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Circe im Königsschloß

Keinem Prinzen, und besonders keinem Erbprinzen, werden Versuchungen erspart bleiben. Entweder wollen ihm irgendwelche Hofschranzen gefällig sein und sich seine Dankbarkeit erwerben. Oder sie wollen ihn in Intrigen einspinnen, ihn vielleicht auch unschädlich, unfähig und abhängig machen. Manchmal allerdings sind auch wohl die Eltern besorgt um ihren Sohn und glauben, es ist besser, sie leiten auch seine Schritte auf dem galanten Gebiet, als daß unübersehbare und unkontrollierbare Erlebnisse schließlich verderblich wirken.

Unter diesem Gesichtspunkt ist wohl die Sorge der Königin Sophie Charlotte um ihren Sohn, den späteren Friedrich Wilhelm I., zu verstehen. Allerdings muß auch die Zeit bedacht werden. Um 1700 empfanden die Mütter, insbesondere, wenn sie Königinnen waren, in den Fragen des galanten Lebens vorurteilsfreier und fürsorglicher. –

Es ist noch ein Billett Sophie Charlottens vorhanden, geschrieben an ihre Vertraute, Fräulein v. Pöllnitz, in Ermangelung von Papier auf ein Kartenblatt; Varnhagen hat es in der Biographie der philosophischen Königin abdrucken lassen. Es heißt in diesem Billett: »Dites au Comte de Dohna, qu'il ne s'oppose pas aux diverses galanteries duprince royal, l'amour polit l'esprit et adoucit les moeurs. Mais qui il diverse son goût, qui il ne porte sur rien de bas.« Später bezog sich Friedrich der Große ausdrücklich gegen den Grafen Schulenburg, der ihm Vorstellungen über seine Ausschweifungen machte, darauf, »que le Roy même à aimé le sexe pendant sa jeunesse«. Friedrich Wilhelm beschuldigte später seine Mutter selbst, ihn gänzlich verzogen zu haben.

Als Friedrich Wilhelm I. zur Regierung gekommen war, ging es ihm wie damals allen regierenden Männern. Man wollte ihm eine Falle stellen. Wußte man doch, daß auch er, der allzu gediegene Hausvater, in seiner Jugend »Galanterien« gehabt hatte, denen seine Mutter Vorschub geleistet.

Als Ehemann aber hat der Vater Friedrichs des Großen alle Versuchungen von sich abprallen lassen. Und die waren in der damaligen Welt gewiß nichts Seltenes am Hofe eines doch immerhin schon ziemlich bedeutenden Fürsten. So berichtet Pöllnitz über ein solches Unternehmen, das den Fürsten in Mätressenhände bringen sollte:

»Unter den Hofdamen der Königin befand sich damals (1716) ein Fräulein von Wagnitz. In Ansehung ihrer Figur sah man nichts Reizenderes am ganzen Hofe; aber ihr Verstand entsprach nicht ihrer Schönheit. Indessen war sie kokett genug, um niemanden von sich zu weisen, und prachtliebend genug, um es allen übrigen Frauenzimmern gleich, wo nicht gar zuvor zu tun. Sie hatte aber nicht hinlängliches Vermögen, um die Kosten dazu bestreiten zu können. Ihr Unglück war, daß sie von einer Mutter geleitet wurde, deren Charakter wenig Achtung verdiente. Das Ungefähr hatte diese vom Lande herbeigeführt und sie zur Hofmeisterin der Markgräfin Albert gemacht. Da ihr Geist von Natur zur Intrigue geneigt war und sie ebenfalls eine ziemliche Portion Koketterie besaß, hatte sie in kurzer Zeit die Hofmanieren und Kabalen angenommen, wobei sie um so größere Fortschritte machte, da sie eine gewisse Einfalt der Sitten beibehielt und eine Miene der Gutherzigkeit und Andacht affektierte, weswegen man ihr einen rechtschaffenen Charakter zutraute, den sie doch nicht hatte. Der Eigennutz beherrschte sie ganz; da sie aber mit ihren eigenen Reizen nicht mehr wuchern konnte, so bot sie die Reize ihrer Tochter feil.«

siehe Bildunterschrift

D. Chodowiecki:
Erfolgreiches Liebeswerben. (1780)

Die Markgräfin von Bayreuth, Schwester Friedrichs II., berichtet über das Fräulein v. Wagnitz u. a.: »Die Wagnitz war schön wie ein Engel, aber ihr Verstand war nur geborgt. Schlecht erzogen, besaß sie ein ebenso schlechtes Herz wie ihre Mutter und fügte dem noch einen unerträglichen Hochmut bei. Ihre boshafte Zunge zerriß unbarmherzig alle, die das Unglück hatten, ihr zu mißfallen. Es fand sich auch eine Menge von Liebhabern und Käufern. Der Staatsminister und Finanzdirektor, Herr von Kreutz, befand sich auch unter der Anzahl und entfernte durch seine Reichtümer die übrigen auf einige Zeit. Sein eigentlicher Zweck war, dem Könige Neigung zu der Tochter einzuflößen, um der Gewalt des Fürsten von Anhalt und des Herrn von Grumbkow, der sein Freund nicht war, das Gegengewicht zu halten. Allein, der König liebte, entweder aus natürlichem Abscheu gegen dergleichen Ausschweifungen oder aus Religionsgrundsätzen ganz allein die Königin und wußte es dem Herrn von Kreutz gar keinen Dank, daß er ihm eine Mätresse geben wollte. Überdem sagten ihm der Fürst von Anhalt und der Herr von Grumbkow so viel Böses von dem Fräulein von Wagnitz, daß er sie bald verabscheute und die Königin bat, sie fortzuschicken. Die Königin aber, die sowohl die Mutter als die Tochter liebte, weil sie die Kunst verstanden, sie zu amüsieren, was in den Augen der Großen immer ein wichtiges Verdienst ist, bemühte sich, die Tochter zu rechtfertigen und bat den König, ihr noch drei Monate zu gestatten, um sie dahin zu bringen, ihre Aufführung zu ändern oder sie hernach ohne Aufsehen zu entfernen. Sie erlangte diesen Aufschub nur mit vieler Mühe und auf ihr dringendes Bitten vom Könige. Die Königin kannte nun nichts Angelegentlicheres, als das Fräulein von Wagnitz kommen zu lassen. Sie hielt ihr eine lange Strafpredigt und sagte ihr, daß der König sie durchaus vom Hofe entfernt wissen wolle. Es werde ihr leid tun, wenn sie sie fortschicken müsse; sie werde daher einen zweiten Versuch machen, und im Fall sie selbst von einem Prinzen entbunden würde, den König alsdann um die Erlaubnis bitten, sie behalten zu dürfen.

