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Die Junggesellin

siehe Bildunterschrift

Franz Christoph: Beginn der Selbstständigkeit.
Mutter: »Na wo jehste denn wieder hin?«
Tochter: »Bei 'ne Freundin.«
Mutter: »Wann kommste wieder?«
Tochter: »Det weeß ick doch nich ... « (Um 1900.)

Krieg und Revolution haben dazu beigetragen, einen neuen Typus zu schaffen: die weiblichen Junggesellen, die unabhängigen, selbständigen Mädchen, die nicht nur sich aus eigener Kraft ernähren, sondern die sich auch in vielen Dingen, und besonders in der Erotik, auf durchaus eigene Füße stellen. Diese Art hat auf die gesamte Frauenwelt Berlins abgefärbt, vor allem auf die jungen Mädchen. Wir dürfen eben nicht vergessen, daß mehrere hunderttausend weibliche Wesen mehr als Männer in Berlin leben. In durchaus natürlicher Weise richtet sich der weibliche Instinkt darauf ein: wenigstens etwas vom Leben haben, es mitnehmen, wo man es findet.

siehe Bildunterschrift

P. Simmel: Die verliebte Knipserin.

Waren schon vor dem Kriege die Frauen in Berlin in der Überzahl und erhöhten also den Wettbewerb um den Mann untereinander – so wurde das nach dem Kriege ganz zwingend. Mehrere hunderttausend Männer im besten Alter hatte der Krieg hinweggerafft. Außerdem aber hatte er auch selbst mit seinem langandauernden Getrenntsein der Ehegatten und dem allgemeinen Durcheinander gewirkt. Diese Erscheinungen sind nicht neu. Schon im Altertum war es z. B. nicht möglich, die Weiblichkeit von den Feldheeren zu trennen. Trotz brutalstem Vorgehen hat sie es immer wieder verstanden, sich im Gefolge der Soldaten zu behaupten. Auch in den Kriegen um die Wende des 18. Jahrhunderts hat die Frau sich besonders an die Soldateska herangemacht, wie zahlreiche Lagerbilder aus dem Ende des galanten Jahrhunderts bezeugen (S. 93). Es ist daher anzunehmen, daß jede Ansammlung von Truppen galante Frauen jeder Art anzieht. Das war denn auch in allen Stand- und Etappenorten zu bemerken. Und Berlin wurde schließlich der größte Stand- und Etappenort. Ja, man kann getrost von der Etappe Berlin sprechen. Berlin hatte alle Eigenschaften der Etappe – Rekrutendepots, Ausbildungsstellen jeder Art –, Kranken- und Heilanstalten, Büros über Büros – Munitionsfabriken. Und fast überall kamen die von ihrer heimatlichen Weiblichkeit losgelösten Männer mit Frauen zusammen. Vor allem in den vielen gemischten Büros, in denen abkommandierte Offiziere und Soldaten mit den als Ersatz- und Hilfskräften eingestellten Frauen gemeinsam arbeiteten – und in den Lazaretten und sonstigen Krankenanstalten, in denen die Krankenpflegerin zu einer vorherrschenden Type wurde. Wo solche Massen von Pflegerinnen wie im vergangenen Kriege gebraucht wurden, konnten nicht immer nur die reinen Pflegenaturen eingestellt werden. Manche mit ein wenig zu unbeherrschter Weiblichkeit begabte jüngere und manche hübsche Frau mußte eingestellt und mit der ja meist recht kleidsamen und hellen Pflegerinnentracht ausgestattet werden. So kam es wohl vor, daß auf der Leipziger Straße und auch in den Flanierstraßen im äußeren Westen sich manchmal recht kokette Pflegerinnen sehen ließen, ja, daß sie sich ebenso auf der Straße wie auch in Kaffeehäusern mit uniformierten und nichtuniformierten Männern zeigten und in einer Weise verkehrten, die den Eingeweihten darin einweihte, daß zwischen der Pflegerin und ihrem Begleiter keine Schranken bestanden. Von mancher Seite wird der Vorwurf erhoben, daß die Pflegerinnen besonders Ärzte und Offiziere an sich zu fesseln wußten. –

