Rudolf Presber
Mein Bruder Benjamin
Rudolf Presber

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Zwanzigstes Kapitel

Die Familie hatte mir's damals hoch angerechnet, daß ich Ben so rasch, unbeweibt und – körperlich – unverwundet, aus Italien und dem Machtbereich der gefürchteten »Teresina« heimgebracht. Das hatte sein Gutes gehabt. Denn die Mutter schenkte mir »zur Erinnerung« eine sehr schöne Büste Dantes, von dem sie irrtümlicherweise annahm, daß er in Venedig geboren sei. Ben selber aber, dankbar für meine Diskretion, mit der ich die näheren Umstände unserer beschleunigten Heimkehr in Schleier hüllte, schloß sich noch herzlicher an mich an in seinen Briefen aus Heidelberg, wo er nun studierte.

In der Anlage, gegenüber dem Denkmal des Fürsten Wrede, bewohnte Ben in der Neckarstadt mit den Studiengenossen Fips Tomasius und Willibald von Gollwitz eine behagliche kleine Wohnung von vier Zimmern, um die rings – denn die Wohnung sprang als Flügel des großen Hauses gegen Berg und Wald hin vor – ein schmaler Balkon lief. Die drei Frankfurter, seit Sextanertagen befreundet, waren sich genug und hatten nicht das Bedürfnis, in Korps oder Burschenschaft einzutreten, so eifrig und zäh auch beide um sie warben. Das wären auch drei feine, flotte Füchse für die Kneiptafel und den Fechtsaal gewesen! Alle drei sahen gut aus, wußten sich zu benehmen und hatten einen sehr auskömmlichen Wechsel.

Ben, mittlerweile großjährig geworden, hatte sich der ängstlichen Familie durch Handschlag verpflichtet, mindestens bis zum Schluß seiner Studien das Kapital nicht anzugreifen und keinerlei Experimente spekulativer oder wohltätiger Art damit zu machen. Diese Vorsichtsmaßregel war sehr nötig. Denn Ben hatte unglücklicherweise drei Tage vor seiner Großjährigkeit, als er über Sonntag in Frankfurt war, eine Droschke benutzt, deren betrunkener Kutscher sein altes und abgetriebenes Pferd sinnlos quälte. Das hatte ihn in einer Weise empört, daß er allzu hastig ausstieg, dabei in den Schmutz fiel und, in seiner berechtigten Entrüstung durch diese Berührung mit der leider unsauberen Mutter Erde noch gesteigert, dem Droschkenkutscher eine Szene machte, die viel Volks um sich sammelte. Gerade als der Kutscher Miene machte, die von ihm in derbsten Frankfurter Schimpfworten geführte Unterhaltung mittels des Peitschenstiels fortzusetzen, erschien ein Schutzmann, der besänftigende Notizen in ein dickes Taschenbuch machte und Ben auf den »Tierschutzverein« verwies. Da war Ben zu Hause auf das Adreßbuch losgestürzt, um das Bureau dieses Vereins zu erforschen, dem er sofort größere Zuwendungen zu machen gedachte.

An demselben Tage zeigte er mir einen Brief, in dem ihn Annemarie, das dralle Landmädchen, mit dem er sich vor Jahren um das Töpfchen versammelt hatte, auf dem das Davidchen saß, in beweglichen Worten um Hilfe anging. Sie hatte sich ihrem schon damals geäußerten Programm gemäß die Welt angesehen; war dann, um erkleckliche Kenntnisse von deren Schlechtigkeit bereichert, mit Zwillingen ins Elternhaus heimgekehrt, hatte dort großes Viehsterben mit erleben müssen und den Vater aus dem Wirtshaus wieder ans Haus zu gewöhnen versucht. Wenn ihr mit einem kleinen Kapital geholfen würde, so war bei ihrer im Dorf sprichwörtlichen Tüchtigkeit, nach ihrer Aussage, ein rasch wieder aufblühendes Anwesen zu erwarten; und es bestand die Möglichkeit, daß des Nachbars Peter, der kürzlich von Darmstadt dagewesen war, wo er bei den weißen Dragonern diente, über das kleine Malheur mit den Zwillingen wegsehend, sie ehelichte. So erschien eine ihr bald zu erweisende Beihilfe weniger eine Wohltat als eine sichere Kapitalanlage. Dies alles war in einer eigenartigen Orthographie und langen Sätzen, die nicht übel anfingen, aber selten richtig oder überhaupt zu Ende gingen, umständlich erzählt. Mit einer Anspielung auf Bens nahe Selbständigkeit und in der Zuversicht, daß der liebe Gott persönlich über der Verzinsung wachen werde, schloß das zutrauliche Schreiben. Ben erwog eine einmalige Beihilfe von dreitausend Mark, wollte sich aber erst einmal erkundigen, was eine Kuh, zwei Schweine und fünfzehn Hühner kosteten; denn diese genannten Tiere hätten, wie er sich wohl entsinne, den Viehstand von Annemaries Vater zu jener Zeit ausgemacht, als das Davidchen auf dem Töpfchen saß.

