Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Dorf.

Bauern und Bäuerinnen, wie zu einer Hochzeit versammelt.

Priester. Wo ist der Bräutigam geblieben?

Küster. Er ist an jenem Tische drüben,
Mit einem Pilgrim im Gespräche.

Bauer. Daß jeder doch den Nacken bräche,
Der kömmt uns hier im Schmaus zu stören!

Priester. Laßt mich dergleichen ja nicht hören,
Er kömmt wohl von der heilgen Stadt
Jerusalem.

Bauer.             Mag sein, was hat
Der Kerle hier herum zu spüren
Und heilge Reden zu verführen?
Die schicken sich zur Hochzeit nicht.

Priester. Ihr seid fürwahr ein arger Wicht,
Der Wein ist euch zum Haupt gestiegen.

Bauer. Herr Priester, das sind arge Lügen,
Und wärt ihr nicht ein heilger Mann –

Küster. Laßt gut seyn, lieber Bauersmann,
Man spricht ein Wörtchen wohl im Scherzen.
Wer nimmt dergleichen sich zu Herzen?

Priester. Ja wohl, wir sind heut alle munter,
Da läuft ein Späßchen auch mit unter.

Bauer. So mag's drum sein, doch laßt uns meiden
Verschimpfen und ein Ehrabschneiden,
Halt jeder seine Zung am Zügel,
Sonst setzt es Zank und endlich Prügel.

Priester. Das heißt gesprochen wie ein Christ,
Der weise, brav und nüchtern ist.
Auf euer Wohlsein, guten Wandel.

Bauer. Gebt mir daher die größte Kandel,
So sperr ich auf den Hals recht weit,
Thu der Gesundheit euch Bescheid.
Herr Priester, ihr sollt leben, hoch!

Priester. Thu mich der Ehr bedanken doch.

Hornvilla und der Pilgrim Clemens treten ein.

Clemens. Ihr laßt die Braut zu lang allein.

Hornvilla. Komm ich in ein Gespräch hinein,
So muß ich Trinken, Schlaf und Essen,
Ja wohl die Hochzeit noch vergessen.

Clemens. Ihr seid ein Kerlein gar kurios.

Hornvilla. Mein' größte Freude ist ein Poß,
Ein Schwank zu reißen, eine Zoten,
Wird mir dergleichen angeboten,
So dünkt mir das das allerbest.

Clemens. Doch zürnen drob die andern Gäst.

Hornvilla. Seht, die sind nur gemeine Leut,
Und wissen gar von nichts Bescheid,
Der Priester und der Küster dort
Sitzen taglang an einem Ort
Und saufen dumm in sich hinein
Den guten wie den schlechten Wein,
Schmeckt ihnen eins wie's andre eben,
Können von nichts Rechenschaft geben.
Doch ihr seid ein gereister Mann,
Das hört man eurem Sprechen an,
Dergleichen Leut sind mir willkommen,
Drum hab' ich euch gern aufgenommen,
Ihr konntet mir die Zeit verkürzen,
Mit lieblichen Gesprächen würzen,
Habt mir vom heilgen Grab erzählt,
Von Wunderbildern auserwählt,
Ihr seid dabei auch eingedenk
Der lustgen Mähren, guter Schwenk,
Ihr seid so ehrnfest ganz und gar
Und doch dabei ein halber Narr,
Jezt lacht ihr, sehet sauer izt,
Der Schelm euch stets im Nacken sitzt,
Die liebsten Kumpan seind das mir.
Die Braut hab' ich noch für und für,
Bei Nachten lang und auch bei Tag,
Wo ich viel mit ihr sprechen mag.

Clemens. Doch darf ich mich nicht lange letzen,
Ich muß mich bald zu Schiffe setzen,
Ein Fahrzeug dort im Meere hält,
Darauf ist mir ein Platz bestellt,
Nebst andern wackern Pilgersleuten,
Die sich auch auf die Reis' bereiten,
Zurück nach dem Italschen Land,
Rom und Toskana wohl bekannt.
Dann muß ich noch durch Lombardey,
Bis ich nach Paris komme frei,
Dort wohn ich denn mit Frau und Kind.

Hornvilla. Was seid ihr doch so närrsch gesinnt,
Lauft durch die Welt so wie die Affen;
Was habt im heilgen Land zu schaffen?
Was bleibt nicht sitzen auf dem Hintern,
Beschlaft eur Weib, wischt euren Kindern
Die Nase, das Gesind regiert,
Den Viehstand weislich gubernirt?
Schlacht't euch im Winter Schweine ein,
Eßt frische Wurst, trinkt kühlen Wein?
Was habt ihr denn allhie verloren?

Clemens. Ist unser Heiland nicht geboren
In Palästinam, sind die Spuren
Der Wunder nicht auf diesen Fluren?
Ihr wohnt dem Lande näher schon,
Auch habt ihr dort den Libanon,
Mit seinen Mönchen, Klöstern, leicht
Habt ihr den Wallfahrtsort erreicht.

Hornvilla. Mein Lebtag thu' ich nicht dergleichen,
Das nutzt nur Priestern, faulen Bäuchen,
Jezt hab' ich voll'nds ein junges Weib,
Da fehlt's mir nicht an Zeitvertreib.

Clemens. 'S giebt aber, die da höher denken,
Die Sinnen auf zum Himmel lenken,
Sie wollen gottgefällig leben
Und nach dem ewgen Heile streben,
So wie wir hier im Kothe stecken,
Muß jeden Sünde wohl beflecken,
Dazu dient Stab und Pilgertaschen,
Die Flecken von uns abzuwaschen.

