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Saftläden

Kam in der raschen Zunahme der Kaffeehäuser der demokratische Zug unserer Zeit zur Geltung, so suchte doch auch der Zug nach Absonderung sich durchzusetzen. Ihm kam die Amerikanisierung unseres Lebens zugute: Allerlei neuartige, undeutsche Lokale wurden eröffnet, deren hohe Preise von vornherein nur bemittelteren Kreisen den Besuch erlaubten, wo sie unter ihresgleichen bleiben. Derartige Lokale haben ja immer bestanden. Der höheren Halbwelt standen die Separées zur Verfügung.

Dem Liebesmarkt aber wurden vor etwa dreißig Jahren neue Orte erschlossen: die Bars. Sie waren wohl nicht zuerst als Verkehrslokal für die Kokotten gedacht. Aber – die ungewohnten hohen Preise, die Sucht der Halbwelt, möglichst zahlungsfähige Klienten zu finden, und der Wunsch der Wirte, Attraktionen zu haben, füllte die Bars, die damals fast alle in der Friedrichstadt zwischen Dorotheenstraße und Leipziger Straße lagen, mit Kokotten. Die Bars haben alle, wie ihre Vorbilder in Amerika, eine glänzende Ausstattung mit teppichbelegtem Fußboden, Hockern, prunkvollen Büfetts, Spiegeln und Bildern. Aber nur im vorderen Raum ist das amerikanische Muster festgehalten. In hinteren Räumen ähnelt die Ausstattung den Berliner Weinlokalen und Separées. Kleine Kabinen, viele Polstermöbel, gedeckte Tische. Auch die Getränke sind halb verdeutscht. Fast von allen Besuchern wird Punsch oder Sekt getrunken. Nur die Preise sind nicht deutsch. Ungefähr doppelt so hoch als in anderen Lokalen. Und sonst? Irgendeine leise Musik. Zwei, drei Instrumente. Dafür aber im hellen elektrischen Licht reichgekleidete Frauen und Mädchen. Meist Frauen. In großer Gesellschaftstoilette. Sie werden wie Damen behandelt und unterhalten wie Damen. Parfüm und Puderduft, Zigarettendunst liegt um ihre weißen Schultern. Ihre unterschminkten Augen leuchten. Die behandschuhten Hände greifen nach den mit giftigen Farben gefüllten Gläsern. Auch die Männer, die in den Bars verkehren, kommen meist in Gesellschaftstoilette: schwarz, mit Zylinder. Reiche Kaufleute, Offiziere in Zivil, Bankbeamte, Prinzen, Künstler – alles, was nicht zu den niederen Klassen gehört. Über die Art des Treibens und des Tons in den Bars um 1900 mögen einige Skizzen von Typen Aufschluß geben, die Gustav Hochstetter im »Roland von Berlin« veröffentlichte:

 

Die Frau Rechtsanwalt.

»Ist schon das Weib im allgemeinen ein Rätsel, so ist die Frau Rechtsanwalt ein ganzes Scharaden-Album. Wie alt sie sein mag? Sie hat Tage, oder präziser ausgedrückt: Abende, an denen man sie für fünfundzwanzig halten könnte; bei ungünstiger Beleuchtung oder anderen ungünstigen Verhältnissen möchte man ihr Vierzig geben, evtl. noch mit einem kleinen Agio .... Ob sie wirklich, wie sie sagt, »von ihrem Mann getrennt lebt«, ob sie Fräulein, Frau oder Witwe ist, das kündet kein Sang, kein Heldenbuch. Wie sie dazu gekommen sein mag, sieben Sprachen zu lernen – niemand weiß es; aber sie spricht sie: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch, Italienisch, Russisch und Griechisch. Wenn sie einen ganz Gebildeten für sich gewinnen will, kritzelt sie ein Shakespearesches Zitat im englischen Urtext, aber in griechischen Lettern vor ihn auf dem Marmortischchen hin. Selbst für einen ganz Gebildeten ist es eine recht beträchtliche Aufgabe, wenn er – nachts um zwei – herausbuchstabieren muß, daß diese griechischen Lettern in Wirklichkeit »Englisch« und nichts anderes sind als die Worte Hamlets an Ophelia:

Doubt thou, the stars are fire,
Doubt thou the sun doth move.
Doubt truth to be a liar.
But nevr doubt, I love ...

und daß sie auf gut deutsch bedeuten:

Zweifle an der Sonne Klarheit,
Zweifle an der Sterne Licht,
Zweifl', ob lügen kann die Wahrheit,
Nur an meiner Liebe nicht ...

