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Prinzenliebchen

Welcher Prinz hätte wohl nicht geglaubt, daß die schönen Frauen hauptsächlich ihm ihr Leben und ihre Liebe zu widmen hätten? Und welche schöne Frau hätte früher nicht einem Prinzen den Sieg schon halb zugestanden – ja, den Prinzensieg vielleicht gewünscht? Der Prinzen und solcher Liebchen wird es Unzählige gegeben haben. Einige von ihnen sind in dem Abschnitt von den lustigen Weibern von Monbijou dargestellt. Die große Zahl aller darzustellen, wäre reizlos für den Leser. Doch muß auf eine besonders starke Persönlichkeit unter den Prinzen sowie auf ihren Kreis näher eingegangen werden, auf den Prinzen Louis Ferdinand. Über ihn wurde im Jahre nach seinem Schlachtentod bei Saalfeld im Zusammenhang mit den »Vertrauten Briefen über das innere Verhältnis am Preußischen Hofe« mitgeteilt:

siehe Bildunterschrift

Prinz Louis Ferdinand.
Nach einem Gemälde von Grassi

»Unter allen preußischen Prinzen tat die Natur am mehrsten für diesen. Sie gab ihm einen gesunden, schönen, starken Körper, die heftigsten Leidenschaften, aber auch einen hellen Verstand. Er durchblickt alles schnell, keine Wissenschaft, keine Kunst ist ihm fremd, er vermag sie sich alle anzueignen, wenn er will und worauf er gerade fällt. Der Wirkungskreis eines apanagirten Prinzen, eines Friedensgenerals war ihm zu klein, schon in der Rheincampagne zeigte sich sein feuriger Geist, denn wo es am schärfsten herging, da war er gewiß dabei.

Für ihn war nur der Königsthron, und da er ihn nicht besaß, so wußte er nicht, was er mit seiner Kunst anfangen sollte; er ließ also seinen Leidenschaften den Zügel schießen und gab sich ganz dem physischen Genusse hin. Bei Tage Champagner, des Nachts schöne Mädchen, zur Abwechselung Musik und Jagd, unter diese teilte er sein Leben. Die Menschen sah er als Produkte an, für seinen Genuß zu verbrauchen. Moralität war nicht in ihm.«

Andere beschrieben den Prinzen als »großen, herrlichen Fürstenjüngling«, als »jungen Achilles des Heeres«, als »hohen, schlanken Jüngling mit dunklem Gelock und wohllautender Stimme, bewundert und geliebt von dem ganzen Heer, der Erste in der Schlacht, der Erste bei Tanz und fröhlichen Festen; den man im Gefecht lächelnd einhergehen sah, nachdem ihm eine Kugel den Schoß des Überrockes weggerissen und das Pferd unter dem Leib getötet hatte«.

Die Zeit, die ihm der Dienst übrig ließ, verwandte er auf die Musik, sowie auf seine weitere wissenschaftliche Ausbildung, die er mit Ernst und Eifer betrieb. Er las philosophische, geschichtliche und besonders kriegswissenschaftliche Werke. Auch die schöne Literatur Deutschlands und Frankreichs blieb ihm nicht fremd; namentlich Goethe scheint ihn sehr gefesselt zu haben. Aber diese Dinge genügten nicht, um seinen regen Geist und seine mächtige Natur dauernd zu fesseln. Er genoß auch im vollen Maße, was die Stadt ihm an geselligen Vergnügungen bieten konnte.

siehe Bildunterschrift

Sintzenich: Prinz Ludwig Ferdinand.

Um ihn zu beschäftigen, hatte der König ihm ein Kommando in Magdeburg gegeben. Der Prinz war jedoch viel zu lebhaft, um mit dem Garnisonsdienst sich ausfüllen zu lassen. Er verbrachte die meiste Zeit auf seinem Jagdgut Schrike bei Magdeburg – beim Jagen und in froher Gesellschaft, bei Wein und Musik und in der Gesellschaft schöner Frauen, die in antiker Freiheit auf dem Sofa lagerten, scherzten, entzückten, hinrissen und dem Symposion jene Zartheit und Weichheit verliehen, die einer Gesellschaft von Männern unter sich durch ihre Härte und Einseitigkeit abgeht.

