Einem kann soviel bedeuten,
Nichts auf Erden ist mir lieber.
Und die ernsten Glockenschläge
In der stillen Mitternacht,
Machen alles Grausen rege
Wenn ich grade noch gewacht.
Nie möcht' ich die Uhren missen,
Und auf meinen weiten Gängen
Will ich allenthalben wissen,
Wo doch wohl die Glocken hängen.

Der Dichter.
Es klingt ein altes Lied mir in mein Ohr,
Drum zögert, eilt nicht allzuschnell von hinnen,
Ich fühle schon bezaubert meine Sinnen,
Im Wunderglanze steigt das Bild empor.
Es thun sich Thiere, Länder, Meer' hervor,
Da glänzen Burgen, königliche Zinnen,
Ein Knab' will mit dem Riesen Schlacht beginnen,
Ein Kinderpaar, das sich im Wald verlor.
Es toben wild der Heiden rohe Schaaren,
Die Christenheit zu stürzen all entbrannt,
Doch Liebe hat den Helden angelacht,
Ein schönes Frauenbild mit goldnen Haaren,
Die Augen wie der reinste Diamant,
Das kühne Herz dem Glauben dargebracht. –
Doch schaut, welch Bildniß reitet durch den Wald?
Ist's eine Jägrin, die dem Wild nachrennet?
Die Kriegesgöttin, die in Zorn entbrennet,
Den Feind verfolgt mit siegender Gewalt?
Ist es die Liebe, die den Aufenthalt
Des Himmels läßt, und unsrer Erde gönnet,
Daß man sie wiederum als Göttin kennet?
Noch nie sah ich so herrliche Gestalt.
Mein Herz erbebt in freudigem Entzücken,
Ein Zauberreiz umspielt dies Wunder-Wesen,
So göttlich groß, so lieblich doch und mild.
Uns näher komm, du herrlich Frauenbild,
Von jedem Leiden fühl' ich mich genesen,
Wenn du mich würdig hältst, mich anzublicken.

1. Reisende.
Wir stehn, so glaub' ich immer, in der Schonung,
Der Jäger kommt, uns alle abzustrafen.
Ich hab' so viel Erfahrung doch gewonnen
Auf meinen Reisen, daß ich mich mit Klugheit
Vor allem Schaden hüt'. Ich geh nach Hause. geht ab.

2. Reisende.
Ich verweile mich zu lange,
Wie die Zeit so schnell vergeht,
Keine Stunde stille steht,
Die Betrachtung macht mir bange.
Warum soll ich hier noch harren?
Diese Menschen sind fatal mir,
Und nun mehrt sich noch die Zahl hier,
Endlich wird man gar zum Narren. geht.

Der Küster. Ich frage nur: kann dies die Uhr mir bessern?
Wenn das nicht ist, so such' ich einen Meister,
Der wieder alles in die Richtung bringt,
Was uns den Kopf nur gar zu sehr verwirrt. geht ab.

Der Dichter.
Halt an! du wunderbares Bild! wer bist du,
Auf diesem weißen, königlichen Zelter?
Mit Federbüschen in dem Winde flatternd,
Die weiße Brust mit blauem Schleier schmückend,
Im Munde Lächeln, in den Augen Ernst,
Auf vollen Wangen Thronen für die Liebe?
Mir ist, ich kenne dich, doch bist du fremd,
Ich habe nie so Wunderherrliches,
So Liebliches gesehn, so fremde Tracht.

Die Romanze auf einem Pferde.