Erschreckt ob der Üppigkeit der einsetzenden Wohltätigkeitsunternehmungen des Bruders hatte ich zunächst nichts gesagt, mich aber dann von meinem Bureau aus schriftlich mit dem Bürgermeister des Dorfes in Verbindung gesetzt, in dem die Annemarie beheimatet war. Der biedere Mann schrieb mir, daß die Annemarie allerdings unehelich Zwillinge geboren hätte, die aber den Tag ihrer Geburt nicht überlebten. Des Mädels Vater, der Bauer Moser, der ein braver und nüchterner Mann sei, habe es eine Weile mit ihr als Helferin in Feld und Garten versucht; aber gerade gestern habe er sie davongejagt, weil, wie die Auskunft charakteristisch lautete, »das Mensch nit arweite will und nix nit als wie Spuzze im Kopp hat«. Der Brief des Bürgermeisters, den ich vorlegte, hatte Ben das Gelübde erleichtert, auch auf Wohltätigkeitsakte größeren Stils mindestens bis zum Ende seines Studiums zu verzichten.

Die beiden Kommilitonen aber, Fips Tomasius und Willibald von Gollwitz, hatten sehr vernünftig gehandelt, als sie mit Ben zusammenzogen. Sie hatten verlangt, daß Ben auf Ehrenwort ohne ihre Zustimmung monatlich bestimmt nicht mehr von seinen Zinsen verbrauche, als jeder von den beiden als Wechsel von zu Hause bezog. Somit konnte Ben, dessen bei aller Vergnügtheit verständiger Lebensauffassung das Zusammenleben mit den Freunden das wichtigste war, keinerlei üppige Sprünge machen, die etwa die andern nicht mittun konnten. Zur Freiheit des Studentenlebens und der Brüderlichkeit der Gesinnung kam die völlige Gleichheit der Bezüge.

Nur eine Konzession machten die beiden dem Freunde. Er durfte sich einen Diener halten, der die Wohnung instand hielt, morgens den Kaffee kochte, allen dreien die Stiefel putzte, die kleinen Gänge besorgte und bei den jungen Herren ein recht angenehmes Leben hatte. Vielleicht hätten es die beiden sogar nicht ungern gesehen, daß Ben einen recht eleganten jungen Mann engagiert hätte. Willibald von Gollwitz sprach schon von alten weißen Handschuhen, die er »zum Servieren« beisteuern könnte, während Fips Tomasius aus seiner Krawattensammlung einige schon mehrfach gewaschene weiße Selbstbinder der Eleganz der Bedienung zu opfern gedachte. Bei Ben aber meldete sich als erster auf die ins »Heidelberger Tageblatt« eingerückte Annonce ein armer Teufel aus Schlierbach, der ein Holzbein hatte und ziemlich verhungert aussah. Da dieser Invalide, dessen Stimme seiner zerknitterten Erscheinung entsprach, an Bens Gutmütigkeit appellierte, so nahm ihn Ben, der den traurigen Blick seiner Enttäuschung fürchtenden Augen nicht zu ertragen vermochte, in Dienst. Der Mann hieß Hugo Hagedorn, war, als er den Dienst antrat, schon nicht mehr in der Blüte seiner Jahre, blaß, verhungert und unrasiert, und wurde zunächst in einen älteren blauen Sakko gekleidet, den Ben abgelegt hatte, und der silberne Knöpfe bekam. Auch mit Wäsche versah Ben den neuen dienstbaren Geist, da dieser kein Hemd zum Wechseln besaß und der blanke Gummikragen nicht gut aussah. Hugos Gepäck, als er zuzog, bestand überhaupt nur aus einer Wichsbürste, einem alten Sommerüberzieher, einem Plaidriemen und einem zerbeulten Globus, den ihm einmal ein Buchhändler, für den er den Umzug mitbesorgt, geschenkt hatte. Hugo war leise und bescheiden; bloß das Holzbein machte einigen Lärm, da es die Neigung hatte, in seiner Gefühllosigkeit an Türen, Stühle und andere Möbel anzustoßen.

