Ludwig Tieck
Kaiser Octavianus
Ludwig Tieck

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Zimmer des Kaisers, in welchem Bücher zerstreut und aufgeschlagen umher liegen.

Octavianus allein.
Die Kunst will nichts von meiner Frage wissen! –
Zwar seh ich im Gestirn, im Horoskop,
Daß ich kein Mann bin, der geartet ward
Bei Weibern Glück zu machen: kalt und ruhig
Ist die Constellation, gemäßigt sind
Bei mir die Leidenschaften alle, wo
Es Dauer gilt, Geduld, mühsame Arbeit,
Auch Tapferkeit und Stärke, Weisheit selbst,
Da sind mir alle Sterne glücklich; aber Venus
War mir entgegen, und der frostige
Saturnus streifte mich mit kaltem Strahle,
Als ich zuerst die Welt begrüßte. Drum
Ist alles mißlich. – Besser wäre mir's,
Ich lebte mit der schwachen Thorenmenge,
Die nie ein Thun, die kein Gethanes kümmert.
In allen Winkeln seh ich sie schon lauern,
Die schadenfrohen Geister, die das Leben
Den Menschen wild verwirren, die Kobolde,
Die ihre Lust boshaft in Kränkung suchen:
Vielleicht ist unterwegs die böse Stunde,
Die unversehens mich ergreift und fortführt. –
Ich will mich waffnen, will mein eigen bleiben. –
Es nahet wer. – Wer ist so unverschämt,
Den Wohnsitz meiner Ruhe zu verstören?
Soll auch bis hieher selbst die lärmende
Geschäftigkeit mit Bettlers-Zunge dringen?

Die Kaiserin-Mutter tritt herein.

Octavianus. Seid ihr es, Mutter?

Kaiserin.                                         Wie? Es kam so weit?
Mir wagst du es, den Zugang zu verwehren?
Ist deine Mutter deine Feindin? Dies
Der Lohn für meine Liebe, für die Sorgfalt,
Die mich mein Alter stets vergessen macht,
Die mich in deiner Jugend jung erhält,
Daß du mir wie dem Bettler darfst begegnen?
Hab ich's um dich verdient? Noch weil ich lebe,
Willst du dich mir entziehn und mich vergessen?
Mit schnödem Undank lohnen?

Octavianus.                                     Liebe Mutter,
Ich dank euch eure Liebe, wenn sie auch
Mir Schmerzen giebt, statt Freuden, aber laßt
Mir heute diesen guten Tag, an dem
Sich mein Gemüth nach langer Zeit ergötzt.
Ihr seht, wie ich beschäftigt bin; die Rechnung
Will Eil, Aufmerksamkeit, die Kräfte streiten,
Gestirne steigen auf und nieder, nirgend
Ist träge Ruhe, Stillstand –

Kaiserin.                                   Nirgend,
Als nur in dir, in deinem eignen Herzen,
In dir, der du dich selbst erniedern magst,
Den's freut, sich von der Welt verhöhnt zu sehn,
Des Weisheit sich in Schande brüsten will,
Zu zeigen, wie er tief gesunken. So
Muß ich den Sohn erblicken, der mein Stolz war?
O wär ich doch gestorben! dies erleben
Ist mir zehnfacher Tod. Der ist nicht todt,
Der rühmlich schließt; gestorben ist noch lebend,
Wes Stirn die Schande brandmahlt, und gestorben
Bist du, hast nie gelebt, und nur Gelächter
Wird einst von deinem Grabe schallen, Thor.

Octavianus. Was wollt ihr, Mutter? ich versteh euch nicht.
Ja darum wollt ich eure Nähe lieber
Entbehren, weil ich thöricht, schwach genug
Vor diesem Gift mich fürchte, doch es nehme,
Mein Ohr euch leihe, und mich drum bestrafe,
Mein Herz euch öffne, und mich drum verfluche!
O Hölle! Hölle! keinen andern Wohnsitz
Erwähltest du, als nur mein Herz? –

Kaiserin.                                                   Was tobst du?
Was schiltst du dich und mich? Bist du ein Mann?
Ist dies die Tapferkeit, die sonst dir eigen,
Die Weisheit, die man vormals an dir rühmte?
Was soll dich quälen, wenn Vernunft dir sagt,
Der Gegenstand sei deiner Qual nicht werth?
Und hast du dies erfahren, ziemt es dir
Mit Stärke dich zu waffnen und zur Strafe
Den Arm empor zu heben, und die Weisheit,
(Wenn jemals sie dich hat gewürdiget)
Muß dich belehren, was Nothwendigkeit,
Daß du gelassen siehst den Streich geschehn.

