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Die schöne Gießerin

Der zweite Joachim von Brandenburg scheint seinem Vater nicht viel nachgegeben zu haben. Er scheint ein schwacher, allzu diplomatischer Mensch gewesen zu sein. Während seines Vaters Regierung hing er nur heimlich dem neuen Glauben an. Und als er 1535 dreißigjährig zur Regierung kam, dauerte es noch vier Jahre, bis er offen zur Reformation übertrat. Das geschah wohl auch mehr in der Absicht, seinen und des Landes schlechten Finanzen durch eine Säkularisation der Kirchengüter aufzuhelfen, als aus wirklichem religiösen Drang.

Der Kurfürst selbst war ein viel zu großer Liebhaber von Prunk und Genuß, um Zeit zu haben, Vorteile für seinen Staat durchzusetzen. Von seinen Liebschaften, die allerdings erst mit dem letzten Wochenbett seiner zweiten Gattin, der polnischen Königstochter Hedwig, begonnen haben sollen, wird in alten Chroniken manches berichtet. Nach anderen begannen die Liebschaften nach einem Unfall der Kurfürstin, und nachdem sie sich in Bigotterie geweigert, sich körperlich von Ärzten untersuchen und behandeln zu lassen und sie infolgedessen siech geworden war.

Der alte treuherzige Prediger zu Beelitz, Kreusing, sagt in seinem Chronicon, das er 1572 vollendete: »Überdies hat Se. Kurfürstliche Gnaden mit vielen Konkubinen hausgehalten, sonderlich mit der Bändelin, welche vom jungen Herrn hernach verjagd worden ist. Item mit einer, welche, als man saget, Seine Kurfürstliche Gnaden getraut worden ist, und mit ihr etliche Kinder erzeugt, aus welchen ein Fräulein zur Gräfin gemacht worden. Diese Gießerin, als Johann Georg ins Regiment gekommen, ist gegen Spandow gefänglich gelegt worden. Auf eine Zeit, als Se. Kurfürstliche Gnaden sie öffentlich mit sich führte gegen Beelitz auf die Jagd und in die Haide, haben die Bauern, so um Sr. Kurfürstl. Gnaden nahe herumstanden, einander gefragt:

siehe Bildunterschrift

Kurfürst Joachim II.

»Ist die Unsers Gnädigsten Herren unrechte Frau? Seien das die unechten Kinder? Wie darf er's tun? und wir nicht müssen?«

Dies haben sie oft getrieben, und hat Se. Kurfürstlichen Gnaden wohl gehört aber sich nichts Böses vermerken lassen, sondern allein zur Gießerin gesagt: »Kannst du nicht bei Seite gehen!«

Zu den fremden Künstlern, die Joachims prachtvolle Hofhaltung nach Berlin zog, gehörte auch der geschickte Stückgießer Matthias Dietrich aus Burgund, ein Schüler des berühmten italienischen Ingenieurs Tartaglia. Der Kurfürst hatte ihn zum Artilleriehauptmann ernannt und unter anderem von ihm ein Monument des Kurfürsten Johann verfertigen lassen.

siehe Bildunterschrift

J. Vermeer v. Delft: Kupplerin.
Galante Darstellung aus dem 17. Jahrhundert, die auch auf Berlin zutraf.

Der Künstler nahm sich eine schöne Frau hierzulande, die Anna Sydow, und starb etwa um das Jahr 1560. In diesem Jahre nämlich wird seine Frau bereits in öffentlichen Akten und Diplomen »Witwe« genannt.

Wie früh Joachim II. die schöne Anna schön gefunden, ob schon zu Lebzeiten ihres Mannes, und ob der Kurfürst außer Magdalena noch mehr lebende Kinder von ihr hinterlassen, weiß man nicht: der oben angeführte Spruch der Bauern von Beelitz kann sich auch auf die rechten Kinder der schönen Gießerin mitbeziehen.

Am 14. Oktober 1562 sagt der Kurfürst: »daß unsere natürliche Tochter Magdalena, die wir mit Anna Sydow gezeugt, von uns noch unversorgt ist«. Er befiehlt sodann dem Kurprinzen Johann Georg, wenn er sterben würde, in Jahresfrist nach seinem Tode an Magdalena, des Kurprinzen Halbschwester, unweigerlich 4000 Taler auszuzahlen, und fügt dann noch wörtlich hinzu:

»Als wir es noch dafür halten, daß vorgemelte Anna Sydow auch itzt abermals eines Kindes von uns schwanger sei, wollen und werden wir hiermit, wenn solches Kind (wozu der allmächtige Gott seinen Segen gnädiglich verleihen wolle) zur Welt geboren wird, daß demselben, es sei gleich ein Sohn oder Tochter, gleich unserer Tochter Magdalena 4000 Taler auch zugewendet werden sollen.«

Diese Magdalena von Brandenburg erhob er nachher zu einer Gräfin von Arneburg. Im Jahre 1570, wenige Monate vor seinem Tode, dachte der Kurfürst ernstlich an die Ausstattung seiner Tochter Magdalena.