Und in den gemischten Büros? Da kam es ganz unwillkürlich zu Einladungen ins Theater, ins Kino, ins Kaffeehaus oder in die Bar – und manchmal auch zu Besuchen in die Wohnung des einen oder andern, oder zu gemeinsamen Besuchen von verschwiegenen Liebesnestern. Manch Leiter einer Geschäftsstelle wollte schließlich mit solchen erotischen Büros nicht mehr arbeiten und drang darauf, nur männliches Personal unter sich zu haben. Das ging aber nicht überall, denn die männlichen Hilfskräfte waren in ihrer Zahl beschränkt. Alles mußte an die Front oder in die auswärtigen Etappen.

Wurden doch in jede Art von Betrieben weibliche Hilfskräfte eingestellt: in die Werkstätten und Fabriken, in die Post und in die Straßenbahn. Und von jeder Frau wurde verlangt, sie solle sich selbständig zurechtfinden. Wenn nun der Mann oder der Verlobte jahrelang draußen blieben, so entstanden unwillkürlich neue Verbindungen. Der alte Vers wurde wieder lebendig:

»Und sie läßt sich ein mit die Landwehrleut',
Sie sollte sich was schämen
Von der Landwehr Geld zu nehmen!«

Das war nicht nur im Volke so, auch in den Offizierskreisen kam mancherlei vor – ähnlich wie während der napoleonischen Kriege der Fall der Generalin von Hühnerbein, der Gatte kam aus dem Kriege und fand ein Kriegskind vor, dessen Vater er nicht sein konnte – fand aber nichts zu erinnern ...

Ganz besonders waren die Kriegsehen allen möglichen Zufällen ausgesetzt. Sie waren meist in einem jähen Aufflammen erotischer Gefühle geschlossen worden – ohne lange Überlegung, ohne daß beide Teile einander gründlich kennen gelernt hatten. In einem Gefühl, gemischt aus Mitleid, Erotik, gehobenem Lebensdrang, in der Angst, der Mann geht hinaus und wird dort von der Kugel umgeworfen, gaben sich viele Mädchen und Frauen hin, wollten noch einmal vom Leben umfangen werden. Nicht immer kam es zur Heirat. Wenn man sich aber überhaupt die Umstände einer Kriegstrauung vorher machte, korrigierte das spätere Leben und Erleben nur zu oft den übereilten Schritt.

Die Männer selbst waren nicht anders. Wenn sie durch die Straßen marschierten, wenn die Mädchen in Fenstern und Türen standen, wenn sie an den Soldatentrupps vorüberkamen, flogen derbe Witze von Mund zu Mund hinter manchem schönen Kind einher.

Welche ging vorbei und sah die Soldaten nicht an?

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E. Heilemann: Das »Flak«-Fräulein.
»Die Damenhüte haben ja in diesem Jahr alle durchsichtige Krempen!«
»Ja, Herr Leutnant, das ist wegen der Flieger-Angriffe.«

Welche sah sie nicht an und lachte nicht?

Welche lachte nicht und sprach nicht mit ihnen?

Alle schauten mit zärtlichen, liebevollen, freundlichen Augen auf die Soldaten. Die Blonde voll Güte und Vertraulichkeit. Die schwarzhaarige Kleine mit den lebhaften braunen Augen und dem vielversprechenden Mund, der so gern neckte und versprach – nicht alle warteten vergebens dort, wo der dunkle Weg abzweigte von der Straße. Und sie wurden manchmal von einem, der die richtigen Worte fand, unter die dunklen Bäume gezogen ...

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B. Wennerberg: Flämmchen.

Nur wenige Soldaten hatten keine Freundin. Alle Frauen kamen zu ihrem Recht. Jede wurde begrüßt und angerufen. Und manche Soldaten hatten viele Freundinnen. Wo irgend eine Schöne angesprochen werden konnte – im Kaffeehaus, auf der Bahn oder sonstwo – da sagte der Soldat es ihnen ohne Umstände, daß er sie schön fände. Sie lachten und sagten, er sei ein unverschämter Kerl. Aber es war merkwürdig – solche Soldaten waren stets mit den schönsten Bürgertöchtern zu sehen – und wie oft immer wieder mit einer andern!