Hornvilla. O Hochmuth! Geht, ihr wahrlich schaut
Nicht so, als stäkt in sündger Haut,
Ihr mit dem schmalen Angesicht,
Dünnbärtgem Maul? ich glaube nicht,
Daß ihr was Rechtes schon gelogen,
An Geld was Sonderlichs betrogen,
Kein Nothzucht habt ihr nie verübt,
Und wie man spricht, kein Wass'r betrübt,
Ein magres, stilles Kind vielleicht
In Zucht und Ehrbarkeit erzeugt:
Da läuft nun rum wie toll und blind
Solch arm einfältig Menschenkind.

Clemens. O liebes Kerlein, laßt euch sagen,
Ich war in meinen jungen Tagen
Ein wilder Bursch, hab' viel erlebt,
Manch tollen Fastnacht-Streich. Was gebt
Ihr mir, sag' ich von Lästern, Fluchen,
Hur'n, was ihr nicht in mir sollt suchen?
Half drauf in einem wackern Kriege
Dem Christenheer zu einem Siege,
Und das versteht sich, manche That
Verübt im Muthe der Soldat,
Daß sich auch selbst die allerbest
Vor Gott nicht verantworten läßt.
Ihr thut so groß, ihr thut so breit,
Doch hinterm Berg sind auch noch Leut. –
Laßt uns den Discurs jezt abbrechen
Und lieber andre Sachen sprechen,
Der fromme Mann muß seine Sünden
Mit Lobserhebung nie verkünden. –
Ihr habt ein junges Weib genommen,
Das ist mir seltsam fürgekommen,
Sie ist gerade, munter, schlank,
Mir wär in eurer Stelle bang;
Ihr seid ein wenig ungestaltet,
Die Stirn in Runzeln sehr gefaltet,
Gar bucklich seid ihr, dazu schielend,
Wenn ihr einmal am Kopfe fühlend
Bemerken solltet ein Geweih,
So wäre das ganz wunderfrei,
Daß sie euch als den Mann wohl herzt,
Doch hinterrücks mit andern scherzt.

Hornvilla. Für diese Furcht giebt es ein Mittel,
Ein harter, schlanker, derber Knittel,
So lang im Wald wächst dieses Kraut,
So lang vertrau ich meiner Braut.
Sollt' ich mich grämen und mich plagen,
Wenn ich noch kann mit Fäusten schlagen?
Der Stock gehört zum Ehestand,
Wie zu dem Tintenfaß Streusand,
Wie zu dem Braten backne Pflaumen,
Wie zur vollkommnen Hand der Daumen:
Ein Instrument das Erste ist
Im Ehestande, wie ihr wißt,
Doch gleich das zweite drauf im Range
Ist mir ein Knittel, oder Stange,
Oder daß ich Karbatschen mache,
Es thut der Name nichts zur Sache.

Clemens. Doch von den Sohlen zu dem Haar
Werd' ich an euch kein'n Reiz gewahr.
Das Liebesfeuer muß doch brennen,
Wie hat sie sich verlieben können?

Hornvilla. Ihr seid mir auch der rechte Sprecher
Und wohl ein unerfahrner Schächer.
Der Wuchs, das Auge, grade Bein,
Sind wohl, was Weibern heller Schein
Und Liebesreiz und Schönheit dünkt?
Wenn auch mein Fuß ein wenig hinkt,
Wenn auch mein Auge schielt, und krumm
Mein Rücken steht, so sind doch drum
Am Mann noch andre Qualitäten,
Die ihm mein Seele mehr von nöthen
Als grade Beine, grader Rücken,
Und Augen lieblich anzublicken,
Die wohl die allerhärtsten rühren,
Und wissen sie auch auszuspüren,
Kein Weib, glaubt mir, tappt blindlings zu,
Kein Mann macht ihr ein X für U.
Drum seht ihr oft, daß zart Gesicht
Von ihnen wird geachtet nicht,
Doch wird ein Kerl sehr oft gefallen,
Der ausgeschrien von Männern allen
Für unausstehlich, häßlich, dumm,
Sie mögen ihn so lieber drum.

Ein Schiffer kommt.
Wollt ihr jezt in das Boot einsteigen?
Es will ein günstger Wind sich zeigen.

Clemens. Lebt wohl, ich sag' euch nochmals Dank
Für Lager, Speis' und edlen Trank,
Wünsch' nur, ich könnt's vergelten sehr.

Hornvilla. Paris seh ich wohl nimmermehr.
Nehmt so vorlieb. Komm, Alivus,
Nimm Abschied hier mit einem Kuß.

Alivus, die Braut, kommt.

Clemens. Lebt glücklich, wünsch' euch Freud und Lust
Und bald ein Kind an eurer Brust.

Hornvilla. Wir wollen sehen was es giebt.

Clemens. Es fehlt nicht leicht, wenn man sich liebt. geht mit dem Schiffer..

Hornvilla. Komm, Alivus, und setz dich hier,
Jezt bleib ich, Liebe, nun bei dir.

Priester. Wohin will denn der Fromme gehn?

Hornvilla. Er denkt jezt nach Italien.
Ein braver Mann, verständig, weis',
Er macht aus Tugend diese Reis',
Hat viel erlebt und viel erfahren.

Priester. Er ist auch ziemlich schon bei Jahren.

Hornvilla. Laßt die Musik von neuem klingen,
Noch eins im Kreis herum uns springen,
Macht fort ihr Leut, es wird schon spät,
Bis man alsdann zu Bette geht.

Musik und Tanz.



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