Dieses aber lag zum Teil wohl auch daran, daß es kein sehr kunstreich gearbeitetes, sondern ein billiges Holzbein war, das außerdem noch viele Jahre schon seine Pflicht unter der rechten Hüfte Hugo Hagedorns geleistet. Solcher Einsicht entzog sich der gute Ben nicht. Daher kam es, daß der Kommerzienrat Baddach, der in jener Zeit einmal beim mittlerweile zum Konsul der Türkei avancierten Weingroßhändler Schupp Tante Tüßchen zu Tisch führte, die um den Neffen Besorgte in merkwürdiger Weise beruhigen konnte. Er sagte ihr nämlich, während er in seiner zutraulichen und gewinnenden Art ihre Linke mit seiner Rechten tätschelte: »Meine liebe Gnädige, Sie haben Angst, daß die guten Verhältnisse, in denen sich Ihr Neffe befindet – und er befindet sich wirklich ganz gut, das wissen Sie, in deren Fabrik sein wesentlichstes Geld steckt, und ich, der ich der Bankier seines Vermögens bin – fürchten, sag' ich daß den jungen Mann die holde Weiblichkeit zu leichtsinnigen Depensen veranlassen könnte. Nun denn – da will ich Ihnen verraten, obschon ich eigentlich eine kleine Indiskretion begehe, daß die einzige größere Summe, die ich bis jetzt auf einen Scheck von ihm bezahlte –«

»O Gott, ein Scheck!« Tante Tüßchen, die, so begütert sie war, nur in bar zahlte, hielt den Scheckverkehr für etwas Unsittliches und für den Anfang des Ruins.

»Warten Sie, warten Sie! Diese einzige größere Summe ging an ein orthopädisches Institut. Zum Ausgleich für ein neu gefertigtes Holzbein – wenn ich mich recht erinnere, aus Nickel und Polisanderholz.«

»Für ein Holzbein aus Polisanderholz?«

Tante Tüßchen war voll Staunen. Als sie aber früh am nächsten Morgen unserer Mutter die Geschichte erzählte, gab sie doch ihren Zweifeln Ausdruck. Sie meinte, daß schließlich auch solches Holzbein – besonders die vornehme Ausführung in Polisander brachte sie auf die Vermutung – für eine Dame bestimmt sein könnte, deren gewinnende Vollkommenheiten vielleicht mehr im Oberkörper konzentriert waren.

Wenn nun auch Tante Tüßchen mit diesem Argwohn entschieden zu weit ging, so hat Hugo Hagedorn, mittelbar durch das alte Holzbein, das sein Engagement veranlaßte, doch die Brücke geschlagen zu einer Herzensangelegenheit, die für Bens Leben nicht ohne Bedeutung blieb.