»Die Stunden verflogen uns an solchen Abenden und die Nächte hindurch ungemessen, und es geschah wohl, daß wir uns erst des Morgens um fünf, sechs, sieben, auch wohl um acht Uhr trennten, viele von demselben Stuhle aufstehend, auf den sie sich den Abend vorher niedergesetzt.«

Der Prinz muß ein außerordentlich überschäumendes Temperament besessen haben, das sich ebenso in lebhaftester Geselligkeit wie in seinen Beziehungen zum zarten Geschlecht austobte. Mit siebzehn Jahren trat er in Beziehungen zu einem Fräulein v. Schlieben, die 1789 deshalb vom Hofe mit 500 Talern Pension entfernt worden sein soll. Dann nannte man Gräfin Minette Schulenburg, Tochter des Ministers Schulenburg-Kehnert, Schwester der Fürstin Hatzfeld, ferner eine Französin, Mme. Compraitades, geb. Boully, von der es hieß, der Prinz werde sie heiraten – die Liaison fiel in die Zeit, wo die Schwester des Prinzen die Mesalliance mit dem Fürst Radziwill machte, ins Jahr 1796. Später, im Jahre 1802, erfreute sich der höchsten Gunst des Prinzen eine andere Französin, Mme. Laroche Aymon, deren Gemahl, Generaladjutant, Kammerherr und Liebling des Prinzen Heinrich, nachdem er vergebens verlangt, Prinz Louis solle die ihm entführte Frau durch eine Heirat zur linken Hand retablieren, mit einer ansehnlichen Geldsumme sich abfinden ließ, die Prinz Heinrich zahlte. Sehr oft und gern fand sich auch der Prinz im Hause der Gräfin Marianne Gurowska, Tochter des Ministers Bischofswerder, ein, die 1795 von ihrem Manne geschieden und mit 60 000 Talern Jahresrente ausgestattet worden war.

Der Prinz verehrte auch die schöne Königin Luise und später in lodernder Leidenschaft ihre reizende Schwester, Prinzessin Solms.

»Auch hierin«, sagt sein Adjudant Nostiz, »war der Prinz von den gewöhnlichen Söhnen der Erde verschieden und ein Titan. Er wahrte den Adel der Empfindung neben aller Frivolität in den Ausbrüchen des Temperaments.«

»Er war nicht, wie man ihn nannte, ein verlorener Mensch, denn bei den Weibern, beim Zechen und in allem wilden Wirbel der Jugend verlor er sich selbst nicht, blieb immer das, was er war, erhob sich bei der leisesten Anregung des edleren Stoffes, in dem Adel seiner Seele und in der Freiheit seines Geistes aus jeder Tiefe im Adlerfluge und ließ das niedere Volk weit hinter sich im Schlamme. Leichtsinnig in der Liebe wie ein altfranzösischer Mousquetaire, konnte er auch für ein reineres, höheres Verhältnis erglühen. Über seine Verbindungen gewöhnlicher Art rolle der Vorhang hinab, sie sind bekannt genug, aber Erwähnung verdient die zarte, altritterliche Liebe, die ihn an Emilia v. Rau, ein geistreiches Mädchen in Berlin, kettete. Wären die Briefe vorhanden, die er ihr geschrieben, man würde die Rosenjahre der Liebe aus dem Mittelalter darin wiederfinden. Leider wurden alle Biete der armen Emilie, die bald nach dem Tode des Prinzen starb, auf die flehendste Bitte der Verscheidenden in das frühe Grab gelegt.«

Bei seinem Tode hinterließ er zwei Kinder, Louis und Blanche, die im Jahre 1810 von dem König unter dem Namen v. Wildenbruch in den Adelstand erhoben wurden. Die Mutter der beiden, eine Demoiselle Fromm, war ein schlankes und wohlerzogenes Mädchen, jedoch ohne Aufflug der Seele, darum mußte sie auch im letzten Jahre der Frau Wiesel weichen.

Sie war die Tochter eines Hutmachers. Die Kinder hatte der Prinz seinem Kammerdiener empfohlen, der nach seinem Tode für sie sorgte, bis des Prinzen Vater etwas für sie tat. Ihr Nachkomme ist der Dichter Ernst v. Wildenbruch, der die Taten seiner fürstlichen Vorfahren in einer Reihe Dramen verherrlichte.

Zu den Lieblingsgewohnheiten des Prinzen gehörte frohe, den Geist beschäftigende Mitteilung, daher hatte er gern Abendgesellschaft um sich und verlängerte sie nach der Kollation oft bis spät in die Nacht hinaus. In der Sommerwohnung zu Moabit bei Berlin, angenehm an der Spree gelegen, die der Prinz vor dem Feldzuge 1806 bezog, ward der Tag mit Schießen nach dem Ziele, Rossebändigen, Musik und Gespräch verbracht. Hier in dieser Villa des Prinzen waren Johannes v. Müller und Humboldt (Wilhelm) sehr oft gesehene Gäste.

