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Des Königs Tänzerin

siehe Bildunterschrift

Pesne: Die Tänzerin Barberina

»Damals tanzte die Barberina auf seinem Theater, die hernach der Sohn seines Kanzlers heiratete. Der König hatte diese Tänzerin in Venedig durch Soldaten wegnehmen und über Wien nach Berlin bringen lassen. Er war ein wenig in sie verliebt, weil sie Mannsbeine hatte. Unbegreiflich aber war, daß er ihr 32 Tausend Livres Salarium gab. Sein italienischer Poet, den er die Opern, wozu er beständig den Plan selbst entwarf, in italienische Verse setzen ließ, hatte nur 12 Hundert Livres Besoldung; man muß aber auch erwägen, daß er sehr häßlich war und nicht tanzte. Mit einem Wort, die Barberini bekam allein mehr als drei Staatsminister.«

In dieser Weise mokierte sich Voltaire über das hohe Einkommen jener Tänzerin, die zu den berühmtesten ihrer Zeit gehört und mit der Friedrich II. recht intim tat. Die Zeilen Voltaires verraten zwar großen Neid und seine Habgier. Und doch hatte er nicht so unrecht, wenn er es tadelte, daß eine Tänzerin ganz anders honoriert wurde als Männer, die wichtiger für den Staat waren. Das rechtfertigt wohl, wenn die Barberina und ihre Beziehungen zum König näher betrachtet werden.

Die Barberina stammt aus Parma, wo sie 1721 geboren wurde. Ihr Tanzlehrer, der berühmte Tänzer Tossato, brachte sie 1739 nach Paris, wo sie zum erstenmal in der Oper tanzte und ungewöhnlich starken Beifall entfesselte. Sie entzückte sowohl durch ihre Anmut wie durch ihr equilibristisches Können. Sie soll beim Hochsprung in der Luft achtmal die Beine aneinandergeschlagen haben, während es die berühmte Camargo nur auf viermal brachte. Sie galt sofort als erste Tänzerin Europas und erntete in allen Hauptstädten, in denen sie tanzte, jubelnden Beifall und große Geschenke.

Sie muß ein zielbewußtes Persönchen gewesen sein. Zwar bewarben sich zahlreiche Aristokraten um ihre Gunst. Aber sie scheint ihnen nicht entgegengekommen zu sein. Sie wollte geheiratet werden. Und weil das wohl besonders bei ihren englischen Verehrern nicht zu erwarten war, ging sie schließlich, wenn auch halb gezwungen, nach Berlin.

In Berlin fand man alle lobenden Meldungen von ihr bestätigt. Bielfeld hatte aus London von ihr geschrieben: »Wir haben eine Tänzerin, die an Schönheit eine Venus ist. Es ist die Italienerin Barberina. Ich schweige über ihre Vorzüge. Wer könnte sie schildern? Ich hüte mich, mich ihr zu nähern; denn sie könnte meinem Herzen gefährlich werden.«

Dem König war es angenehm, daß er eine solche Künstlerin in Aussicht nehmen konnte für das neue von Knobelsdorff erbaute Opernhaus, zumal seine erste Tänzerin mit dem Ballettmeister infolge einer Revolte des Ballettpersonals heimlich Berlin verlassen hatte. Er ließ seine Beauftragten in Venedig mit der Barberina verhandeln. Sie verlangte aber freie Wohnung, große und kleine Kleidung zum Tanz, 3000 Taler Gage und Erstattung der Reisekosten. Der König bot aber nur 2000 Taler. Da erklärte die berühmte Tänzerin ihren Rücktritt von den Verhandlungen. Sie hatte auch Aussichten, zu ihrem Ziel einer aristokratischen Heirat zu kommen. Ein englischer Lord wollte sie unbedingt heiraten.

Friedrich der Große jedoch setzte es durch, daß der venezianische Senat die Tänzerin festsetzte und sie seinem Vertrauten an der österreichischen Grenze auslieferte. Sie ward gewaltsam dem Einfluß ihres englischen Verehrers entzogen und traf im Mai 1744 in Berlin ein.

