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Galante Bildwerke

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C. Agthe: Das Echo.
(Übergangsbild vom Genre zur unbefangenen Nacktkunst aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.)

Wenn hier von den als unzüchtig anzusehenden oder irrtümlich angesehenen Bildwerken gesprochen wird, so deswegen, weil Kunstwerke im allgemeinen nicht als unzüchtig angesehen werden. Bei ihnen kommt ja nur selten ein erotischer oder sexualer Selbstzweck in Frage – wenn auch bekannt ist, daß in unzähligen Kunstwerken der große Naturtrieb vom Mann zur Frau als Ursprungsmittel wirksam gewesen ist. Die Form aber adelt den Ursprung. Auch war der Ursprung meist durchaus reinen Triebes. So rückständig oder altjüngferlich oder gar zelotisch ist unser Empfinden nicht mehr, daß wir alles, was mit dem großen Gottestrieb der Zeugung und Weiterpflanzung des Lebens zusammenhängt, für verdammenswert und »niedrig« halten.

siehe Bildunterschrift

K. Kiesel: La Petenera.
(Beispiel für die verschleierte sentimentale Sinnlichkeit um 1880, wie sie auch die damalige Kunst beherrschte.)

Vor wenigen Jahrzehnten aber kam es noch zu einem Prozeß um das Bild »Das Märchen« von Gräf, dessen Geschichte in dem Kapitel »Galante Skandale« geschildert wird. Der Prozeß führte zum Freispruch des Künstlers. Es konnte gar kein Zweifel sein, daß sein Werk ein reines Kunstwerk war. Mit einer gewissen künstlerischen Ehrlichkeit wandte es sich an die damals recht vertrocknete und prüde Kunstanschauung. Diese damalige Auffassung wandte sich auch gegen die Verbreitung von Kunstwerken durch Postkarten. Allerdings wurden die Sujets der klassischen Vorbilder dieser Postkarten nicht immer als Kunst, sondern vielmehr jetzt als Sache empfunden. Inzwischen hat das Kunstempfinden einen wesentlich verbreiterten Boden im Volke gewonnen. Auch ist ein allgemeiner Wandel in der Anschauung und Empfindung sexual betonter Kunst eingetreten. Vor allem wird das Nackte nicht mehr von vornherein von der Masse nur als unsittlich empfunden und genossen. Der Film »Kraft und Schönheit«, der neben manchem Kitsch auch viele schöne und eindringliche sowie überzeugende Teile brachte, wäre vor zwanzig Jahren in der Öffentlichkeit unmöglich gewesen. Jetzt hat er sicher mehr zu künstlerischem Sehen und zu verfeinerter und stärkender Körperkultur angeregt, als zu erotisch schwülen Stimmungen.

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Ausschnitt aus einer modernen Trickzeichnung, die den heutigen galanten Typ skizziert.

Es ist inzwischen ein bemerkenswerter Wandel auf dem Gebiet der erotischen Kunst eingetreten. Erotische Motive wurden vor zwanzig und mehr Jahren fast immer ohne Kunst behandelt. Jetzt sind sie fast nie ohne künstlerische Bedeutung. Aber auch die Trickzeichnungen, die jetzt als neueste erotische Sensation im Pornographiehandel angeboten werden, sind oft mit einem zum mindesten kunstgewerblichen Schmiß und Geschmack hergestellt. Sie müssen natürlich als unzüchtig angesehen werden – da ja ihr Zweck auch ist, mit ihrem sachlichen Inhalt besondere Vorteile zu erzielen.

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Ausschnitt aus einer Trickzeichnung, die den modernen galanten Typ darstellt.

So scharf und glühend erotisch wie etwa die japanische Kunst, die auch in Deutschland als Pornographie und nicht nur als Kunst gehandelt wird, wird wohl die deutsche Kunst nie werden. Die ältere deutsche Kunst war zwar da, wo sie erotisch sich ausdrückte, mehr derb. Selbst Lossow, der in den Jahrzehnten vor 1900 erotisch betonte Nacktstudien ausstellte, (siehe Beilage) war aber doch nie orgiastisch wie die Japaner.

Auch in der früheren deutschen Kunst finden wir nie jene Hüllenlosigkeit der Asiaten. Gewisse Dinge verschloß der deutsche Künstler in seiner Seele. Das blieb sein Eigentum. Auch im Mittelalter, als man noch naiv und vorurteilslos war.