Die Honneurs machte hier Madame Pauline Wiesel, des Prinzen Freundin. An diese hatte sich der Prinz angeschlossen, zum Ärgernis der Welt. Obwohl von gutem Hause, stand sie in einem schlimmen Ruf. Sie wählte ihre Liebhaber nicht immer sorgfältig. Es war in ihr die freieste Ungebundenheit und eine muntere Keckheit gegen alles, was sie umgab und was sie gleich unter den drolligsten Beleuchtungen ihres regen Geistes darstellte. Es gehörte die gleiche geistige Ungebundenheit des Prinzen dazu, um der freien Pauline im Trotz gegen die Welt sich ganz hinzugeben.

Pauline Cesar wurde ums Jahr 1777 zu Berlin geboren. Ihr Vater stand in den Diensten des Vaters des Prinzen Louis Ferdinand und führte den Titel eines Geheimen- oder Kommerzienrates. Nachdem der Vater früh verstorben war, bezog die Mutter eine Pension von dem Prinzen. Pauline war der Liebling der Witwe und wurde von ihr offenbar aufs äußerste verwöhnt und verzogen. Nach den übereinstimmenden Zeugnissen der Zeitgenossen war sie ein wunderschönes Geschöpf, voll der reichsten Naturanlagen, aber ohne jede Bildung und von der vollendetsten sittlichen Haltlosigkeit. Nach Fanny Lewald hatte sie als junges Mädchen ein Verhältnis mit einem Russen, namens Schuwalow, der sie verließ. Diese Erfahrung scheint eine gänzliche Zerrüttung in ihr moralisches Dasein gebracht zu haben.

Nach diesem ersten Abenteuer scheint sich Pauline in den Kriegsrat Wiesel verliebt zu haben, dessen Gattin sie, vermutlich durch Vermittlung der Mutter, ums Jahr 1800 wurde. Wenn ein größeres Original als sie selbst zu finden war, so mußte es dieser ungläubige und kalte, aber wohlwollende und fähige Verstandesmensch sein, dessen nihilistische Betrachtungsweise der irdischen Dinge die letzten Moral- und Idealbegriffe der jungen Frau ertöten mochten, während auf der andern Seite seine äußerste Duldsamkeit gegen alle ihre Liebeslaunen für andere auch ihrem äußern Dasein alle Würde benahm. Man rechne dazu die sogleich nach Paris, in die Schweiz und nach Wien unternommenen, mehrjährigen Reisen unter Begleitung von Anbetern, und das Ideal der genialen Sinnesemanzipation ist erreicht, fast im Augenblick, wo Friedrich Schlegels »Lucinde« erscheint, und beinah' alle Romantiker die Erlösung des vergeisteten Fleisches oder des fleischgewordenen Geistes zu predigen beginnen. Das freilich mag Pauline wenig gekümmert, an des Gedankens Blässe scheint sie nie gekränkelt zu haben. Ein Mann gefiel ihr oder nicht, mit der Entscheidung dieser Frage war die Sache abgemacht.

siehe Bildunterschrift

Ramberg: Der neugierige Page.
Galanter Wandschmuck um 1800)

Nach den obenerwähnten Reisen kam das Ehepaar nach Berlin zurück, lebte aber getrennt, Wiesel im Gasthaus, Pauline bei ihrer Mutter. Nach Fanny Lewald lernte sie nun der Prinz auf einem Balle bei Frau von Grotthuß kennen, und sie liebten sich, sobald sie einander gesehen hatten.

Louis Ferdinand war damals schon um die Freiheit seiner Sitten und seiner Verachtung des Herkommens willen übel berufen.

Doch schien gerade in diesem Augenblick, durch sein Verhältnis zu Henriette Fromm, eine Wendung zum Besseren und zur Regelmäßigkeit eintreten zu wollen.

siehe Bildunterschrift

D. Chodowiecki
Die absichtlich schlafende Laura. (um 1780)

Varnhagen berichtet hierüber wie folgt:

»Schon längere Zeit hatte eine liebliche, sanfte Neigung zu einem Frauenzimmer guter Herkunft den Prinzen Louis ernstlich eingenommen. Er schien dem unsteten Wechsel gern zu entsagen, besonders da er sich als Vater zweier Kinder beglückt fühlte. Sein unbewachtes Herz fiel jedoch unerwartet neuen heftigen Eindrücken und leidenschaftlichen Regungen anheim, deren Gewalt ihn wie durch Zauber gefangen hielt. An Ordnung und Zusammenhang der äußeren Lebensverhältnisse war nun nicht mehr zu denken, die Verwirrungen mußten von innen und von außen zunehmen. Der Prinz hatte in der Friedrichstraße nächst der Weidendammsbrücke ein Haus gekauft, wo er mit den Seinigen leben wollte. Mehr noch reizte ihn die Zurückgezogenheit auf seinem Gute Schricke im Magdeburgischen, wo er die ihm erwünschten Tage in ruhiger Einfachheit mit Jägern und Pächtern zubrachte. Allein es stand nicht mehr in seiner Macht, einer solchen Richtung zu folgen. Die Forderungen des Lebens rissen ihn unwiderstehlich auf die andere Seite zurück.«