So ist sie also gewissermaßen per Schub nach der preußischen Hauptstadt gebracht worden. Kurz nach ihrer Ankunft mußte sie in den Zwischenakten der französischen Vorstellungen im Potsdamer Schloßtheater tanzen. Gleich bei ihrem ersten Auftreten soll sie durch ihr graziöses Wesen und durch ihre dezente Art gewirkt haben. Pikanter Gewaltsamkeiten soll sie sich nicht bedient, sondern nur einfache Mittel angewendet haben. Der König, der noch bis dahin wegen ihres Kontraktbruches böse auf sie gewesen sein soll, soll nach der Vorstellung geradezu entzückt ausgesehen haben.

Über das Äußere der Barberina hat ja Voltaire schon eine bissige Bemerkung gemacht. Sie hätte Mannsbeine gehabt. Unmöglich ist's ja nicht, daß gerade diese Eigenheit den König fesselte. Doch wird das allein ihn wohl nicht gereizt haben. Wird doch von ihr berichtet, sie sei eine richtige, echte, schöne und zierliche Italienerin gewesen. Groß scheint sie nicht gewesen zu sein, wenn auch Pesne sie groß darstellte – was andere nicht taten. Auch nannte sie ihr junger Engländer seine »kleine« Frau. Meist puderte sie ihr schwarzes Haar nicht – entgegen der Sitte der Zeit. Doch streute sie sich manchmal Brillantstaub auf die Locken. Ihr Benehmen wird südländisch lebhaft gewesen sein: soll sie doch eine große Geläufigkeit im Sprechen besessen haben. Auch muß sie eine bessere Schule genossen haben; außer ihrer Muttersprache konnte sie Englisch und Französisch, Deutsch aber nicht, was ja damals in der gebildeten Welt auch nicht nötig war, weil alles französisch sich unterhielt. Da sie witzig, belesen und spottlustig war, wird sie wohl dem König sympathisch gewesen sein.

Die heiß umstrittene schöne Tänzerin gilt nun als Königsliebchen. Doch wird von vielen Seiten ernsthaft bezweifelt, daß sie zu jenen Frauen gehörte, die in großem Stil von den Fürsten unterhalten wurden und längere Zeit in intimer Verbindung mit ihnen standen. Vor allem wird auf die Übersättigung Friedrichs II. hingewiesen, der schon in frühester Jugend die Freuden eines nahen Verkehrs mit dem weiblichen Geschlecht ausgekostet hatte. Diese Jugendfreuden hatte er selbst in größter Offenheit zugestanden und hinzugefügt, daß er das weibliche Geschlecht wohl liebe, aber nach dem Genusse verachte er es.

Seine vom Vater erzwungene Ehe scheint ihn auch dem weiblichen Geschlecht entfremdet zu haben. Ob er nun aber, wie Voltaire behauptet, sich anormalen Vergnügungen zugewendet habe, ist sehr ungewiß. Der zweiunddreißigjährige König entflammte gegenüber der schönen und geistreichen Tänzerin. Er trat zwar seine beabsichtigte Badereise nach Pyrmont am Tage nach dem ersten Auftreten der Tänzerin an. Bevor er abreiste, gestand er ihr jedoch ein Jahresgehalt von 3000 Talern zu. Und dann schrieb er ihr auch jenen Brief, der allerdings von einer großen Liebenswürdigkeit erfüllt war. Friedrich schrieb am 8. Juli 1744:

»Ich habe Ihren Brief erhalten, den Sie mir geschrieben haben, und da ich Sie selbst sprechen möchte, können Sie morgen nach Charlottenburg kommen, wo ich mich sehr freuen werde, Sie zu sehen.«

Interessant und weitergehend ist die Nachschrift: »Wenn Ihre schönen Augen bezahlt sein wollen, so müssen Sie sich zeigen. So wird es ein Vergnügen sein, Ihnen zu entrichten, was man Ihnen schuldet.«

Der König war sehr zufrieden mit ihren künstlerischen Leistungen und war gnädig in Worten und Taten. Ihre Gage soll auf jährlich 5000 Taler erhöht worden sein. Diesem materiellen Erfolg schien auch ein anderer Erfolg zu entsprechen. Seit der Zusammenkunft im Juli 1744 konnte die schöne Künstlerin mit der Neigung des Königs rechnen, die übrigens durch ihre Erfolge in den Tanzszenen der zur Hochzeit der Schwester Friedrichs Ulrike mit dem schwedischen Thronfolger aufgeführten Opern von Graun und Hasse nur verstärkt wurde.