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L. Cranach: Liegende Nymphe

In der Zeit, als eine gewisse erotische Einsteilung auf die Hofkreise beschränkt war, trat man den Äußerungen der Kunst im allgemeinen vorurteilslos entgegen. Man denke nur an die Cranach-Bilder des 16. Jahrhunderts! Wenn auch in den verliebten Hofkreisen nur wenig erlesene Dichter und Künstler zu Worte kamen – Cranach machte in seiner überragenden Bedeutung vieles gut. Und seine Werke sind in ihren unverhüllten Darstellungen ein Beweis, daß der Hof trotz seiner derben Galanterien, die sich meist auf Jagden und Gastereien austobten, doch auch freieren und heiteren Sinn für erotische Kunst hatte.

Auch das 18. Jahrhundert zeigt den Hof und den Kreis um den Hof herum für erotische Bildwerke sehr empfänglich. Hunderte und aber Hunderte von Plastiken, meist auf Verlangen Friedrich II. ausgeführt, beweisen, daß die größte Sinnenfreude als selbstverständlich empfunden wurde. Erst dem bürgerlichen Zeitalter blieb es vorbehalten, in gewissen Kunstwerken Verdammenswertes zu erblicken.

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Urteil des Paris.
Berlin, Schloßmuseum, Cranach-Schule.

Im 19. Jahrhundert lieferte die deutsche Kunst wenig derartige Werke wie Grafs Märchen. Es war Frankreich, das die Welt mit Abbildungen von meist unerhört geschickt gemalten, mehr oder weniger erotisch betonten Bildern aus den Ausstellungen des »Pariser Salons« versorgte.

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Lowis Corinth um 1900: Das Strumpfband

Die neue Zeit mit ihren aufwühlenden Tendenzen hat auch der deutschen Kunst eine kräftigere erotische Farbe gebracht. Corinth war in einigen Beiträgen zum »Venusberg« sachlich vielleicht zu grell geworden. Aber er war nicht pervers, sondern eher recht deutlich grundnatürlich gewesen. Er zog dann einige Motive zurück. Und das brachte ihm selbst eine Karikatur ein, in der er gezeigt wurde, wie er sich von seinen früheren sinnenfrohen Motiven und Darstellungen abwandte. Alterserscheinung.

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Der Ehemännerzug. Titelbild einer galanten Zeitschrift.

Der bedeutendste unter den jungen deutschen Künstlern, die erotische Motive ohne Scheu und Diskretion behandeln, ist Georg Groß. Vor 35 Jahren in Berlin geboren – ist er in Pommern aufgewachsen, hat in Dresden und Berlin Kunstschulen besucht und trat dann mit Blättern und Mappen in die Öffentlichkeit, die ob ihrer sozialen und sexuellen Rücksichtslosigkeit ebenso aufleuchteten, wie ob ihrer enthüllenden Kunst. Ob er mit seinen klassenbewußten Anklagen gegen bestimmte Bevölkerungsschichten das Richtige getroffen – auch seine erotischen Motive sollten anklagen und explosiv wirken – ist die Frage. Denn gerade die erotischen Bedenklichkeiten und Scheußlichkeiten sind Eigentum aller Klassen. Es ist kindisch, hier ein Klassenideal aufrichten zu wollen, unter das nun alle anderen Klassen in den Kot geworfen werden müssen. Es handelt sich bei der galanten Kunst meist nur um Entspannungsmöglichkeiten durch Symbolbefriedigung, wie D. von Behr gelegentlich ausführt.

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Titelbild einer galanten Zeitschrift zur Inflationszeit.