Als ein Mann, der häufig auf die Unterstützung des Nächsten angewiesen war, hatte sich Hugo Hagedorn, so anständig sein unkomplizierter Charakter sonst war, bei seiner Familie keiner großen Beliebtheit erfreut. Wie man das ja auch in anderen Kreisen trifft, daß verarmte Verwandte nicht gerade eine bedeutende oder beneidenswerte Rolle spielen. Sein nächster Verwandter aber war sein Schwager, Witwer seiner einzigen Schwester, Adam Ackerle mit Namen, der an der alten ehrwürdigen Heiliggeistkirche in einer der Kirchenmauer selbst angeklebten uralten Bude eine Korbwarenhandlung betrieb. Ein stiller fleißiger Mann, der nur eine Vorliebe hatte für die dunkelgoldenen badischen Landweine, die ihn vor Jahren über den frühen Tod einer braven arbeitsamen Frau getröstet hatten. Dieser Biedere, der seine meisten Körbe noch selbst flocht und weidlich auf die Konkurrenz der elenden Fabrikware schimpfte, hatte eine Tochter, der er in der Taufe in seiner Neigung zu allerlei vornehmen Dingen den für die Tochter eines Korbmachers vielleicht etwas ausgefallenen Namen Eveline gegeben hatte.

Das Mädel war jetzt achtzehn Jahre, hatte zwar nur die Volksschule, diese aber als beste Schülerin, besucht, hielt auf sich und war von der Mutter Natur gar angenehm ausgestattet. Mittelgroß, war sie von lieblichstem Ebenmaß der Formen, vielleicht ein ganz klein wenig zum Rundlichen neigend. Das hübsche Oval ihres immer freundlichen Köpfchens wurde von gesunden roten Backen belebt und zwei gütige vergnügte Augen standen unter offener Stirn. Fast das schönste aber waren ihre reichen, dunkelblonden Haare, die, wenn sie sie öffnete und den Kopf schüttelte, sie wie ein glitzender Mantel, wie ein feiner Schleier, in dem heimliches Gold funkelte, umwallten. Die kleinen festen Hände, die schon tapfer mit zugepackt hatten in der Wirtschaft, der früh die Mutter fehlte, hatten ihre hübsche Form und ihre Grübchen nicht eingebüßt. In ihrer Stimme aber, der alle harten Töne fehlten, schlummerte es wie ein heimlicher Gesang; wie ein Volksgesang, gut und schlicht, ein bißchen sentimental, ein bißchen wehmütig. Und hätte nicht der Schalk in diesen lieben blauen Augen gesessen und hätte nicht das ganze Persönchen Leben und Lebensfreude ausgeströmt, man hätte mit dieser süßen Stimme, die manchmal an alte Märchenfiguren wie die arme Griseldis erinnerte, Mitleid haben können. Zwischen dem Vater mit der weingeröteten Nase und dem Onkel mit dem Holzbein stand diese liebe weibliche Jugend, so deutsch, so badisch, als ob sich die Natur einen Spaß mit der Familie gemacht hätte, indem sie zwischen zwei leicht karikierte Exemplare bedrückter Männlichkeit das junge aufrechte Weib in seiner ganzen Liebenswürdigkeit zu stellen bedacht gewesen.