Octavianus. Was soll ich thun? In meinem Eingeweide
Steht die Megäre auf und hungert grimmig
Nach Mord und Flammen; ja, ich hör' das Zischen
Der Schlangenhäupter, alles ist geschehn, –
Da seh ich auch die Reue hintennach,
Das Knirschen mit den Zähnen und das Winseln,
Allein ihr wollt, mein Leben ist vernichtet.

Kaiserin. Wo ist die Sanftmuth, wo ist die Geduld,
Die du an dir so oftmals hast gepriesen?

Octavianus. Mit Kälte soll ich morden, wie der Henker,
Und dazu lächeln, und sie ist mein Weib?

Kaiserin. Nach ihrem Wandel nein, sie war es nie,
Sie hat sich selber von dir abgeschieden
Durch Schandthat, schlechten Wandel, Unkeuschheit,
Die schon gemeine Weiber tief erniedern,
Die Kaiserin der Flamme würdig machen.

Octavianus. Es kann nicht sein, ich sag', es ist nicht so,
Ihr Blick ist Sittsamkeit, Unschuld ihr Ton,
Sie liebt mich nur zu sehr, und das ist Sünde,
Da ich der Liebe gift'gen Hohn nur biete.

Kaiserin. O eitler, blöder Thor! und Weiberkünste
Vermögen es, dich also zu erschüttern?
Ja, du verdienst, daß ein unmündig Mädchen
Aus dir noch ihre Puppe macht, dich höhnt.
Unschuldig sie, weil sie es selber sagt?
Dir treu, weil sie mit falschen Schwüren schwört?
Dich liebend, weil sie lispelnd vor dir steht,
Und du ihr selbst nur gar zu gerne glaubst?
Dann geht sie hin und lacht im Arm des Buhlen
Der Schwachheit, deiner Liebe, deiner Treue.

Octavianus. Ja, überzeugt mich, überführt mich, sei's!
So will ich auch die letzte, letzte Ahndung
Von ehemals, von allem, was ich fühlte,
Was sie mir war, aus meinem Herzen reißen.

Kaiserin. Dein Auge soll dich selber überführen. –
Ja, lieber Sohn, du darfst nicht so erschrecken,
Nur Eifer für dein Glück, für deine Ehre,
Giebt mir die widerwärt'ge Rolle auf,
Die ich zu meinem Leid zu Ende spiele.

Octavianus. Was ist die Welt, was sind die Menschen dann,
Wenn sie mich hat so arg betrügen können?

Kaiserin. Wenn ihr nur Augen hättet! hab' ich nicht
Von Anfang dich gewarnt? Ich war dagegen;
Ich bat, ich flehte, wurde nicht gehört,
Das Abentheuer wurde ausgeführt,
So sehr warst du bethört in deinen Sinnen.
Sie hielt sich für die schönste, lockte stets
Jedweden Mann, der ihr nur nahe kam,
Ward selbst zum Mann, ritt mit dir auf die Jagd
In wunderlicher bunter Kleidung, tanzte
Und hüpfte wild umher, – und alles Unschuld!
Der Buhlerin genügte nicht dein Herz,
Die keusche Liebe, ihre Lüste riefen
Nach Sättigung; schon sieben ganzer Jahr
Hast du ein Kind erflehet, doch vergebens,
Sieh, unersättlich feilscht Felicitas
Nach Sünde, sie zu offenbaren, läßt
Des Himmels Zorn sie Zwillinge gebären.
Ha, wer nicht blind ist, sich nicht selbst verblendet,
Sieht alles, wie es ist, und zweifelt nicht.

Octavianus. Ihr sagt, ich sollte selbst, – kommt, laßt uns gehen,
Wer straft, muß selbst mit eignen Augen sehen.

sie gehen.



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