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B. Wenneberg: Süsse Last.

Dieses gewaltige Durcheinander – mehr als zehn Millionen Männer waren eingezogen und aus ihren festgefügten Verhältnissen gerissen, ihren Frauen und Familien entzogen – diese jahrelange, ständige Trennung, wie sie noch nie ein Krieg den Männern, und Frauen eines Volkes zugemutet hatte, förderte freiere Anschauungen und größere Beweglichkeit in sittlichen Fragen.

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Anrudern: »Wir haben bloß een Kissen mit!«
»Ach, ick setze mir uff die Stullen.«

Der Zusammenbruch mit seinen Folgen kam hinzu. Was er in manchen Fällen wieder fester zusammenfügte, lockerte er in zahlreichen anderen. Den Frauen und Mädchen prägte es sich nun wohl erst so recht tief ein, wieviel Lebens- und Liebesmöglichkeiten sie durch den mörderischen Krieg verloren hatten. Das Buhlen um die Gunst eines Mannes wurde lebhafter. Nur auf diese Weise ist wohl die intensivere Erotisierung zu verstehen, nur auf diese Weise der Drang nach eleganterer, gefälligerer und die weiblichen Schönheiten hervorhebender Kleidung zu erklären. Hatte schon vorher die Sucht nach zarten Strümpfen, nach koketten Schuhen, nach Kleidern, die recht viel von den persönlichen Reizen jeder Frau andeuten und ahnen lassen, sich bemerkbar gemacht – nun wurde sie dringlicher und allgemeiner.

Die Berlinerin bekam nun auch wieder die internationale Eleganz zu sehen. In den Hallen und Sälen der großen Hotels, in den Theatern und Varietés, auf den westlichen Flanierstraßen prunkten die Ausländer mit ihren luxuriösen Lebensgewohnheiten. Vor allem waren es die Russinnen, die sich und ihre Seidenkleider in weite, kostbare Pelze einwickelten und die Lebhaftigkeit ihrer Mienen durch grellrotgeschminkte Lippen, geschwärzte Wimpern und Augenlider in einem blaß gepuderten, oft mit dicker weißer Crême belegten Gesicht steigerten und stets die zierlichsten Schuhe an ihren zierlichen Füßen trugen.

Auch die Amerikanerinnen und Französinnen und fast alle die vielen Ausländerinnen, die als Angehörige von Kommissionsmitgliedern oder auch aus allgemeinen oder besonderen politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Interessen jetzt nach Berlin kamen, wirkten durch ihre große Eleganz.

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Richard Rost: Die höhere Mission
(Jugend 1921)

Berlin wird die Stadt einer erotischen Internationale: Frauen aus aller Welt treffen sich in den reich mit Bronze, Marmor, Spiegeln und Polstermöbeln geschmückten Hallen der Hotels mit den Damen aus Berlin W. Und manche dieser Damen hat eine so innige Freundschaft mit irgendeinem der dunkeläugigen Ausländer, daß sie jeden Nachmittag zum Fünfuhrtee kommt, oft langdauernde geheime Gespräche im Schreibzimmer hat – eben mit diesem dunkeläugigen Ausländer, manchmal auch die Treppen hinaufhuscht. Und schließlich kauft sie in Gegenwart des Freundes ein Perlenhalsband, für das ihr der eigene Mann zwar zehntausend Mark bewilligt hat, das aber zwanzigtausend kostet; und diese Differenz erledigt der ausländische Freund ...