siehe Bildunterschrift

Benkert: Gruppe neben dem inneren Hauptportal des Potsdamer Stadtschlosses.
Aus der Zeit Friedrichs II.

Statt daß nun das Fräulein von Wagnitz der Königin für ihre Güte hätte danken sollen, entrüstete sie sich aufs höchste gegen sie und vergaß sich sogar so weit, daß sie sie sowohl als das Kind, das die Königin unter ihrem Herzen trug, verfluchte. Sie setzte noch hinzu, es sei nicht des Königs, sondern nur der Frau von Blaspiel, einer anderen Hofdame, Wille, daß sie den Hof verlassen solle; sie habe indessen noch Freunde genug, um weder die Königin noch ihre Favoritin zu fürchten; sie werde sich zu behaupten wissen, und ehe man sie zum Verlassen ihrer Stelle zwingen könne, erst ihre Feindin vom Hofe vertreiben. Die Königin befahl ihr hierauf, sogleich ihr Zimmer zu verlassen. Dennoch hatte sie die Großmut, sie noch zu behalten, weil sie immer hoffte, sie werde ihre Denkungsart und ihre Aufführung ändern.

siehe Bildunterschrift

Benkert: Gruppe neben dem inneren Hauptportal des Potsdamer Stadtschlosses.
Aus der Zeit Friedrichs II.

Am folgenden Morgen fand man an mehreren Türen des Schlosses verschiedene Zettel angeschlagen, welche die gröbsten Beleidigungen gegen den König und die Königin enthielten. Herr von Grumbkow unterließ nicht, sie geradezu dem Herrn von Kreutz und dem Fräulein von Wagnitz beizulegen. Der Zorn des Königs traf indessen nur das Fräulein und sie empfand auch bald die Wirkungen davon. Es lag nicht an der Königin, daß sie ihnen nicht entging. Als sie nämlich hörte, daß sie sich anschicke, bei der Vermählungsfeier des Prinzen von Württemberg mit großer Pracht zu erscheinen, ließ sie ihr sagen, sie riete ihr, sich nicht vor dem Könige sehen zu lassen. Allein die Königin erhielt die Antwort, Fräulein von Wagnitz habe nichts zu fürchten, weil sie unschuldig sei und ihr Gewissen ihr keinen Vorwurf mache; sie werde also erscheinen, es möge auch darauf folgen, was da wolle. Sie zeigte sich auch wirklich in größerem Glanze und Putze als irgendeine andere Dame am Hofe.

Sobald der König sie erblickte, ward sein Gesicht von Zorn entflammt. Er rief sogleich den Kammerherrn und nachherigen Oberhofmeister der Königin, Herrn von Brand, und befahl ihm, dem Fräulein von Wagnitz anzudeuten, daß sie aus dem Zimmer gehen und unverzüglich das Schloß räumen solle; im Weigerungsfalle werde er sie durch Unteroffiziere wegführen und ihre Meubles zum Fenster herunterwerfen lassen. Der Herr von Brand hinterbrachte ihr den Befehl des Königs in so gelinden Ausdrücken, als er nur konnte; da er aber sah, daß sie hartnäckig blieb, sagte er ihr ins Ohr, was sie zu befürchten habe. Sie gehorchte also endlich.

Der Herr von Kreutz, der über diesen Vorfall ganz in Verzweiflung geriet, bat flehentlich um ihre Zurückberufung und setzte deswegen alle seine Freunde in Bewegung. Allein der König antwortete, daß, wenn ihm noch jemand das geringste von diesem Mädchen vorreden würde, er sie ins Zuchthaus sperren und sie nie wieder herauslassen würde. Diese Antwort machte allen Bitten für sie ein Ende. Das Fräulein mußte den Hof verlassen. Sie nahm ihre Wohnung nun in der Stadt. Der Herr von Kreutz fuhr indessen fort, sie zu sehen und unterhielt sie förmlich. Sie zog später nach Pommern.«

Ehe diese Szenen vorfielen, hatte die Wagnitz schon einmal unrichtige Wochen gehalten und war schon wieder schwanger. Ihre Intimität mit Herrn von Kreutz hatte Grumbkow, der allmächtige Minister Friedrich Wilhelms I. durch die Inszenierung eines Gespensterspektakels herausbekommen. Ein bestochener Küchenjunge hatte die Rolle des Gespenstes gespielt und war so an den ohnmächtig gewordenen Soldaten vorbeigekommen und konnte feststellen, daß die Wagnitz nächtliche Besuche des Herrn von Kreutz empfing.

So konnte Grumbkow denn vereiteln, daß Friedrich Wilhelm I. anderen Einflüssen als seinen untertan wurde. Seine Veröffentlichung der Galanterien der schönen Hofdame mögen die schroffe Haltung des Königs gegen sie erst veranlaßt haben.


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