Der ganz Gebildete schaut sich dann die holde Schreiberin wohl genauer an, aber, wenn sie gerade ihren schlechten und er seinen guten Tag hat, dann antwortet er mit dem Titel eines Shakespeareschen Lustspiels: »love's labour's lost!« – »Verlorne Liebesmüh!« ... und Frau Rechtsanwalt zieht sich von dem bekritzelten Marmortischchen zurück, verbindlich lächelnd, trotz der bitteren Erkenntnis, daß sie, ohne es zu wollen, in einer »Comedy of errors« mitgespielt hat. Sie setzt sich zu zwei biederen Provinzialen, die weder für Hellas noch für Albion schwärmen, und – weissagt ihnen aus den Linien der Hand Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges. Man muß es ihr lassen, sie versteht es brillant, wenn auch nicht aus den Linien der Hand, so doch aus der Kleidung, aus dem Gesichtsausdruck und dem Auftreten ihrer »Kavaliere«, deren Beruf, Alter und Stand zu erkennen; auch den Zweck des »Aufenthaltes in Berlin« weissagt Frau Rechtsanwalt meistens richtig. Wenn dann ein solcher Provinzkavalier auch näheres über seine Zukunft zu wissen begehrt, neigt sich die gnädige Frau ihm freundlich zu ... ihre Lippen berühren fast sein Ohr ... sie weiß es so einzurichten, daß bei dieser freundlichen Neigung ihre Dekolletur den Augen ihres Ritters gar nahe kommt ... und ich glaube, sie weissagt ihm von seiner Zukunft nur das kleine Stückchen, das zwischen heute und morgen liegt ... «

 

»Dorchen.«

»Blond – garantiert echt. Jung – garantiert achtzehn. Schick – garantiert Gerson.

Und furchtbar vornehm. In Haltung, Gang und Sprache. Nie ein zweideutiges Wort. Ganz Dame. Wo sie's her hat? Weiß der Kuckuck! Vor drei Jahren war sie noch Lehrmädel in einem kleinen Putzgeschäft in der Friedrichstraße. Heute weiß sie in Nizza und Monte, in Venedig und St. Moritz besser Bescheid als ein fünfundfünfzigjähriger Kommerzienrat aus der Tiergartenstraße.

Ihre Beziehungen reichen bis in unglaublich hohe Kreise. Wenn der Oberkellner sie ans Telephon ruft, fragt sie im Tone der größten Selbstverständlichkeit: »Wer ist denn da, Ober? Die Durchlaucht oder bloß der Graf?«

Dorchen ist hübsch – darüber sind alle Fachleute einig. Aber ihr größter Reiz liegt in ihrem niedlichen Blondgesichtchen und nicht in ihrer üppig schlanken netten Figur. Ihr größter Reiz ist: – ihr liebes Plaudern. Von allem kann man mit ihr reden. Aber: – ein derbes Wort, und man hat bei Dorchen für immer verspielt. Aber »kommt ihr Dorchen zart entgegen«, dann ist mit ihr plaudern ein Genuß. Und es gibt geschmackvolle, gutsituierte Herren, die nach der Bar kommen, um ein Stündchen mit dem blonden Fräulein zu plaudern und dann heiteren Sinnes ganz solide wieder von ihr zu scheiden ... nicht ohne vorher diskret eine winzig zusammengefaltete Banknote in Dorchens wohlgepflegtes Händchen gedrückt zu haben.

Wenn der Herr Gemahl nach Hause kommt und die angetraute Gattin würde ihn fragen: »Wo hast du diesen Hundertmarkschein gelassen?« ... Wenn er dann antworten würde: »Den habe ich verplaudert« ... ob das wohl eine angetraute Gattin glauben könnte?

Nimmermehr.

Sie kennt ja Dorchen nicht!

Man muß Dorchen kennen, um das glauben zu können.«

Der Ton in den Bars ist tatsächlich fast immer auf ein höheres Niveau gestimmt als sonst in Halbweltlokalen. Derartige Lokale, die Gelegenheit zur bloßen Plauderei bieten, sind in Wirklichkeit geeignet, der Halbwelt viel von ihrer Gewöhnlichkeit und Rohheit zu nehmen. Gewiß, in allen Bars geht's nicht so dezent zu. Nicht alle Besucherinnen der Bars sind gleich zurückhaltend im Ton wie die von Hochstetter geschilderten. In der »Wahrheit« veröffentlichte einst Satyr folgende Beobachtung aus Berliner Bars:

siehe Bildunterschrift

Max Beckmann: Tanz in der Bar.