Krimminalpolizeirat von Behr kommt zu diesem Schluß:

»Das Bedürfnis nach diesen Kunsterzeugnissen entsteht also nicht aus Lasterhaftigkeit und Sündhaftigkeit der Menschen, auch ist es nicht hervorgerufen durch eine künstliche Überreizung der Phantasie. Nein, Armut an Phantasie, Armut an phantasiebildender Kraft und dennoch Sehnsucht nach ihr als einzigem Ausweg sind die Ursachen. Der Kitsch in der Literatur, im Kino, in der bildenden Kunst im Schauspiel usw. muß als Palliativ angesehen werden, das zurzeit gar nicht entbehrt werden kann. Die Triebe finden durch ihn wenigstens eine gewisse Ablenkung. Würde man diese Ablenkungsmöglichkeit nehmen, so würde man eine Stauung herbeiführen, die leicht zu einer gewaltsamen Entladung führen könnte.«

Für viele ist dann erotische Kunst ein Palliativ. Ja, sie halten erotisches Kunstgewerbe für Kunst und freuen sich ihrer. Die Zeitschriftenliteratur bietet hier Massenware.

Außerdem aber wandern noch Blätter und Mappen umher, die viel kühner und prägnanter im Vorwurf sind. Sie schießen inhaltlich und auch in der Form ganz aus modischem Wesen, aus überhitzter und pervers angekränkelter Manier hervor. Sie sind gefüllt mit dem Parfüm der Likörstuben und dem aufpeitschenden Rausch der Kokainsucht. Sie zeigen den modernen Typ der körperlich und seelisch sich Exhibitionierenden, der hysterischen Wollust. Sie sagen auch diesem Typ zu. Nicht ohne Schwung und Grazie nähern sie sich der erotischen Schamlosigkeit der Japaner.

Aber sie verschwinden als Menge doch noch hinter dem großen Angebot der großen gegenständlichen Kunst. Sie sind ein Zeugnis, daß die klare unerotische Enthüllung, wie sie die große Kunst und die moderne Nacktkulturbewegung bringt, nicht mehr allen Kreisen genügt. Es gibt immer Menschen, die wollen erotisch betonte Kunst, Enthüllungs- und Verhüllungskunst, aufreizende Tricks und Phantasien. Die sachliche Nacktheit läßt sie kalt.

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Philipp Zehden, Der Fächer.
Aus einer modernen galanten Zeitschrift.

Und die große Kunst gibt sich nicht dazu her. So bleibt nur das Surrogat des erotischen Kunstgewerbes.

Das graphische Kunstgewerbe betätigt sich, soweit erotische Motive in Frage kommen, hauptsächlich in Zeitschriften. Derartige Zeitschriften gab es in Deutschland vor etwa vierzig Jahren überhaupt noch nicht. Erst die in den achtziger Jahren gegründeten »Lustigen Blätter« wagten hier und da einmal eine erotische Anspielung. Die »Jugend« und der »Simplicissimus«, beide vor etwa dreißig Jahren gegründet, wurden schon manchmal dreister. Doch wahrten sie immer einen hohen künstlerischen Standpunkt. Ihr eigentliches Geschäft war nicht erotisches Kunstgewerbe.

In jenen Jahrzehnten bezog Deutschland seinen Bedarf an erotischem Kunstgewerbe fast ausschließlich aus dem Ausland, aus Wien und aus Paris. Erst um die Jahrhundertwende erschien in Deutschland der »Satyr«, der hauptsächlich mit erotischen Anspielungen sein Geschäft machte. Er war aber mehr derb, wie auch eines seiner Titelblätter aus dem Jahre 1910 zeigt, das sich über den Ehemännerzug zur Ostsee lustig machte.

Die unruhigen Zeiten nach dem Kriege brachten aber auch dem Deutschen Reich eine Anzahl erotisch betonter Zeitschriften.

Mit einer gewissen Eleganz traten immer noch Wiener Witzblätter auf. Doch fingen einige Berliner Zeitschriften an, ihnen nahezukommen. In ihren Anfängen waren sie manchmal noch ein wenig schwerfällig. Sie entwickelten sich jedoch und wurden geschmackvoller und auch künstlerischer. In den Jahren 1924 und 1925 brachten sie manchmal hochwertige künstlerische Beiträge erster Künstler.

In jenen Jahren erschienen sehr viele Nacktdarstellungen in den erotischen Zeitschriften. Sie waren nicht ohne Grazie – gingen dann aber wegen der vielen Anklagen, wie z. B. das Bild von Philipp Zehden zeigt, zu scheinbar vorsichtiger Verhüllung über. Diese Verhüllung wirkte natürlich erst recht erotisch. Aber sie entsprach gewissen Anforderungen. Die Anklagen, die besonders häufig auf rheinischen Ursprung zurück gingen, nahmen ab.

