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11

Die himbeerrote Limousine fraß sausend den Weg. Das Häusermeer der Millionen verschwamm schon fern hinter ihrem Tank. Rings Fichten und Föhren. Sand und See. Und, mitten im kargen, ernsten märkischen Forst, in den Baustilen aller Zeiten und Völker, die Ansitze der tausend Reichsten von Berlin. Eine Villa darunter – eine große, moderne, weiße Villa in der Westallee zwischen Teppichbeeten und Springbrunnen, Rosenflor und Rasenflächen. Vor ihr, an der Einfahrt, erwartungsvoll, mit bloßem, blondem Kopf, eine kleine, zarte, junge Frau in Weiß.

»Gott sei Dank ...«

Zwei blaue Augen leuchteten beglückt in ihrem weichen Kindergesicht. Sie lief auf den gebremsten Wagen zu. Sie streichelte zärtlich die heiße Haube.

»Da ist er wieder – der gute – liebe...«

»Heil und munter!« Der Chauffeur Werner stieg lachend vom Sitz. »Ich soll den Wagen bei Frau Hüsgen abliefern!«

»Das bin ich!« sagte die junge Frau. Das Lächeln verschwand langsam wieder von ihren Zügen. Die wurden still und versonnen.

»Gnädige Frau können sich auf den Wagen verlassen! Ich hab' ihn mit aller Sorgfalt eingefahren!«

Er klappte die Haube auf. Die beiden standen nebeneinander und betrachteten sachlich den Lambert Zwölf. Die kleine Frau kramte aus ihrem Handtäschchen einen Zwanzigmarkschein.

»So! Das ist für Sie!«

»Danke sehr, gnädige Frau! Es könnte höchstens sein, daß die Stechbolzenmuttern an der Zylinderkopfdichtung noch 'ne Idee nachgeschraubt werden müssen! Das zeigt sich erst bis morgen!«

»Schauen Sie doch morgen um die Zeit noch mal nach! Ja?«

»Gewiß, gnädige Frau!«

»Sie kriegen dafür ein Trinkgeld extra!«

»Zu gütig, gnädige Frau!« Die Augen des Fahrers Werner hingen verstohlen an dem träumerisch in den Anblick des Autos versunkenen Profil der jungen Frau. Er nahm sich zusammen. »Wollen nicht gnädige Frau den Wagen einmal probieren?«

Frau Hüsgen fuhr aus ihren Sinnen auf und stieg ein. Er fetzte sich neben sie. Sie töffte hinaus, die Straße entlang. Er sah von der Seite ihre kleine, weiße, blasse Hand, an der ein Ehering funkelte, unruhig am Steuerrad. Sie gab wenig Gas. Er merkte: sie wagte nicht, dem Koloß seine letzten Kräfte abzulocken. Sie fürchtete sich fast vor ihm. Er frug:

»Warum fahren gnädige Frau eigentlich einen so schweren Wagen?«

»Ach – er hat mir neulich im Schaufenster im Vorbeigehen so riesig gefallen, und da hat mein Mann, wie er so ist, ihn mir auch gleich auf der Stelle geschenkt!«

»Fand der Herr Gemahl denn nicht auch, daß der Wagen ein wenig groß für eine Dame ...«

»Mein Mann?« Jetzt verwandelte sich ihre gespannte Fahrermiene in herzliches Lachen. »Von Autos und so was hat er keine Ahnung! Wenn es Bilder wären – da kauft er alle fingerlang welche ... Und dazwischen mal eben den Wagen ...«

Geld ... Geld spielte hier keine Rolle ... Der Fahrer Werner beobachtete stumm, wie Frau Hüsgen um das Grunewaldrondell schwenkte. Es ging nicht ganz glatt. Sie mußte mit dem langen Kasten Rücklauf nehmen.

»In der Stadt säuft solch ein starker Wagen nur so das Benzin, gnädige Frau! Das ist ein teurer Spaß!«

Sie zuckte nachlässig die Achseln. Es war ihr offenbar ganz gleich, ob irgendein Ding etwas kostete und wieviel. Sie steuerte den Lambert Zwölf wieder zur Einfahrt der Villa und bugsierte ihn, rückwärts schauend, mit zusammengebissenen Lippen, etwas im Zickzack in die Garage. Als er stand, sagte sie im Aussteigen:

»Natürlich bin ich dem Wagen nicht gewachsen! ... Aber so geht's einem ja immer ...«

»Der Wagen läuft gut! Aber – wenn gnädige Frau verzeihen wollen – als Fachmann gesprochen: Gnädige Frau fahren etwas nervös!«

»Das macht der Schrecken von neulich! Bei der Panne!« Frau Hüsgen sprang blondköpfig, weißschimmernd, mit ihren kleinen, schmalen Halbschuhen auf den sonnenflimmernden, gelben Kies. »Aber ich muß vorläufig selber kutschieren. Mein Chauffeur liegt doch noch im Krankenhaus ... Und einen Fremden laß' ich nicht 'ran!«

»Und heute ...« Sie überhörte sich gedankenvoll wie ein Kind seine Schulaufgaben, »... muß ich nachmittags hinaus nach Roseneck zum Blau-Grün-Turnier. Da spielen doch die Amerikanerinnen. Und dann in der Nähe hier zum Bridge. Und abends in die Stadt – ins Theater. Und hinterher noch irgendwo was ... Herrgott: was war das nur ...?«

Sie schüttelte den Kopf und verstummte. Der Chauffeur Werner stand ehrerbietig, die Mütze in der Hand.

»Gnädige Frau: darf ich bitten, die Empfangsquittung zu unterschreiben!«

»Ach ja – kommen Sie nur mit herein!«

Es war kein Haus – es waren die weiten, feierlich dämmerigen Hallen eines großen Kunstmuseums, in das sie traten. Der Garagenschlosser Werner schaute sich stumm zwischen den durch zwei Stockwerke gehenden Wänden voll alter Meister, den tausendjährigen Marmorstatuen, den antiken Möbeln, dem ehrwürdigen Porzellan und Steingut, den Gobelins Flanderns und Teppichen Asiens um. »Wundervoll!« sagte er dann halblaut für sich. Die kleine Frau hörte es. Sie kauerte mit hochgezogenen Knieen an einem Malachit-Tischchen und unterzeichnete und frug, während sie den Schein zurückgab:

»Gefällt Ihnen das hier?«

»Das sind ja fabelhafte Sachen, gnädige Frau – das heißt ...« Er verbesserte sich schnell ... »Unsereiner versteht ja nichts davon!«

»Doch! Das würde meinen Mann freuen, daß Sie das sehen! Er ist doch einer der ersten Kunstsammler von Berlin. Haben Sie nie von der Sammlung Hüsgen gehört?«

»Nein, gnädige Frau! Ich kenne nur die großen Hüsgenwerke am Rhein! Die kennt in Deutschland jeder in meiner Branche!«

»Nun – aus der Familie Hüsgen stammt ja mein Mann. Er ist Teilhaber der Firma. Aber er hat keine Freude an der Industrie. Er lebt als Privatmann und sammelt ...«


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