Romanze. Hältst du mir des Rosses Zügel
Auf in meinem schnellen Jagen?
Wer ich bin, will ich nach Wahrheit
Dir jetzt ohne Säumen sagen.
Mit dem Namen nennt man mich nur,
Wenn man von mir spricht, Romanze,
Ich durchzieh die Welt mit Freuden,
Streue Lust aus, wo ich wandle.
Meine Eltern will ich nennen,
Glaube heißt mein edler Vater,
Und die Mutter ist die Liebe,
Die den Glauben nahm zum Gatten.
Beide haben mich erzeuget,
Als sie sehnsuchtsvoll entbrannten,
Und an meiner Mutter Brüsten
Wuchs ich auf in ihren Armen.
Als die neue Lehr' erblühte,
Hochroth wehten Christenfahnen,
Kreuze drein die Krieger führten,
Und die Heidengötter sanken,
Flohe Venus, die betrübte,
Nach dem einsam dunkeln Walde,
Und voll Trug hüllt sie die Glieder
In die büßenden Gewande.
Wie ein Pilgermädchen heilig
War sie gänzlich umgestaltet,
So fand sie ein Eremite,
Der mit ihr durch Felsen wallte.
Venus war erfreut des Truges,
Und ihr weltlich Herze lachte,
Als der fromme Mann erglühte,
Seine Brunst gestand im Wahne.
Drauf gebahr sie nach neun Monden
Liebe mit dem Heilgenglanze,
Aber sie ward eingeschlossen
In der Felsenklüfte Spalten,
Daß sie keinen Trug ersinne,
Und die Liebe nicht verwandle:
Selbst erzog, ernährt' sich diese
Von der süßen Himmelsmanna.
Und sie blühte auf, ein heilger
Ueberirdisch schöner Garten;
Drauf vermählte sich der Glaube
Mit der süßen, die so zarte.
Denn er sprach: Wen soll ich freien?
Alle Mädchen, die ich sahe,
Alle Frauen, die ich kenne,
Hält die Eitelkeit gefangen.
Von der Welt und von der Sünde
Losgerissen, muß mich laben
Streit für Gott und Christ im Geist, das
Herz erglühn im goldnen Brande;
Wenn ich nun die Gattin wähle,
Die nach Erdenfreuden trachtet,
Wird mein stiller Sinn von jener
Wie die Sehnsucht wohl verachtet.
Da erschien ihm die Holdselge,
Meiner Mutter Schönheit sah' er;
Solch ein Himmel wohnt auf Erden?
Rief er und fand ihre Gnade.
Und sie gingen durch die Welt hin,
Liebe wie die Sonnenstrahlen,
Wie des Mondes sanfte Lichter
Schien der Glaube durch die Thale.
Neue Liebe, neues Leben
Schuf den Menschen neue Sprache,
Liebesglut war stets der Glaube,
Glauben nur ein Liebsgedanke.
Das bezwang die härtsten Herzen,
Alle hin zum Kreuze kamen:
Ewig, ewig sei die Liebe!
Rief voll Inbrunst nun der Vater;
Ewig sei der Glaube blühend!
Sprach die Mutter im Gesange,
Und die frommen Menschen riefen
Zu den beiden Wünschen: Amen!

Dichter. Steig von deinem Roß alsbalde!
Bist du wohl vom Jagen müde?
Ha! daß ich dich endlich schaue,
Das giebt meiner Seele Friede.
Immer war nach dir mein Sehnen,
Schöne Tochter hoher Liebe,
Edles Kind des sanften Glaubens,
Unvermuthet steigst du nieder.
Blieben deine Eltern einsam,
Haben sie der Freunde viele?

Romanze. Von dem Ross' ab will ich steigen,
Hier im zarten Grase spielen:
Bald erscheinet mein Gefolge,
Tapferkeit, Scherz, Glaub' und Liebe.
Die zwei ersten, die ich nannte,
Sind uns sehr getreue Diener,
Eine werthe Magd dem Vater
Ist die Tapferkeit beschieden.
Er allein mit tiefer Inbrunst
Konnte nicht das Schwerdt regieren,
Denn es ziemet seiner Rechte
Kreuz und Oehlzweig nur zu führen.
Tapferkeit ergab sich ihm
Zu den allertreusten Diensten,
Hohes Ganges geht das Mägdlein,
Streit für ihn ist ihre Zierde.
Liebe fühlte wohl, wie Andacht,
Beten, ein zu heilig Fühlen,
Sie in Sehnsucht, Demuth löste,
Weil ihr Herz zu oft gerühret,
Sprach: wo find' ich einen treuen
Und mir froh ergebnen Diener?
Daß ich freies, innres Leben
Und verschönt die Erde spüre?
Da kam hüpfend Scherz gelaufen,
Sprach: ich fühl mein Herz erglühen,
Ueberwunden von der Schönheit,
Will ich ewig nach dir ziehen.
Giebt es Liebe ohne Scherzen,
Kann man scherzen ohne Liebe?
Reines Wasser fließt erzeugend,
Aus dem Wasser Blumen blühen.
So steht Scherz im Lohn der Mutter,
Bei dem Vater dient die Kühne,
Ich das Kind voran, mir folgen
Tapferkeit, Glaub', Scherz und Liebe.