Neben den Zeitschriften, die offen und ehrlich mit der Erotik ein Geschäft machen wollen und die meist die Erotik zur Zielscheibe des Spottes und Witzes machen, erscheinen in Deutschland einige Zeitschriften, die wohl auf manche Menschen erotisch wirken können – wie ja auch große Kunst nicht von allen als Kunst aufgenommen, sondern von manchen nur stofflich und daher abstoßend empfunden wird. – Diese Zeitschriften aber sind darum nicht eigentlich erotisch aufzufassen, weil sie durchaus nicht erotisch, sondern erzieherisch wirken sollen. Hierher gehören besonders die Zeitschriften von Adolf Koch und ähnlicher Idealisten. Sie wollen die Menschen aus dem Schmutz heraus heben, wollen eine reinere Auffassung der menschlichen Gestalt und der Erlebnisse. Das sexuelle Moment tritt bei ihnen fast bis zum Verschwinden zurück. Sie verfolgen vor allem moralische, gesundheitliche und ästhetische Ziele. Meistens sind sie Organe von Weltanschauungsgruppen, die bald von völkisch-nationalem Geist, bald von international-kommunistischer Tendenz erfüllt sind. Sie alle huldigen der Nacktkulturbewegung.

So sind denn auch die Abbildungen in den Zeitschriften jener Gruppen nur reiner Körperkultur gewidmet. Die Bekleidungskoketterie wird ganz ausgeschaltet und überreizte Erotik abgedämpft.

Allerdings gibt es auch eine Zeitschrift dieser Art, die viele minderwertige Kunstwerke reproduziert. Doch legt sie ihr Hauptgewicht auch auf die Körperkultur. Aber nicht jene unbedingte hygienische Körperkultur, wie sie die Anhänger der reinen Nacktbewegung wollten. Sie will »Schönheit« in etwas salonfähiger Art, ein wenig modisch und »gesellschaftsfähig« angehaucht. Immerhin ist auch sie ernst zu nehmen, gerade deswegen, weil sie eine gute Körperkultur auch in jenen Kreisen propagiert, die sonst vielleicht sich nur den flachesten Modespielereien hingeben würden.

Da erotische Bildwerke und Zeitschriften oft die gleiche Tendenz und Wirkung haben, gilt für die Zeitschriften das gleiche, was über die Bildwerke gesagt ist. In den Zeitschriften selbst berühren sich ja nur zu oft Kunst und Kunstgewerbe.

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Titelbild einer galanten Zeitschrift aus neuerer Zeit.

Außer den Bildwerken und Zeitschriften werden noch durch billige Vervielfältigung galante Photos, Postkarten und ähnliche Erzeugnisse der Bevölkerung zugänglich gemacht. Hier liegen natürlich gewisse Gefahren, namentlich wenn besonders gepfefferte Darstellungen, die das Gebiet des Galanten verlassen und ins raffinierte oder derb Unzüchtige hinabsinken, heimlich verbreitet werden. Zur Bekämpfung der Auswüchse auf diesem Gebiet besteht für Deutschland schon seit vielen Jahren eine Zentralstelle beim Berliner Polizeipräsidium. Durch diese Zentralstelle ist schon seit Jahren der gewerbliche Vertrieb von Unzüchtigkeiten jeder Art erfolgreich bekämpft und auch mancher Mißgriff gegen künstlerische Interessen verhindert worden. Auch bestanden vor dem Kriege schon internationale Vereinigungen zur Bekämpfung der Pornographie.

Im Anfange des kriegerischen Zeitabschnittes spielte der Pornographienhandel so gut wir gar keine Rolle in Deutschland. Das änderte sich später und gegen Ende des Krieges kam durch die Etappe mancherlei ins Land. Noch schlimmer wurde es nach dem Schluß des Waffenstillstandes. Anfang des Jahres 1919 wurden auf dem Potsdamer Platz zu Berlin ganz öffentlich von Straßenhändlern die gröbsten Pornographien feilgeboten. Doch gelang es bald der Polizei, diesem Treiben Einhalt zu tun. Ein anderes ist aus dieser Zeit geblieben.