Die Ausländerinnen selbst aber haben auch ihre Beziehungen. Da ist die hübsche jugendliche Frau eines Attachés, die so viel Pariser Parfüm verbraucht. Da ihr Mann soviel Verhandlungen hat, daß er oft nicht einmal Zeit zum gemeinsamen Essen erübrigt, speist sie meistens mit einem jungen blonden Amerikaner, dem sie auch bei seinen Kunsteinkäufen hilft und dem sie in ihrem Salon kleine Vorträge aus der Kunstgeschichte hält. –

Jedenfalls hat die luxuriöse Eleganz dieser Ausländerinnen abgefärbt – und zwar hauptsächlich auf jene Frauen, die in einer Berufstätigkeit höherer Art leben. Sie sind stolz auf ihre Selbständigkeit. Nur wenige denken wie jene ältere in einem Kreise junger Berufsarbeiterinnen: »Aber einen Mann haben und seiner Bestimmung folgen, ist doch das beste!«

Einige stimmten auch zu: »Selbstverständlich! Aber erst einen kriegen!«

»Und den, der einem gefällt!« meinte eine kleine dunkle. »Meine Eltern haben schon drei für mich gehabt. Es waren ganz ordentliche Leute. Sie sagten mir aber alle nicht zu. Sie waren mir alle so schrecklich gleichgültig, ohne jeden Schmiß. Ich suche mir doch den aus, den ich will!«

Und nun sprachen sie über die Kernfrage ihres Lebens. Sie wollten nicht unter der Mutter Schürze flüchten, wenn ihnen ein Mann entgegenkam. Sie waren gewohnt, mit Männern zusammenzuarbeiten als ihre Mitschüler, als ihre Kollegen, ihre Untergebenen und selbst als ihre Vorgesetzten. Manche arbeiteten als Direktionssekretärin oder als Leiterin des Büros eines Berufsverbandes. Andere studierten noch und standen gemeinsam mit Männern im Examen. Wie eine junge Chemikerin in der Technischen Hochschule in Charlottenburg. Sie erzählte von ihrem Vorexamen, von den Prüfungen in den fünf Fächern: anorganische Chemie, organische Chemie, Maschinenlehre, Physik und den Wahlfächern: Mathematik, Mineralogie oder Botanik. »Und dann noch die Prüfungen im Hauptexamen. Wieder fünf Prüfungen. Anorganische Chemie, organische Chemie, technologische Chemie, physikalische Chemie und dann noch ein Wahlfach. Da kann man dann ein Spezialfach wählen – Photochemie, Keramik, auch höhere Mathematik, und so weiter.«

Dann kamen sie zurück auf ihr Hauptthema. Sie waren gewohnt, in den Männern nicht nur das einzige Ziel ihres Lebens zu sehen. Sie waren gewohnt, ständig wie Kameraden mit ihnen zu verkehren im Bureau, im Atelier, auf dem Sportplatz – sei es nun der Tennisplatz, der Hockeyrasen, die Schwimmhalle oder der Wannsee zur gemeinsamen Kanufahrt – und in den Erholungsorten, die sie häufig allein aufsuchen müssen, weil ihre Eltern oder ihre anderen Verwandten nicht die gleiche Ferienzeit haben wie sie. Und es bleibt ihnen nichts übrig, als ihr Leben unter eigener Verantwortung zu führen. Daß manche darunter ist, die bei der durch den Krieg verursachten Dezimierung der Männer mit einem freieren Instinkt doch zu ihrem besonderen geistigen und erotischen Recht im Verkehr mit einem Mann kommen will, ja, daß die jungen Mädchen dem jungen Mann selbständig und sicher gegenübertreten, auch mit gewissen selbständigen Ansprüchen, daß sie mit jungen Männern auf gleichem Fuße verkehren, ohne sein »Verhältnis« zu sein, ohne sich von ihm freihalten zu lassen oder Geschenke anzunehmen – das und manches andere ging aus dem Gespräch hervor, zu dem noch eine frische, gesunde und geschmackvolle, gewandt und heiter auftretende Dame hinzugekommen war.

Sie hatte sich wegen der Verspätung entschuldigt; ihr Freund habe sie im letzten Augenblick angerufen und sie um eine Besprechung gebeten.