Glaube und Liebe treten herein.

Glaube. Ei, du böses, wildes Kindlein,
Sage doch, wo bist du blieben?

Romanze. Ritt voran durch grüne Waldung,
Durch die sanften Thale hüben.

Liebe. Fliehst du uns, geliebte Tochter?
Bist du gern von uns geschieden?

Romanze. Nie sind wir getrennt, weß Macht
Hätte mich von euch getrieben?
Ewig ist in euch mein Herz nun:
Aber gern schein' ich zu fliehen,
Dann vermerk' ich, wie ihr beide
Mir nach durch die Thäler ziehet. –
Jener dort mit süßem Kreuze,
Und dem schönen Christusbilde,
Eine Taub' auf seinem Herzen,
Ist der Glaube, groß und lieblich.
Hat er nicht recht Vateraugen?
Muß man nicht Vertrauen fühlen?
Sieh, in diesem holden Lächeln
Kann man recht die Sehnsucht kühlen.
Jene dort, so wie Maria,
Die zur Erde steigt hernieder,
Alle Herzen an sich lockend,
Ist die Mutter mein, die Liebe.
In der Hand trägt sie zwei Blumen,
Eine Rose, eine Lilge,
Die mit innger Liebessehnsucht
Immer zu einander blühen.
Rose lächelt voll Verlangen,
Wird von Freude angetrieben,
Lilge hat den heilgen Willen,
Reiner Glanz ist ihr beschieden.
Beide Blumen schaut die Mutter
An mit Sehnsucht in den Blicken.
Will die Rothe trunken machen,
Schaut sie ihre Schwester drüben:
Will die Bleiche Frommes sprechen,
Sanft erheitern, sanft betrüben,
Schaut sie auf die Rothe sehnlich,
Und ihr Auge lachet wieder.
Recht ein Herz spricht aus den Augen,
Senken sie sich golden nieder,
Wer sie anschaut, kann nicht sorgen,
Denn ihr Blick ist allzulieblich.
Was die Frühlingssonne meinet,
Und nicht Worte kann ersinnen,
Was die zarten Blumen wollen,
Wonach alle Farben zielen,
Das verkünden diese Augen,
Und die goldnen Augenlieder;
Spürst du nicht, sie tragen Worte,
Frühling, Blume, Sonn' im Blicke?
Und so klingt dieselbe Sprache,
In dem Schwung der schönen Glieder,
Jede Falte des Gewandes
Fließt zu Füßen hold hernieder.

Glaube. Ja ich bin, den du beschrieben:
Kennt ihr, Menschen, wohl den Glauben?
Lange herrscht' ich hier auf Erden;
Habt ihr noch die alten Augen?
Sehnsucht floh, so wie die Pfeile
Fliehn vom Bogen, mich zu schauen,
Damals wollte jedes Herze
Nur durch meine Hülfe bauen.
Nicht auf Erde, nicht auf Zeitlich
Ging ihr innigstes Vertrauen,
Blumen, Gold und Menschen selber
Sind Gewächse nur vom Staube.
Jenseit allem, was du denkest,
Fühlest, hörest, oder schauest,
Liegen, die du erst verließest,
Deine vaterländschen Auen.

Pilgerin. Ach, wie froh, daß du erschienen,
Ist die seligste der Frauen,
Ich mit meinem Pilgerstabe
Nahe dir mit heilgem Schauer.
Willst mich Arme nicht verwerfen?
Du bist meine feste Mauer,
Lange sucht' ich dich vergebens,
Hier nun stirbt die Angst und Trauer.

Liebe. Sind noch welche, die mir trauen,
Die sich meinem Dienst ergeben,
Leben, wie die stillen Priester,
Ewig mir geweihtes Leben?
Vormals waren alle Thaten,
Alles kühne Heldenstreben,
Alle Kämpfe, alles Ringen,
Aller Lieder Klang und Wehen,
Nur von meinem Hauch ermuntert,
Nur von meinem Geist erreget;
Blühend standen alle Gärten,
Liebe schmückte alle Wege.
Keiner war, der mich nicht kannte,
Still geweiht dem heilgen Sehnen,
Glänzt' Inbrunst aus allen Augen,
Aus dem Quell des Lichts, den Herzen.