 

»Hitty.«

»Sie verkauft Sekt und ist blond gefärbt. Ihr Körper muß schön sein; denn er steht auf verkäuflichen Ansichtskarten. Ihre Stimme ist weniger schön; sie klingt wie's bei Grillparzer heißt: »wie wenn einer mit zwei andern, welche sägen, in gewalt'gen dumpfen Schlägen eine Klafter Holz zerkleinert.« Hitty säuft; säuft gewerbs- und gewohnheitsmäßig. Das Saufen ist ihr Gewerbe, die »Liebe« ihre Gewohnheit. Sie hat eine Freundin, die auch blond gefärbt ist, auch ein schönes Organ hat, und auch säuft. Das ist ein Pärchen! Ihre Liebhaber sind Leutnants; Spezialität: »besoffene Leutnants«. Auch in der Liebe reizt sie nur der Suff. Nach Schluß gehen sie noch lange nicht nach Hause; vielmehr beginnt dann erst ihre eigentliche Tätigkeit. Sie ließe sich qualifizieren als Leichenfledderei. Da beide »pathologisch« sind läßt man sie gewähren. Ihre Zukunft liegt in einer Rotunde oder im Chausseegraben; sie sterben als Tippelschicksen. Ave impiae animae.«

Auch solche Gestalten sind nicht selten in den besseren Bars.

* * *

In fast allen Bars, besonders aber in denen, die nicht ganz als Luxuslokal aufgemacht sind, sitzen Frauen und Mädchen jeder Art einträchtig beieinander am Bartisch. Sie hocken auf den hochbeinigen Schemeln zwischen Ehemännern und Junggesellen, lassen sich die freundliche Verehrung des Herrn gefallen, der alle aufmuntert zum Trinken, Kirschwasser und Wermut vom weißgekleideten Barkeeper einschänken läßt und sich freut, daß seine kleine Freundin, die er erst heute im Kaffeehaus kennengelernt hat, von der neben ihr sitzenden Frau seines Freundes vergnügt unterhalten und angeprostet wird. Die beiden Frauen lachen und wanken auf ihren Sitzen hin und her. Der Freund muß sie beide um die Hüfte fassen, daß sie nicht hinunterfallen. Um so mehr lachen sie.

Und die andern Gäste, die an den kleinen Tischen längs der Wand sitzen, lachen auch über diese Frauen. Alle diese Gäste – Ehepaare, Junggesellen mit ihren Freundinnen, Halbweltmädchen mit ihren Freunden – sind alle gleich lustig, singen und summen die Melodien der kleinen Musikkapelle mit – um schließlich alle miteinander die buntgefüllten Schnaps- und Weingläser zu erheben und sich zuzurufen: »Prost – Prost.«

Nicht hinter allen Bartischen stehen Männer, die einschänken und mischen. In den Luxusbars werden die Gläser von zarten und liebenswürdigen Händen gefüllt. Dazu gibt es ein freundliches Lächeln und zärtliche Blicke, auch einige liebevolle Worte – und der Herr, der oft nur einen Kognak wollte, trinkt schon eine Flasche Sekt. Die Barmaid hat inzwischen schon ihre Freundin herbeigerufen, die zufällig frei war. Und nun trinken sie zu dritt. Er erfährt, daß die schöne blonde Barmaid die Tochter des Besitzers und ihre Freundin ihre Kusine ist.

»Mama sagte, hier kriege ich wenigstens was zu sehen. Hier kann ich was lernen!« meint die Kusine, die eng in ein goldfeines Kleid gewickelt ist.

»Na, besser als in eurem Grünkramladen hast du es hier!« lacht die Barmaid.

»Du – dein Vater trinkt so viel! Der hat doch nicht wieder was vor?«

»Ich wüßte nicht, was!« antwortet die Barmaid und zieht unwillkürlich die Schultern zusammen.