»Er hat wieder ein neues Unternehmen vor,« meinte sie durchaus sachlich, ohne Stolz, »und da bespricht er sich gern mit mir. Dann wird ihm immer erst alles so recht klar. Und er merkt auch bei der Aussprache erst oft, ob es auch die richtigen Leute sind, mit denen er zu tun hat. Manchmal kommen ihm auch erst dann die richtigen Ideen und Pläne.«

»Ist das der Freund, mit dem du vor einem Jahre in die Sächsische Schweiz gefahren bist?« fragte eine.

»Der – den habe ich längst vergessen!« antwortete sie so sachlich wie vorher.

»Hast du denn keine Geschenke von ihm?« fragte die Ältere.

»Ich nehme keine Geschenke!« antwortete sie. »Ich zahle mein Reisegeld und alles allein. Ich will nicht abhängig werden oder dankbar sein müssen. Lieber richte ich mich mal ein oder verzichte auf dies und das. Um Gottes willen nicht freihalten lassen! Nur nicht verpflichten! Ich mache eben den Anspruch, einem Manne Liebe schenken und von ihm Liebe nehmen zu dürfen, um ihn dann wieder vergessen zu können.«

Sie stritten sich nun darüber, daß wir in einem Zeitalter leben, das für manche Menschen und Dinge auch neue Lebenswege öffnen muß. Aber sie kamen doch in der Mehrzahl dahin überein, daß es ihre Aufgabe sei, allein durchs Leben zu gehen. Das sei ihr Ideal, und sie könnten in diesem Ideal ebenso sicher und zufrieden sein, wie mit dem einzigen Ziel so vieler anderer: dem Mann.

Sie leugneten aber gar nicht, daß sie sich für Männer interessierten. Als eine gefragt wurde, warum sie denn erst zum Herbst verreise, gab sie unumwunden zu: weil sie erst dann angenehme Begleitung habe ...

Eine andere wurde achtungsvoll verabschiedet, als sie erklärte, heute abend besuche sie noch ihr Freund. –

siehe Bildunterschrift

Finetti: Schreibmaschinistin.
(Diese Darstellung entfachte damals einen Sturm der Fachverbände: wegen der seidenen Strümpfe und Lackschuhe; heute würden die Verbände wohl einschreiten, wenn den Bürodamen Lackschuhe und Seidenstrümpfe bestritten würden.)
(Um 1912)

Nicht alle Freundinnen gehören zu dieser höheren Art. Es gibt und gab, besonders in der Inflationszeit, eine Art Freundinnen, die gar keine Verpflichtungen fühlten, sondern nur mit hochfliegenden Plänen auftraten. Was einst Großbankiers, Prinzen und Diplomaten sich geleistet, den Luxus einer Freundin mit Pelz, kostbarem Schmuck und einem Freundin-Heim, das ward nun eine allgemeine bürgerliche Erscheinung. Nicht nur die vielen Ausländer hatten eine Valutafreundin. Selbst viele vorbildliche Beamte schweiften plötzlich durch die Bars mit ihrer pelzgeschmückten Freundin. Alle kleinen Bankbeamten mit quellenkundigen Börsentips und alle frischgebackenen »Exporteure« hielten eine Freundin am Busen, in deren Bekleidung die großen Papiergewinne raschelten.

Als aber das bunte Kartenhaus der Inflation zusammenstürzte, ward der Beruf der feudalen Freundin dezimiert. Alle die vielen an Pelz und Auto gewöhnten Damen, die von Näh- und Schreibmaschinen, ja auch von der Kochmaschine Entlaufenen, die sich zu Freundinnen aufgeschwungen hatten, mußten zum ehemaligen Beruf heimkehren, wenn sie nicht kaufmännisch klug vorgegangen und genug Schmuck oder eine schöne Wohnung mit vollkommener Ausstattung gehamstert hatten. Einige leben heute von der Vermietung ihres früheren Liebesnestes. Andere aber, die den Heimweg zum alten Beruf nicht fanden, leben auch heute noch dem Beruf der Venus im Pelz. Nur leben sie jetzt nicht für einen Freund, sondern müssen vielerlei Freundschaft unterhalten.