Der Liebende.
Wenn die holde Stimme rufet,
Könnte noch wer widerstehen?
Wer tritt feige wohl zurücke,
Wenn der Liebe Fahnen wehen?
Wenn du willst mein Hauptmann heißen,
Will ich gern im Heere stehen.

Glaube. Wenn du glaubst und niemals zweifelst,
Wirst du jetzt dein Glück ersehen.

Liebe. Die du längst gesucht, sie steht dort,
Grüße sie mit Freundes Rede.

Der Liebende.
Himmel! sie, die Theure ist es?
Pilgerin, willst du mich kennen?

Pilgerin. O wie könnt' ich dich verläugnen?
Dich nicht meinen Liebsten nennen?

Beide. Also waren wir uns nahe,
Und wir glaubten uns so ferne,
Und uns trennte keine Weite,
Nur die allernächste Nähe.
Scheiden kann nicht Raum und Zeit, die
Sich in Glaub' und Lieb' erkennen.

Glaube. Doch wo bleibt das kühne Mädchen?
Tapferkeit, so komm von dorten!

Liebe. Scherz, herbei zu mir behende!
Warum hältst du dich verborgen?

Tapferkeit und Scherz treten herein.

Scherz. Sieh, hier ist dein treuster Diener.

Tapferkeit. Dir bin ich berufen worden.

Scherz. Eilend komm' ich hergelaufen.

Tapferkeit. Weilten auf dem Hügel droben.

Romanze. Jenes Mädchen in dem Harnisch,
Blanken Helm auf dunkler Locke,
Löwe ihr zur Seiten gehend,
Und die Brüste schön erhoben,
Tapferkeit wird sie genennet:
Niemals ist genug zu loben
Ihre Schönheit, die so furchtbar
In den kühnen Augen wohnet.
Schild und Panzer, Eichenzweige
Führt sie, Wehrgehenke golden,
Was der Vater sagt, das thut sie,
Angefrischt von seinem Lobe. –
Jener, der ein Knabe scheinet,
Ist vor langer Zeit geboren,
Aber nimmer kann er altern,
Jugend bleibt dem Scherz zum Lohne.
Um die Liebe hüpft der Junge,
Die erfreut sich an dem Holden,
Alles jauchzt an ihm, vom Haupte
Bis hernieder zu den Sohlen.
Wen er anrührt, muß gesunden,
Fühlt erfrischt den Todesothem,
Keine Macht kann ihn bezwingen,
Unglück trotzt er und dem Tode.
Wo er weilet, ist der Frühling,
Lacht er, Blumen aufgebrochen,
Leid und Jammer. Weheklage
Stirbt dem weg, den er erkohren,
Alte Märchen weiß er, schöne,
Er ist selber wie gewoben
Aus den reinsten Phantasien,
Von dem Lichte ausgeboren.

Liebe. Warum bist du mir entwichen,
Diener, der du Treu gelobet?

Glaube. Dienerin, du bleibst an meiner
Seite, geh mir nicht verloren.

Liebe. Immer muß sie dich begleiten,
Scheint es fast, du könntest ohne
Gattin leichter fröhlich leben,
Als ohn' sie, die herrlich thronen
Muß in deiner Brust, ich neide
Ihr die allerschönste Krone,
Mehr als mich, hast du sie immer
Zur Vertrauten auserkohren.

Glaube. Nie kann mich dein Vorwurf treffen,
Aber daß du mit dem Sohne,
Mit dem Knaben ewig tändelst,
Und wenn nicht von ihm betrogen,
Doch verwildern kannst am Ende,
Hast du Thorheit eingesogen:
Möchtest einst vergessen, fürcht' ich,
Daß wir nun im Himmel wohnen.

Romanze. Wild erschein' ich, gegen Glauben,
Gegen Liebe, rasch und rohe,
Dennoch bind' ich sie zusammen,
Bin die Eintracht dieser Hohen.
Zürne keiner ob dem andern,
Du nicht ob dem jungen Sohne,
Mutter du nicht ob der Jungfrau,
Ihr müßt bei einander wohnen.
Niemals kann die Liebe zweifeln,
Glauben traut nicht dem Argwohne,
Ich bin euer Kind, vereine
Diener, Vater, Magd, die Hohe.