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Lossow um 1900: Am Morgen

Während vor dem Kriege Deutschland lediglich Importland, wenigstens für grobunzüchtige Lichtbilder war, entwickelte sich nun in der Inflationszeit und in der Zeit der Grenzsperre eine große heimische Pornographieindustrie. Es bestand ein erhebliches Bedürfnis nach Pornographien, die Händler rissen sich um die Ware. Da man vom Auslande nur allenfalls von Österreich kaufen konnte, so griffen geschäftstüchtige Unternehmer die Gelegenheit auf, um in Deutschland Pornographien herzustellen. Modelle waren in der Zeit der Not und der Verwilderung der Sitten überall leicht zu haben. Diese Erzeugnisse dienten jetzt nicht nur zur Deckung des inländischen Bedarfes, sondern sie wurden auch gegen hochwertige Valuta ins Ausland exportiert. Deutschland wurde Exportland für Pornographien.

Glücklicherweise ist die Ausfuhr in der letzten Zeit zurückgegangen und wir können hoffen, daß die Festigung unserer Währung weiter zum Versiegen dieses, das deutsche Ansehen so schwer schädigenden Handels beitragen wird.

Allerlei Pornographien wurden auch bei den sogenannten Herrenabenden vorgeführt. Es waren das orgiastische Vergnügungen, die gewisse Sport-, Rauch-, Spiel- und sonstige Vereine meist einmal im Jahr veranstalten.

Vorgetragen wurden grob unzüchtige Lieder, gezeigt wurden grobunzüchtige Zeichnungen und Bilder, auch Filmstreifen und gespielt wurden auch Theaterstücke oder pantomimische Darstellungen mit grobunzüchtigen Geschlechtshandlungen. Man ist versucht anzunehmen, daß es sich hier um eine Reaktion gegen die herkömmliche Moral handelte.

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Deutsche Aktaufnahme neuerer Zeit, beeinflußt von Nacktkultur.
Unbeanstandetes gutes Beispiel.

Diese Darbietungen brachten den Zuschauern durch Mitempfindung des Dargestellten Entspannung der sonst durch das sittliche Gewissen zurückgestauten Triebe und ermöglichten es ihnen vielleicht dadurch, während der übrigen Zeit des Jahres die üblichen Schranken der Sitte innezuhalten. Jedenfalls handelte es sich hierbei nur um eine vorübergehende Erscheinung, die in der Hauptsache wohl dafür diente Affecte abzureagieren, die durch die Überreizung der Zeit überspannt worden waren.

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Atelieraufnahme 1926.
Wird unbeanstandet ausgestellt und verkauft.

Die Herrenabende solcher Art waren ein Zeugnis dafür, daß viele Menschen in der Betrachtung von galanten Abbildungen einen völligen Ersatz für die Tatbefriedigung finden. Unbeschwert von Gewissensbissen kann man wenigstens im Bild mancherlei Neigungen fröhnen. Da aber eine schrankenlose Pornographieverbreitung sehr schädlich auf die Jugend wirkt und auch allgemein das geschlechtliche Schamgefühl und Feingefühl abstumpft, muß sie überwacht werden. Die intimen Sexualvorgänge müssen ihrem Wesen entsprechend geheim bleiben. Nur im geheimen können sie ihre Schönheit entfalten. Deshalb wird die gewerbliche Verbreitung von Pornographien bestraft. Hat doch die Allgemeinheit ein großes Interesse an einem gesunden sexuellen Empfinden ihrer Mitglieder.

Nicht alle unzüchtigen Photographien entstehen zur gewinnbringenden Verbreitung. Ein Unternehmer hatte sich z.B. eine eigene große Kollektion von Nacktbildern hergestellt. Die Modelle waren diesmal keine Dirnen, sondern seine weiblichen Büroangestellten, die z.T. unter wirtschaftlichem Druck, z.T. aus Freude an der Sache sich vor dem photographischen Objektiv entblößt hatten. Diese Bilder kamen nicht in den Handel.

Ein anderer Mann im Süden Berlins, ein besserer Handwerker, hatte Hunderte von Mädchen aus seiner Gegend nackt photographiert. Er hatte jeder drei bis sechs Mark gezahlt und sie auch unter Vorsichtsmaßregeln geschlechtlich benutzt. Seine Objekte waren alles »harmlose« Kleinbürger- und Arbeitertöchter seiner Gegend, die zu ihm gingen, wenn Not oder Naschsucht ihnen einen kleinen Erwerb nützlich erscheinen ließ. Es hatte sich herumgesprochen, daß der Besuch bei ihm ungefährlich sei – und so liefen ihm die Mädchen bedenkenlos zu. Kisten voll unzüchtiger Platten mußten aus seiner Wohnung geschafft werden.

