Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Des Sultans Lager, Nacht.

Der Sultan, Alamphatim, Gefolge.

Der Sultan. Setzt mir meinen güldnen Gott,
Meinen vielgeliebten Machmud,
Hier im Zelte nahe zu mir,
Daß er sei meine Betrachtung;
Er regiert ja unsre Kriege,
Er ist dieses Zugs Verwaltung,
Er sei Zeuge jedes Wortes,
Höre jegliche Verhandlung.
Daß er seh', wie ich ihn ehre.

Alamphatim. Edler Bruder, die Vermahnung
Giebt uns allen neuen Eifer.
Das Gebirge wie die Waldung,
Das Gefilde sammt den Wassern
Und der Frücht' und Thier' Begattung,
Alle Fruchtbarkeit der Reben,
Jegliche Naturgestaltung
Kommt von ihm, von seinen Kräften,
Sie sind aller Welt Erhaltung.

Der Sultan. Wahrhaft sprichst Alamphatim du
Und so lieb' ich diesen Machmud,
Nächst ihm lieb' ich meine Tochter
Marcebille: nicht Verachtung,
Wahre Liebe auch gebühret
Meinem Rosse, das den Abgrund
Salz'ger Meere kühn durchschwimmet,
Fisch im Wasser, nach der Landung
Vogel auf dem festen Boden.
Höret wohl von mir die Warnung,
Daß das Roß nicht Schaden nehme,
Dies das einz'ge seiner Gattung,
Wie der Phönix in Arabien
Lebt freiwillig in Verbannung,
So ist auch Roß Pontifer
Nur der einz'ge; seine Abkunft
Ist vom mächt'gen Einhorn, sagt man,
Daher seine Stärk' und Anmuth.

Lidamas tritt ein.

Lidamas. Mein Herr, fliehend sind eben angekommen
Zu deinem Lager viele Männer, Weiber.

Der Sultan. Sie werden sich so nah der Feindesstadt
Nicht sicher dünken, auch vielleicht daß jene
Einen Ausfall versuchten.

Arlanges tritt ein.

Arlanges.                                 Großer Herr –

Der Sultan. Laßt gut sein, Leute, denn ich schwör' zu Machmud,
Der gülden hier in meinem Zelte steht,
Ich will es rächen, Dagobert soll sterben
Und alle Franken mit ihm, seid nur ruhig.

Arlanges. Gebieter, dir scheint noch nicht wissend, welches
Unglück und welcher Frevel, welche Bosheit
Dich hat und alle uns zugleich betroffen.
Dein Riesenkönig, dein geliebter Sohn,
Dein Freund und unsrer Hoffnung bester Stab
Liegt todt da vor den Thoren von Paris,
Sein Haupt zum Hohne drinnen aufgesteckt,
Deine geliebte Tochter Marcebille,
Da alle Wachen auf dem Posten ruhig,
In Meinung, daß der Riese sie beschützte,
Ward uns entführt, wir eilten sie zu retten,
Wir brachten sie zurück, doch viele Freunde,
Dein Bruder, unser großer Admiral
Liegen erschlagen, unser Lager ward
Geplündert, viele fortgeführt gefangen,
So daß wir zitternd fast befürchten müssen,
Der Christen Gott sei mächtiger als Machmud.

Der Sultan sinkt nieder, sie heben ihn auf.
Hast du's gehört? Machmud! Bist du entschlafen?
Ha! ich vergeh' im Zorn! mich reißt die Wuth
Und bändigt alle meine innern Kräfte!
Ich kann nicht mehr! ha! warte Dagobert!
Den Uebermuth sollst du mir theuer büßen!
Doch welche Bande, welch verruchte Rotte
Hat die Verheißung denn gebrochen, die
Der König gab, daß nur im Kampf Golimbra
Bestehen sollt' ein einz'ger Mann? Zu tausend
Sind sie herausgebrochen ihm, die Feigen!

Arlanges. O nein! vernimm ein seltsam Wunder, Herr!
Ein einz'ger hat's gethan, ein böser Geist,
So wie wir alle meinen, denn so rostig,
So scheußlich, in so mißgeschaffnen Waffen,
So stark und so gewaltig ist kein Mensch.
Dies Scheusal hat im Zweikampf unsern Riesen
Erschlagen und er ganz allein gewagt
Die Kön'gin auf dem Rosse zu entführen;
Er hat dreißig mit eigner Hand getödtet,
Nebst deinem tapfern Bruder, Asiens Ruhm,
Nun war er hier, nun dort und allenthalben,
Und alles schlug und traf, verwundete
Der Ritter mit der schwarzen, rost'gen Rüstung.

Der Sultan. Der Bösewicht! Die Zunge lähmt mir Staunen.
Nun hätte nichts gefehlt, als daß er noch
Den Pontifer mir mit Gewalt geraubt,
Mir meinen Machmud hätte gar entrissen.
Ich schwör's, zu Pulver lass' ich ihn verbrennen
Und seine Asche in das Meer zerstreuen,
So wie ich ihn in meinen Händen habe!

Alamphatim. Kommt, Bruder, ihr unüberwindlichster!
Schon ist es tiefe Nacht, ruht aus bis morgen,
Wir alle theilen die gerechten Sorgen,
Ich schwör's zu Gott, ich will den Frevel rächen,
Sei er noch mächt'ger, ihn vom Pferde stechen! –

gehn.



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