Tapferkeit. Bist du dort ein Kriegsmann worden?
Trägst du Panzer, sammt dem Helme?

Ritter. Freudvoll war ich immerdar
Und von Herzen dir ergeben,
Keine höhre Lust mir wissend,
Als den Erzruf der Trommete,
Schilder, in der Sonne spiegelnd,
Feinde auf der grünen Ebne.

Tapferkeit. Immer werd' ein Mann erfunden
Und es lohnt dir einst die Ehre.

Ritter. Alles will ich fahren lassen,
Will der Ruhm nur mein gedenken.

Scherz. Du im leichten Hirtenkleide,
Willst du mir nicht näher treten?
Komm' und sag' mir, wer du sein magst,
Daß ich deine Augen sehe.

Hirtenmädchen.
Immer hast du mir gefallen,
Und mir dünkt, daß ich dich kenne,
Meine aber, daß wir künftig
Mehr beisammen spielen gerne.
Die Gefährten sind gegangen
Nach den grünen Fluren ferne,
Nennen mich die kleine Unschuld,
Weil ich noch nicht küssen lerne.

Scherz. Kleine Unschuld, du gefällst mir,
Immer möcht' ich bei dir leben,
Wie du Mädchen, so ich Knabe,
Beide gleiche Kinder eben.

Mädchen. Freundlich wollen wir mitsammen
Viele Märchen, Possen reden.

Scherz. Lieblich wollen wir zusammen
Durch die grünen Felder gehen.

Mädchen. Und wer Blumen sieht am Wasser,
Soll sie für den andern lesen.

Ritter. Süßes Mädchen, zartes Kindchen,
Jetzo muß ich zu dir sprechen:
Willst du nicht mein Liebchen heißen,
Muß mein Herz' mir innen brechen.

Mädchen. Du gefällst mir sehr, ja wahrlich!
Schild und Harnisch, sammt dem Degen,
Und der Helm mit seinem Busche,
Nicht ist mir das Gold entgegen:
Willst du wohl mein Liebster heißen
Da ich nur ein kindisch Mädchen?

Ritter. Kann was schöner sich verbinden,
Als der Muth mit Unschuld, Scherze?

Romanze. Und du siehst so einsam sinnend,
Gar nichts sagt zu dir dein Herze?

Dichter. Wer empfindet, wer entzückt ist,
Kann der glühend Worte reden?
Wenn dein Blick mein Herze anlacht,
Bin ich nicht mehr auf der Erden.
Was ich wollte, was ich suchte,
Was mir keiner konnte geben,
Alle Fülle, Schönheit, Anmuth,
Seh' ich spielend dich umschweben.
Wenn du lächelst, will die Seele
Fort aus dem Gefängniß streben,
Sich in diese Lippen fangen,
In die rothen Fesseln legen:
Mit dem Lächeln auferblühen,
Sich in goldne Freiheit heben,
Mit dem leisen Seufzer wieder
In dem holden Kerker leben.
Kannst du mir gewogen sein?
Möchtest du mich nicht verschmähen?
O dann würd' ich in der Freude
Ueberseelig untergehen.
Du bist Liebe, du bist Glauben,
Du bist Tapferkeit und Scherzen,
Wenn ich deinen Blick empfinde,
Kann ich alles leicht verstehen.
Jeder hat, was er gewünschet,
Nach dem Herzen sich erwählet,
Willst du günstig mir erscheinen,
Hab' ich nicht des Glücks verfehlet.

Romanze. Wenn du dienest, wenn du treu bleibst,
Will ich dich mit Muth beseelen,
Bleibe stets mein eingedenk,
Wenn die andern mich verschmähen.
Einmal hab' ich dich durchleuchtet,
Nun mußt du mir treu bestehen,
Und dein Herz wird dir geläutert,
Wie der Blick durch Silber gehet.
Folge denen, die mir dienten,
Lieb' auch sie mit voller Seele,
Wer da will ein Priester heißen,
Muß des Tempels nie vergessen. –
Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig' auf in der alten Pracht!



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