Die Kusine erzählt lachend, daß der Vater sich immer betrinkt, wenn er was sagen will. Sonst bestimmt die Mutter alles, die auch die Bar eingerichtet und die Fleischerei, die sie früher betrieben, verkauft hat. Ihre Kusine hatte einmal mit einem Bekannten einen Ausflug gemacht und dann »den Zug versäumt«. Sie lachte ganz laut und wackelte auf ihrem Hocker. Der Herr mußte sie auffangen, daß sie nicht lang auf den Boden fiel.

»Den Zug versäumt?« fragte er.

»Na ja – sie blieb doch die ganze Nacht fort!« kreischte die Kusine. Sie wandte sich an die Barmaid: »Hissi – heut brauchst du keine Angst haben vor deinem Vater. Der hat Absichten auf deine Mutter. Sieh mal, wie er sie immerzu ansieht.«

Und die Barmaid fing an zu singen, kam hervor und tanzte mit ihrer Kusine vor dem Herrn, wiegte und wand sich, daß ihm der Kopf ganz heiß wurde ...

Am Bartisch der vornehmen Likörstube im Westen drängen sich zwölf Mädchen. Sie sind alle nacheinander von der Straße hereingekommen und haben sich zu den am Tisch stehenden Herren und Frauen gesetzt, locken mit Blicken und Flüstern, kleinen aufreizenden Schreien und heimlichem Geplauder. Neugierig sehen die Frauen zu. Einzelne schütteln den Kopf, die meisten aber lächeln und lernen von den Mädchen. –

Dem Geschäftsführer aber wird das zuviel. Er verbietet dem Pförtner, noch mehr Mädchen hereinzulassen und steckt denen am Bartisch Zettel zu: »Sie dürfen nicht mehr in mein Lokal kommen. Sonst lasse ich Sie durch Polizei hinausbringen. Ohne Herrn dürfen Sie nicht mehr herein.«

Die Mädchen stoßen sich an – lachen – kichern. Keine geht hinaus. –

Sonderbare Gäste begrüßen sich oft in diesen Gaststätten. In einer eleganten Bar im Westen findet der Besucher merkwürdige Trinkgenossen. Hochstapler, Fassadenkletterer,

siehe Bildunterschrift

H. Baluschek: Der Große Hut
(Auf der Galerie im Nachtlokal.)

Taschendiebe, Zuhälter, elegante Söhne aus vornehmen Familien, von denen man nie weiß, werden sie Bankdirektoren, Generaldirektoren oder Gesandte wie ihre Väter – oder werden sie auch dieselben Wege gehen wie ihre Abendfreunde. Wie z. B. jener ältere, wohlangezogene Herr, der einem an der Seite sitzenden Kriminalbeamten freundschaftlich die Hand reicht. Oder wie der Apachen-Max, ein zäher, energisch auftretender Mann von etwa dreißig Jahren, der allerdings jetzt von einer Krankheit geschwächt scheint, aber flott und herablassend seinen alten Freund, den Beamten, begrüßt, trotzdem ihn der schon einigemal verhören mußte. – Der Beamte stellte fest, daß er der Sohn einer Hofdame aus München war. Er geht in den hinteren Raum, der ebenso wie der Vorderraum mit dicken Teppichen, weißgedeckten und blumengeschmückten Tischen und vielen bunten Lampen ausgestattet ist.

Ohne ein Wort zu sagen, setzt er sich an einen Tisch, an dem eine elegante Dame sitzt. Sie war die Freundin eines Diebes, der einer Gräfin von ihrem Nachttisch eine sehr wertvolle Perlenkette stahl – heiratete ihn, nachdem er zu mehrjährigem Zuchthaus verurteilt war – ist aber jetzt schon wieder geschieden. Sie fragt den Apachen-Max ergeben, ob sie ihm Sekt und Austern bestellen dürfe. Er sagt nichts, sondern sieht sie nur an. Sie ruft rasch den Kellner und bestellt – und bohrt dann ihre rosige, beringte Hand in seine knochige Faust. –

Vorn an der Bar gibt es Skandal. Die Fini, eine lustige lebhafte Frau aus dem besetzten Gebiet, in elegantem Pelz, kommt mit anderen Frauen nach hinten gelaufen. Nur die jungen Leute mit den glänzenden Haaren und den blanken Shimmyschuhen bleiben noch vorn. Zwischen ihnen steht ein derber breitschulteriger Mann, der getrunken und gegessen hat. Er warf einen Hocker um, als der Kellner ihn zum Zahlen aufforderte:

»Soll ich hier die ganze Einrichtung in Scherben schmeißen?« fragt er. Der Beamte will ihn verhaften. Aber der Geschäftsführer bittet heimlich, das draußen zu machen. Er gibt dem Mann noch auf sein Verlangen fünf Mark und redet begütigend auf ihn ein. Das ist ja der bayrische Huber-Sepp, der Freund vom Apachen-Max. Der macht das immer so, wenn er kein Geld hat. Der schmeißt Tische und Stühle um und haut die ganze Bareinrichtung in Stücke. –

Als der Apachen-Max sieht, daß Huber sich Geld geben läßt, ist er zufrieden und sagt zu seiner Freundin: »Ich dachte, du hättest ihn herbestellt!«

Sie lacht und zieht ihn mit nach vorn, wo die kleine Kapelle auf einen Wink der lachenden und singenden Wirtin einen lauten Tanz geigt, paukt und bläst – während vor der Tür der Beamte dem Huber gütlich zuredet, mitzugehen zur Wache. –

Das gleiche Bedürfnis der zahlungsfähigen Schichten, möglichst unter sich zu sein, hat noch eine andere Art von Luxuslokalen hervorgebracht: die Kasinos. Auch sie sind nicht alle gleich. Das Kasino ist ein Zwischending zwischen Bar, Weinlokal und Kaffeehaus. In den großen mit vielen Teppichen und Stoffen geschmückten Räumen stehen weißgedeckte Tische und weiße Stühle. Eine Jazzkapelle spielt.

An einem Tisch ein junger, großgewachsener Mann in Smoking und weißer Weste. Sehr distinguiert. Ihm zur Seite eine ebensolche Dame in dunkler duftiger Spitzenrobe. Jung, blond, schlank, vornehm, stolz. Er behandelt sie wie seine junge Frau. Und hätte sie den glatten Reif auf dem Ringfinger, auf dem bunte Steine glitzern – man müßte sie für eine Dame der reichsten Gesellschaft nehmen.

Drüben eine lange Tafel. Männer von dunklem Typus. Mit geröteten Köpfen. Alle in schwarz. Zwischen ihnen Mädchen, denen schon der Sekt in den Kopf gestiegen.

Und überall Tische mit Männern, die ihren Frauen und Schwestern auch mal solch Lokal zeigen wollen. Die Familiendamen wundern sich weniger über die andern Mädchen, als über die hohen Preise – ein Mokka drei Mark! Und manche von ihnen sitzt und blickt unruhiger und unschicklicher umher, als »jene« ...

* * *

Nach Mitternacht. Erste Etage. Grell erleuchteter saalartiger Raum. Am Eingang eine Kapelle. Pausiert die, spielt jenseits an den Fenstern eine andere. An den kleinen runden Tischen Hunderte von Damen in großer Toilette. Blendende Hüte, weißseidene, duftige Chiffonkleider. Grüne Samtröckchen – ein flimmerndes Farbendurcheinander, fortwährend in Bewegung. Dazwischen Augen in allen Nuancen. Leuchtendes Haarblond. Dunkle, schwarze Flechten. Alle möglichen Frauenlinien. Schlank, hager, unruhig; voll, weich, phlegmatisch; glühend und fiebernd. Auf allen Tischen fast nichts als Sekt. Die Luft geschwängert mit Zigarettenqualm, Parfüm, Alkoholdunst und dem Geruch der Frauen. Ein unruhiges Flimmern von Farben und Formen vor den Augen.

siehe Bildunterschrift

V. Arnaud: Im Kasino. Aufforderung zum Jazz.
»Ich kann doch nicht Jazz tanzen, Gnädigste, aber ich möcht's ganz gerne lernen!«
»Da ist nichts zu lernen. Mit dem Jazz ist's wie mit dem Küssen: Lernt man nicht – kann man einfach.«

Noch später im Kasino. Zum lärmenden Jazzband wird gesungen. Alle Tische voll Sekt und Mokka. Die Mädchen die hindurchgehen, haben schon etwas Taumelndes an sich. Die Augen aller sind gerötet – vom Sekt, von der Nacht, vom Rausch, vom Verlangen ...

An allen Tischen laute Unterhaltung.

Und dort, wo ein junger Schauspieler aus Österreich in größerer Gesellschaft sitzt, wirft ein Mädchen die raschelnden Spitzenröcke lachend über den Kopf.


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