»Nachdem wir der Wohlgeborenen und Edlen, unserer lieben Tochter, Fräulein Magdalena von Brandenburg, Gräfin von Arneburg, neben anderen gräflichen Kleinodien und Geschmücken 10 000 Taler zur Ehe und Heiratsgeld auszahlen lassen,« verordnet er, daß, wenn seine Tochter noch unverheiratet sterben sollte, die Hälfte dieses Geldes ihrer Mutter, die andere Häflte der kurfürstlichen Kasse wieder zufallen sollte. »Stirbt sie während der Ehe, aber ohne Erben, so bekommt ihr Gemahl die Hälfte, die Mutter und deren Erben ein Viertel, und die kurfürstliche Kasse auch ein Viertel.«

Die Klugheit, ihren und ihrer Sippe Vorteil zu fördern, besaß die schöne Gießerin. Aus Vorsicht auf künftige Zeit, vielleicht, weil sie sich von dem in Zechlin lebenden Kurprinzen und von dem Einfluß der noch lebenden Kurfürstin auf ihren Stiefsohn nichts Gutes versprach, vermochte sie Joachim II. dazu zu bringen, daß er seinen Sohn für das künftige Beste seiner Geliebten zu einem feierlichen Versprechen nötigte.

Man mag über Anna Sydow denken, wie man will, und mag berücksichtigen, daß dies Versprechen von Johann George nach einem Diktat des Vaters geschrieben wurde und so gleichsam ein gezwungener Eid war; daß er aber sein Versprechen nicht hielt, zumal dem Staate Neuausgaben nicht erwuchsen, ist kein schöner Zug seines Charakters. Selbst, wenn das Wort, das er seinem Vater gegeben, ihm als erzwungen erschien, hätte er vornehmere Wege finden müssen, als Konfiskation selbst der Geschenke, die sein Vater seiner illegitimen Tochter Magdalena vermacht hatte, und Einkerkerung der schönen Gießerin. Und weil alle Welt so darüber dachte, weil das einfache Gerechtigkeitsgefühl, das im Volke lebte, den Kurfürsten für eidbrüchig hielt, so entstand die Sage, Anna Sydow säße in der Spukgestalt der Weißen Frau, Anna Sydow räche sich und die Ihren dadurch, daß sie zum ersten Male an dem Todestage ihres Peinigers und dann vor jedem Tode eines brandenburgischen Herrschers im Berliner Schlosse erschienen sei. Hier wurde die Sage von der Weißen Frau, die sich eigentlich auf den Kindermord der Gräfin Orlamünde stützt, mit der schönen Gießerin verknüpft.

siehe Bildunterschrift

D. Chodowiecki: Liebesszene im Schloß.
(Um 1770)

Johann Georg stand eben im Begriff, nach Zechlin abzureisen, als das Ableben Joachims II. in Köpenick (13. Januar 1571) in Berlin bekannt wurde. Er ließ sofort die Reise abbestellen, die Tore von Berlin sperren und in den Häusern derer, die bei der vorigen Regierung viel gegolten, alles versiegeln. Und die Geliebte seines Vaters wurde wie eine Staatsverbrecherin eingesperrt. Vielfach wurde sogar behauptet, Anna Sydow sei im Jagdschloß Grunewald, in dem sie die Freuden der Liebe genossen, unter einer Treppe eingemauert worden. Ihr Skelett befinde sich noch dort. Die Treppe ist fortgerissen worden – aber kein Skelett wurde gefunden. Immerhin ist diese Sage bezeichnend für die Strenge, mit der man die schöne Gießerin büßen ließ – die übrigens nach dreizehnjähriger Gefangenschaft am 16. November im Juliusturm zu Spandau starb.

Hatten die Bauern vorher sich gegen die allzu offenkundige laxe Lebensführung des Kurfürsten derb geäußert, so hatte das Volk doch genug ehrlichen Sinn behalten, um diese Handlungsweise des Kurfürsten nicht zu billigen. Damals war eben eine Frau – und besonders eine aus nicht aristokratischen Kreisen – ganz der Botmäßigkeit der Oberen unterworfen. Und so gab das Volk in richtigem Gefühl nicht der schönen Gießerin schuld, die vielleicht auf ähnliche Weise dem Kurfürsten zu Willen gewesen wie die junge Frau Hornung seinem Vater – unter einem gewissen despotischen Zwang.

Jedenfalls sehen wir, wie es damals genügte, in einer kleinen Residenz dem Herrscher zu gefallen und zu Gefallen zu sein, um sich und seine Angehörigen ins Unglück zu stürzen.


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