Diese kamen nicht in die Öffentlichkeit. Aber die Aufnahmen, die ein früherer Gutsbesitzer von seiner Liebsten machen ließ, wurden auf der Post und beim Photographen gestohlen. Auch manche Bilder, die nur zum Tausch angefertigt wurden – Tausch und Privatbesitz unzüchtiger Bilder ist nicht strafbar – nur der gewinnsüchtige Handel – kamen schließlich zum Verdruß der Modelle und Hersteller in den Handel ...

Nicht alle Bilder, die als unzüchtig angepriesen werden, sind unzüchtig. Paris, das vor dem Kriege hauptsächlich Beischlafbilder sandte, schickt jetzt nur Halbnackte und bietet auch Revuebilder als Pornographien an. Die Pariser Nachkriegsbilder zeigen durchschnittlich Besserung der Sitten. Allerdings inserieren in Pariser Zeitschriften allein augenblicklich 40 Firmen anzügliche Sachen. Ob diese »pikanten Neuheiten« alle unzüchtig sind, ist zu bezweifeln. Trotzdem darf nicht vergessen werden, daß Paris in seiner ganzen unsittlichen Produktion bisher immer das Alkovenerlebnis betont hat.

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Ruhe im Grünen (Beispiel für eine einwandfreie Nacktaufnahme.)

Auch Deutschland bevorzugte früher solche Aufnahmen. Schönheit war Nebensache. Die Geschlechtsmerkmale waren die Hauptsache. Die Technik und die Modelle waren häufig roh und zeigten alte Gesichter und die üblichen kleinbürgerlichen Geschmacklosigkeiten, ja sogar tuberkulöse und rachitische Gestalten.

Das hat sich nach dem Kriege wesentlich geändert. Die Technik der Aufnahme hat sich gesteigert. Ästhetisches Gefühl und künstlerische Kultur wirken auch hier.

Die Nacktkultur hat hier reformiert. Die Be- und Entkleidungsszenen, die vor 1900 üblich waren, sind so gut wie verschwunden, ebenso auch die Trikotbilder von 1900-1905. Freiaufnahmen ohne Zierrat, wirklich schöne Frauen sind jetzt in der Mehrzahl.

Dieses reine Nackte wirkt zweifellos so natürlich, daß die Lüsternheit hier keinen Anreiz findet. Wer an diesen gesunden Abbildungen Freude empfindet, wird Pornographien verabscheuen. Nur krankhaft Schüchterne und sexuell Unsaubere und andere Bedauernswerte werden in der Pornographie einen Ersatz suchen. Doch brauchen wir nichts Erdrückendes zu befürchten. Die Allgemeinheit ist nicht eingestellt auf die eigentlich böswillige Pornographie. Das von der Berliner Zentralstelle zusammengestellte Zahlenmaterial beweist, daß die Bestialitäten und Perversitäten verschwinden gegen die einfachen weiblichen Akte. Das ist der untrügliche Beweis für die gesunde und natürliche Sinnlichkeit unseres Volkes.

siehe Bildunterschrift

Aus einem Inserat eines Institutes für Körperpflege.
(Gutes Beispiel.)

Auf anderen Gebieten übersieht das Volk meist die absichtlich eingestellte Erotik. Die Reklame in Zeitungen, Zeitschriften und bei anderen Gelegenheiten, die oft mit erotischen Motiven arbeitet, wird meist ihren Zweck verfehlen. (Bild S. 200)

Doch darf die Wirkung der in den verschiedensten Formen auftretenden und das ganze Leben durchdringenden erotischen Motive und Anspielungen nicht überschätzt werden. Schließlich wirkt am stärksten der Mensch selbst. Die Menschen aber wissen doch immer wieder den richtigen Weg zu finden zu einem der köstlichsten Güter des Menschenlebens: der mit Geist und Gemüt versöhnten und erfüllten edlen Sinnlichkeit.


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