Erst als der zweite Schlesische Krieg die Kräfte des Königs ganz beanspruchte, gab er aus dem Felde auf einen Bericht über die Oper und die Barberina die unwillige Antwort, es sei nicht die Zeit, jetzt an solche Bagatellen zu denken. Im Winter aber, als er wieder in Berlin weilte, lobte er die Schönheit der Barberina sehr in der Gegenwart von schönen Hofdamen, wie die Königin im Januar 1745 berichtet.

siehe Bildunterschrift

Pesne: Pygmalion. Sanssouci, Musikzimmer.
(Angeblich soll die Barberina zu diesem Bild Modell gestanden haben. Sie hatte einst große Erfolge in einem gleichnamigen Ballett.)

Und dann kamen die berühmten »parties fines« beim Grafen Rothenburg, an denen in Gegenwart des Königs außer einigen Damen der Gesellschaft – Frau von Brandt und die verwitwete Gräfin Troussel – auch die Barberina und einige andere Theaterdamen zu Abend speisten. Aus der Zeit der ersten geselligen Zusammenkunft besteht noch ein Brief des Königs an die Künstlerin:

»Ich habe, Mademoiselle, den Baron Sweerts (den Leiter der Oper) ganz genau instruiert, daß er Ihnen nicht lästig fallen soll. Ich bitte Sie nun, so liebenswürdig zu sein, tanzen zu wollen, wenn die Balletts der Oper es verlangen; was die Komödien anbetrifft, soweit sie wenigstens ohne Ballett sind, haben Sie die Wahl zu tanzen, wie es Ihnen beliebt.«

Die berühmte galante Nachschrift dieses Briefes lautet:

»Leben Sie wohl, schöne Barberina, bis zum nächsten Souper.«

Aus diesen Zeilen ist ohne weiteres noch nicht auf besonders nahe Beziehungen zu schließen, zumal an den Soupers ja auch zahlreiche andere Persönlichkeiten teilnahmen. Doch hinderte im Zeitalter der Galanterie derartige Geselligkeit nicht die intimsten Beziehungen, sondern förderte sie oft. Und da der sonst recht genaue König der Tänzerin auch im Monat März einen Kontrakt über 7000 Taler Jahresgehalt zugestand, wobei er sich nur vorbehielt, daß der Kontrakt seine Gültigkeit verliere, wenn sie heirate, kann man getrost annehmen, daß sie die besondere Gunst des Königs besessen habe. Zwar wurden damals alle Künstlerinnen ungewöhnlich hoch bezahlt. Die erste Sängerin der Oper bekam 6000 Taler jährlich. Aber ohne eine besondere Gunst wäre die Gage der Tänzerin sicher nie in so kurzer Zeit von 2000 Taler auf 7000 Taler erhöht worden. Eines aber ist gewiß: die Beziehungen des Königs zu den Frauen führten nie dazu, daß sie den geringsten Einfluß auf seine politischen oder sonstigen Handlungen erreichten. In diesem Sinne behielt er seine Größe. Vielleicht zogen ihn auch die Frauen wirklich nicht so an, daß ihn irgendeine hätte fesseln und beeinflussen können.

Die Barberina verherrlichte dann Ende Dezember 1745 die Siegesfeier für den zweiten Schlesischen Krieg. In den Zwischenspielen zu Grauns Oper »Hadrian in Syrien« erschien sie, mit gewaltigem Beifall begrüßt, in einem Reigen von Hirten und Hirtinnen, dann als Flora mit Gärtnern und Gärtnerinnen und zuletzt in einer Pantomime als Galathea.