Diese »Freundinnen« haben wenig gemein mit jener Junggesellin, die auf eigenen Füßen steht. Aber sie waren in den letzten Jahren ein Typ, der oft hier und da einige Eigenschaften der Junggesellin aufwies. Es gab auch unter ihnen höchst selbständige Naturen. Jedoch waren und sind sie eigentlich die kapriziöse Entartung und das demoralisierte Widerspiel einer sehr zu beachtenden Entwicklungserscheinung.

Nicht immer verlaufen alle Beziehungen der Junggesellin harmlos und ohne Reibungen. Es kommt auch vor, daß ältere Rechte bestehen, ja, daß Ehefrauen nicht zugunsten der jugendlichen Freundin ihres Mannes verzichten wollen. In einzelnen solchen Fällen kommt es dann manchmal zum Dreiecks-Kompromiß.

Frau und Freundin verständigen sich; aber schließlich kommen doch Zerwürfnisse, weil letzten Endes immer Rivalitäten auftauchen.

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B. Wennerberg: Feines Geschäft.
»Ich bin so froh Hans. Dein Freund Wolf hat mir für mein goldenes Armband drei Milliarden bezahlt.«
»Um Gotteswillen, das schöne Armband bist du los! –«
»I wo! Das hat er mir doch wiedergegeben!«

Viele Frauen aber haben sich schon daran gewöhnt, daß der Mann sich ein wenig teilt zwischen den Persönlichkeiten, mit denen er zusammenarbeitet und mit denen die seinen Familienkreis bilden. Nur sehen sie fast immer auf jene Wesen herab, die in der Arbeit neben dem Manne stehen und sich ihm auch psychisch und physisch geben.

Nur selten kommt es vor, daß eine Frau bemerkt, wenn der Mann im Konflikt zwischen häuslichen Pflichten und den Erlebnissen außerhalb des Hauses steht – und daß sie dann gar in gemeinsam schlaflos verwachten Nächten ihn auffordert, dem Erlebnis mutig entgegenzugehen – wie das von einer Schauspielersfrau erzählt wurde.

Im großen und ganzen steht die Mehrzahl der Frauen den vielen Problemen, die das weibliche Junggesellentum heraufbeschwört, noch verständnislos, ja überhaupt unbewußt gegenüber. Und selbst die meisten weiblichen Junggesellen sind sich über sich selbst noch nicht bewußt geworden.

Sie leben instinktmäßig dahin – als weibliche Junggesellen, die ihr Lebensrecht auf jede Weise suchen und für jede glückliche Stunde dankbar sind. Manche gehen allerdings mit vollster Klarheit und zielbewußt ihre Wege. Sie sind fern jeder gemütbeschwerten Stimmung, haschen nur nach dem Genuß, wehren sich gegen jede innere und äußerliche Bindung und stehen nur unter dem Ziele: »Du darfst.«

Immer mehr dringt der neusachliche, schamfreie Mädchentyp durch. Eine gymnastisch-tänzerische Generation, die keine Gemütshemmungen kennt, entzaubert und mechanisiert die Erotik. Sie ergibt sich einem übertriebenen Körperkulturfimmel, schminkt sich zwar die Lippen brennend rot in Herzform, kümmert sich aber um herzliche Bindungen nicht. Sie begnügt sich mit der kalten Phrase von der neuen Sachlichkeit. Ihr Ziel ist, mit allen Mitteln der Schönheitsindustrie zu wirken und zu werben, und ihr Wesen wird im Grunde ebenso geschminkt und gepudert, wie ihr Gesicht. Jedes unberührte Mädchen wird schamvoll bei dieser zu weit getriebenen körperlichen und seelischen Entblößung, die allen Reiz und alle Süße nimmt. Und doch mußte mehr Klarheit kommen. Wer sie in sich trägt und mit Takt und Geschmack zum Lebensinhalt macht, der darf Junggesellin sein.

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Büro-Komfort:
Das Fräulein: »Ich bin ja nun überflüssig wo Sie den Parlograf haben.«
Der Chef: »Ja, aber bleiben müssen Sie doch, ich werd' nämlich beim Diktieren zu grob, wenn ich Ihr hübsches Gesicht nicht sehe!«


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