Da nicht mehr zu besorgen war, daß der nunmehr auskömmlich besoldete Hugo Hagedorn ihn anpumpte, so holte der Korbmacher Ackerle, der seinen Abendtrunk gern im »Silbernen Hirschen« am Wredeplatz machte, jetzt zuweilen den Schwager ab. Das geschah so um die Zeit, wenn die drei Herren Studiosi ihren Bummel nach dem Schloß oder durch den Stadtgarten machten oder schon zum Abendbrot noch dem »Rodensteiner« oder zur Musik ins »Bremen-Eck« gegangen waren. Hierbei und auch bei seinen Sonntagsbesuchen bei den Ackerles wußte Hugo, den das späte Glück solcher Anstellung beseligte, von den drei vergnügten Herren so viel Rühmendes und Lustiges zu erzählen, daß der alte Ackerle nickend in seinen Markgräfler schmunzelte. Er war sonst eben kein fröhlicher Mann, und ein dunkles Kapitel in seinem Leben, das ihn vor Jahren ein paar Wochen der Familie und der Arbeit ferngehalten hatte, war der Anlaß gewesen, daß er dem Weine oft kräftiger zusprach, als ihm gut war. Er mochte auch sonst die Studenten nicht sehr, die ihm mehrfach – besonders die verflixten Rhenanenfüchse, die ihr Weg nachts von der Kneipe bei ihm vorbeiführten – sein Firmenschild abgehängt und durch das Schild eines Schusters oder einer Hebamme ersetzt hatten. Und wenn sie gar bei ihm einkaufen kamen, so handelte es sich meist um sehr unwesentliche Geschäfte oder gar um »Bestellungen«, aus denen nachher nichts wurde; und der Hintergedanke der Besuche schien allemal nur der zu sein, die hübsche Eveline, die zuweilen im Lädchen mithalf, mehr aus der Nähe beaugenscheinigen zu können. Auch hatte der an der Buchhandlung gegenüber der Universität malerisch an den Eckstein geräckelte dicke Dienstmann Muck, den seine gewaltige Körperfülle und tiefe Abneigung gegen anstrengendere Geschäfte zum Postillon d'Amour besonders qualifizierten, und der solche Kommissionen schon beinahe ein Menschenalter, seelisch unbeteiligt aber gewissenhaft, betrieb, mehrfach nach solchen Studentenbesuchen Veilchen oder Nelkensträuße mit Billettchen überbracht, die durchaus nicht für Adam Ackerle persönlich bestimmt waren. Eveline lachte dann, während der Vater in den schon beschneiten Vollbart schimpfte. Steckte singend eine Nelke dem alten Herrn oben in die Arbeitsschürze, die anderen in ein hübsches Zierglas und ging munter, ohne sich weiter um die Spender und ihre Prosa oder Verse zu kümmern, ihren häuslichen Geschäften nach. Sie mochte die Studenten alle gut leiden. Sie schienen ihr zum Bild zu gehören, zum Leben ihrer Vaterstadt; und in den Universitätsferien, wenn die gelben Schwabenmützen, die weißen Saxoborussenstürmer, die roten Alemannenkappen in den Straßen und auf den Brücken fehlten, schien ihr Heidelberg nicht halb so schön. Die steifen Engländer, die im »Prinzen Karl« wohnten, und die wortkargen Amerikaner, die mit rasierten Holzgesichtern und Tellerfrisuren aufs Schloß stelzten, ja selbst die üblichen Hochzeitspärchen, die besonders im Frühling und Herbst den »kurzen Buckel« hinaufkeuchten und abends oben im Schloßhotel früh die Lichter löschten, konnten ihr die Stiftungsfeste und Umzüge in Viererzügen mit Bannern und die Schloßbeleuchtungen mit Fackeln und Gesang nicht ersetzen. Aber so sehr sie alle Studenten mochte und zum Vergnügtsein brauchte, einen einzelnen hatte sie noch nicht gefunden und ausgezeichnet. Auf keines der vielen Billettchen, die der dicke Muck schon angeschleppt hatte, war jemals eine Antwort von ihr gekommen. Das wußte Adam Ackerle ganz gut; und deshalb sagte er zum Schwager Hugo Hagedorn einmal im »Silbernen Hirschen«, als das vom blonden Markgräfler beschwingte Gespräch auf allerlei studentische Liebeshändel kam, die auf der Kirchweih in Handschuchsheim begonnen und auf der Hirschgasse ausgefochten wurden: »Weischt, Hugo, i glaub' als, meine Eveline, das ischt eine, wo überhaupt kei Mannsbild nie was ausricht. Die lacht halt und ischt allweil fidel. Aber eher will i glaube, daß dein Holzbein im Frühling ausschlagt, als daß das Mädel sich einen von die Studente in Kopf setzt.«

Das war vielleicht keine sehr zarte, aber eine deutliche Art, seine väterliche Ansicht über die Immunität der Tochter gegen das viel verbreitete süße Gift der Liebe auszudrücken.

Nun, das Holzbein Hugo Hagedorns hat allerdings nicht ausgeschlagen. Es war längst totes Holz und poliert.

Aber die hübsche Eveline, des Korbmachers Adam Ackerle einzige Tochter, ist Ben begegnet. Und Ben ihr.

Und die beiden haben sich sehr, sehr lieb gehabt.


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