Diese Pantomime muß in der Art der damaligen Zeit mit großem Aufwand an Kleiderprunk ausgestattet worden sein. Nach einer Rechnung aus jenen Tagen lieferten die Geschwister Hauchecorne an die Mademoiselle Barberina für den Tanz als Statue ein Bonnet von Velours, garniert mit Häher, eine große Häherfeder, einen großen Theaterhalsschmuck, Ohrgehänge, ein Bukett von Häher mit italienischen Blumen, Manschetten von feiner Seidenspitze usw.

Die ganze vornehme Männerwelt Berlins war von ihr entzückt. Und auch viele Frauen. Ja, ihr Ruf ging bald durch die ganze gebildete Welt. Auf den Straßen blieb man stehen und sah ihr nach. Die Porträtmaler rissen sich um sie.

Das war die beste Gelegenheit für den König, um zu zeigen, daß er noch nicht ganz weiberfeindlich war – so wenigstens wird behauptet. Wer aber Friedrich den Großen genauer betrachtet hat, wird sagen müssen, daß es ihm gewiß gleichgültig gewesen wäre, wie in diesem Punkte die Welt von ihm dachte. Er hat sicher ein ziemlich starkes Interesse für die Tänzerin gehabt. Er hatte ihr zuerst applaudiert und war sogar auf die Bühne gegangen, um ihr seine Anerkennung auszusprechen. Er nannte sie seine charmante Barberina und machte später Verse auf sie. Auch wurde er, der sonst sehr knauserig sein konnte, gegen sie verschwenderisch und behängte sie mit Brillanten. Das veranlaßte den ganzen Hof, ihr zu huldigen. Viele wollten ihr gefallen, um bei dem König gut angeschrieben zu sein. Widerliche Devotion zeigte sich – wie ja fast immer an Höfen.

siehe Bildunterschrift

Pesne: Pan und Syrinx. Sanssouci; Musikzimmer.

Aber viele verehrten sie wegen ihrer Schönheit. Und sie soll nicht spröde gewesen sein. Allerdings soll sie schöne Offiziere vorgezogen haben, wenn sie bemittelt waren. Vom Bankier Ephraim Potsdamer aber nahm sie ein Kollier im Wert von 2000 Laubtalern an, ohne ihm mit mehr als mit einem Lächeln zu danken ...

Ihr Haus in der Behrenstraße soll kein vereinsamtes und gemiedenes Heim gewesen sein.

Sie wurde aber auch vom König in Gesellschaft gezogen. Friedrich speiste wiederholt mit ihr auch an der sogenannten Konfidenztafel gegenüber der Bittschriftenlinde im Potsdamer Stadtschloß in vortrefflicher Gesellschaft zu Abend, oder er sah sie beim General Rothenburg nach der Oper. »Rothenburg,« schreibt der englische Gesandte Lawrence am 22. Januar 1746, »ist immer bei dem gegenwärtig, was die Franzose ›parties fines‹ nennen und wozu die Barberina, Frau von Brandt und die verwitwete Frau von Troussel gehören ...«

Bei Hofmaskenbällen hatte der König mit ihr sein tête à tête in ihrem verschlossenen Kabinett und trank mit ihr den Tee.

Von ihren Tanzkünsten sprach man noch dreißig Jahre später. Besonders aber von ihrem Auftreten in einem Divertissement: »Pygmalion und Psyche«, in dem Ballettmeister Lany als Pygmalion, seine Frau als Amor und die Barberina als Psyche tanzten. Eine »Erinnerung« meldet:

»So unvergeßlich die ganze Oper war, so ausnehmend schön war auch unter den Balletts die Vorstellung des Pygmalion mit seiner Galathea. Die so reizend gebildete Barberina kam, durch den Fußboden aufs Theater geschoben, ganz allmählich, wie die Sonne, wenn sie am Morgen hinter den Gebirgen hervorkommt. Sie stand als verfertigte Statue des Pygmalion so leblos da, als wenn alles Blut in ihren Adern erstarrt wäre. Lany aber, ihr Pygmalion, tanzte so einnehmend um sie und wußte den Göttern so lange zu schmeicheln, bis die empfindsame Venus sich zum Mitleiden bewegen ließ und dieser Puppe, dem Abgott seiner Seele, das Leben gab. Sie fing an, sich zu bewegen. Die Bewegung stieg nach Graden eines göttlich eingehauchten Funken, welcher um sich griff, bis er eine Flamme ward. Beide tanzten alsdann aus Dankbarkeit gegen die Götter so bezaubernd, daß auch steinerne Schönen hätten erweicht werden mögen.«

siehe Bildunterschrift

Pesne: Bacchus und Ariadne. Sanssouci, Musikzimmer

Trotzdem sie also wohl künstlerisch ihre Umgebung überragte, ließ sich der König doch nicht so weit von ihrer Anmut hinreißen, ihre Schwächen zu übersehen. Als sie anfing große Schulden zu machen, verlor sie seine Gunst. Ihr zum Schabernack zog er andere, minderwertigere Tänzerinnen vor. Und als sie nach abgelaufenem Kontrakt abreisen wollte, ohne ihre Modistin zu bezahlen, legte ihr der König einfach Polizeibeamte in die Wohnung. Das wurde ihr lästig, und sie zahlte. Sie reiste dann nach England, kam aber wieder und konnte den Mißerfolg ihrer Nachfolgerin auf der Opernbühne mit ansehen.

Das mußte sie sehr erfreuen, denn sie war mit bestimmten Absichten nach Berlin zurückgekehrt. Sie hatte wohl endgültig erkannt, daß die fest geschlossene englische Aristokratie nicht so leicht die Heirat eines ihrer Mitglieder mit einer Tänzerin dulden würde. Ihr Ziel, Heirat und gesellschaftliche Stellung trotz gelegentlicher Seitensprünge zu erreichen, hielt sie aber fest im Auge und glaubte es in Preußen leichter zu erreichen.

Zu ihren Verehrern gehörte, neben den Grafen Rothenburg und Algarotti, dem Ritter Chazot und vielen anderen Franzosen, Engländern, Italienern, Polen und Russen auch der Sohn des Großkanzlers Baron von Cocceji. Er war ein baumlanger und fast riesenstarker Mann, von sehr heftigem Temperamente. So oft Signora Barberina tanzte, wußte er sich einen Platz dicht an der Bühne zu verschaffen. Seine Leidenschaft für die schöne Tänzerin ging sehr weit.

Ein der Künstlerin feindlicher Tänzer wurde auf seine Veranlassung hin durch verkleidete Soldaten furchtbar verprügelt. Der König, der schon im Frühjahr 1746 das Liebesspiel mit der Tänzerin hatte erkalten lassen, schickte den Hitzkopf auf sechs Monate nach Spandau. Manche nehmen an, aus Eifersucht. Andere meinen, er mußte strenge sein, weil er kurz vorher erst einen scharfen Erlaß gegen Exzesse junger Leute herausgegeben hatte.

Seine Neigung scheint jedenfalls wesentlich abgekühlt gewesen zu sein. Ihr Vertrag, der 1748 abgelaufen war, wurde nicht erneuert. Sie tanzte zwar noch einige Monate im königlichen Ballett und auch mehrmals in Potsdam. Sie wohnte aber nicht etwa in dem Palast Barberina. Dieser ist auch nicht für sie gebaut worden, sondern wurde erst 1771 errichtet, nach dem Vorbild des Palazzo Barberini in Rom. Übrigens ist er gar nicht ein richtiger Palast, sondern wie viele Potsdamer Gebäude nur eine prunkvolle Palastfassade, hinter der zwei schlichte Bürgerhäuser, das Schulzesche und das Dickowsche, versteckt wurden. –

Als die Barberina im Sommer 1749 aus England zurückkehrte, erklärte der junge Cocceji deutlich seine Absicht, sie heiraten zu wollen. Seine Mutter flehte den König an, einzugreifen. Der König, der schon lange nicht mehr gut auf seine Tänzerin zu sprechen war – er hatte sie ja auch vor ihrer Abreise nach England schon zum Schuldenzahlen zwingen müssen –, ließ ihr mitteilen, er werde sie aus dem Lande verweisen, in dem sie nur Unheil stifte.

Trotzdem fanden die beiden Liebenden Mittel und Wege, sich 1749 heimlich trauen zu lassen. Der Großkanzler Cocceji (derselbe Richter, der die Aufhebung der Tortur veranlaßt hatte), wollte die Ehe rückgängig machen: »Welche Familie wird sich mit der meinigen assozieren, wenn dieses lüderliche Weibsbild à la tête ist!«

Der König aber legte den Familienzwist gütlich bei, trat für den Sohn ein und schickte ihn als Oberamts-Regierungspräsidenten nach Glogau.

Die Tänzerin war nun Frau Präsidentin. Sie hatte ihr Ziel, glückliche Heirat und gesellschaftliche Stellung, erreicht.

Die so heiß begehrte Ehe dauerte auch scheinbar vierzig Jahre, jedoch hatten die Gatten sich schon nach zehn Jahren, nämlich 1759, getrennt. Cocceji lebte mit der »Liebe seines Lebens«, der Witwe Christiane Charlotte Knappe zusammen. Die Barberina aber zog auf ihr Gut Barschau und ließ sich 1789 zur Gräfin Campanini erheben, wofür sie ihre Güter in ein frommes Fräuleinstift umwandelte.

So endete eine gefeierte Schönheit, die so manchem ihrer Verehrer ihre Gunst geschenkt hatte, als Stifterin und Wohltäterin – wie so viele ihrer Art, wenn sie gute Rechnerinnen gewesen waren.

Daß sie ihren Ruhm nicht nur ihren künstlerischen Qualitäten, sondern auch den Qualitäten ihrer Erscheinung zu verdanken hatte, beweisen die zahlreichen Gemälde, die Pesne von ihr für den König malen mußte – bald als Venus, bald als Diana, als Nymphe, Pomona, als Bacchantin und in vielen anderen Entkleidungen, die so weit gingen, daß sie schließlich nur mit einem Siegelring bedeckt war. Diese Bilder voll saftigster Sinnlichkeit waren über alle Schlösser verteilt: ein Zeichen von ihrer Massenhaftigkeit, ein Zeichen, was sie Friedrich II. bedeutet hat.

Zwar haben nach manchen Forschern die berühmten Bilder auf Sanssouci, mythologische und sentimentale Szenen, nichts mit der Tänzerin zu tun. Da aber das herrliche Porträt in ganzer Figur mit dem Tambourin früher im Arbeitszimmer des Königs im Berliner Schloß gehangen hat, wird das Volk im gewissen Sinne recht haben, wenn es diese Bilder mit der jugendlichen Künstlerin verbindet und in der schönen Tänzerin die Geliebte des Königs gesehen hat – die, während draußen der Donner blutiger und siegreicher Schlachten dröhnte, in den kerzenbestrahlten Zwischenspielen der Oper ihre Ballettsiege ertanzte.

Eine Ehrenrettung König Friedrichs II. in dem Sinne, als sei die schöne Barberina nie als Weib von ihm gewürdigt worden, würde den geistvollen König wohl selbst zu einem herzhaften Gelächter veranlaßt haben. Er war durchaus ein Kind seiner Zeit, in der die Darstellung mythologischer Szenen und Tanzspiele feinster Art in die höfische Galanterie gehörten und auch die fast übermäßige Sinnlichkeit der damaligen feinen Gesellschaft begleiteten – und besonders der Hofgesellschaft, die ja in Berlin und Potsdam die gleiche war. Es dürfte deshalb auch gerechtfertigt sein, wenn hier eine Anzahl Bilder und Skulpturen aus Potsdam veröffentlicht werden: sie gehören zur Erläuterung des Hoflebens unter Friedrich II.

Im Bilde Friedrichs II. würde eine Wesenslinie fehlen, wenn nicht die schöne Barberina, die weltberühmte, seine Tänzerin geworden wäre, halb mit Gewalt gezwungen, halb ihn mit ihrer Kunst und ihrem Können bezwingend. – – –


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