Ein Ausflug, den er im Jahre 1804 nach Österreich und Oberitalien machte, kann auch als ein Versuch gelten, sich den Verwirrungen aller Art, die ihn daheim beängstigten, zu entreißen. Wie toll diese Leidenschaft wenigstens von Seiten des Prinzen war, wie sehr sie auch durch Paulinens Launen und Taktlosigkeiten zur Qual wurde, dafür legen seine unten mitgeteilten Briefe an sie das sprechende Zeugnis ab. Allerdings hatten beide einander wenig vorzuwerfen, aber es scheint sicher, daß der Prinz mehr liebte und mehr litt als Pauline. Dafür sprechen auch die nachstehenden höchst günstigen Äußerungen Varnhagens über seinen Charakter im allgemeinen.

»In den Leidenschaften des Prinzen behielt immer die bessere Seite die Oberband.

Den Hauptanlaß zu begründeten Tadel gegen ihn gab seine Neigung gegen die Frauen. Aber gerade diese Richtung, die zur völligen Roheit sinken kann, erhebt sich ebenso leicht in edle Regionen, und Prinz Louis hat dargetan, daß der zarteste Sinn für Liebe bis zuletzt in seinem Herzen bewahrt geblieben.«

Pauline hatte den Prinzen nicht nur durch ihre Schönheit und durch ihre übersprudelnde Sinnlichkeit angezogen. Sie waren auch durch ihren freien Geist miteinander verbunden. Auf keinen Fall ist sie eine gewöhnliche Frau gewesen. Varnhagen, mit dessen Rahel sie auch befreundet war, schrieb später einmal von ihr:

»Pauline hatte ein großes Naturgefühl, das immer neu und frisch hervorströmte; sie hatte einen unbestechlichen Wahrheitssinn, der schlechterdings keinem Wahn, keinem Vorurteil huldigte, sondern sich an die klarste Wirklichkeit hielt, keine Süßigkeit und keine Härte des Vorhandenen läugnen oder ignoriren konnte; mit jeder sogenannten Bildung entbehrte sie auch jeden Nachtrab und Gräuel derselben, jede Bindung und Ziererei. In der Jugend war dies mit hinreißendem Liebreiz und der anmutigsten Persönlichkeit verbunden. Dieser Einsicht in Paulinens Wesen und diesen Eindrücken von ihr blieb Rahel zeitlebens treu, auch dann noch, als diese Eindrücke nicht mehr in gleicher Art gegeben wurden, sondern mit dem Schwinden der Jugend manches Harte und Unschöne in Pauline zugenommen hatte. Ihrer Natur mußte man vieles verzeihen, und man tat es gern, Rahel aus tiefer Überzeugung.«

Von ihrer Natürlichkeit und ihrem warmen Humor künden die folgenden kleinen Anekdoten:

»Der Ruf der schönen Pauline hatte schon sehr gelitten, und sie sich deßhalb von ihren Verwandten zurückgezogen, da begegnete ihr unerwartet auf dem Opernplatz eine Kousine, die sie sehr liebte, und mit der sie sich freute wiedermal recht plaudern zu können. Aber diese war befangen und verlegen, und die kluge, nachsichtige Pauline sagte gleich. ›O, ich weiß, Du bist auch ein armes Mädchen, das vor allem heiraten will, und da denkst Du, wenn man Dich mit mir sieht, kriegst Du keinen Mann! Komm, Du armes Wurm, hier hinter der katholischen Kirche, da können wir ein bischen auf und ab gehen, ohne daß uns ein Mensch sieht!‹«

Zu Lea Mendelsohn-Bartholdy, einer frühen Jugendbekannten, die sie in Berlin 1832 wiedersah, sagte sie, als diese ängstlich wurde, Pauline möchte in Gegenwart der Mendelsohnschen Töchter sich in zu freien Reden ergehen, ganz gelassen: »Liebe,seien Sie nur ohne Sorgen, wenn die Mädchen da sind, sag ich nichts!«

Von anderer Seite wurde sie der größten Unbildung und Unwissenheit geziehen. Aber das war ja nach Varnhagen ein Vorzug für sie. Auch soll sie manchmal den von glühender Leidenschaft erfüllten Prinzen abscheulich behandelt haben, soll ihn z. B. in strömendem Regen gegenüber ihrem Fenster haben stehen lassen, wo er wartete, nur um sie hinter ihren Vorhängen zu erspähen. Eine solche Szene wäre ja nur ein Beweis für die Tiefe der Empfindung beim Prinzen, der damit aus dem einseitigen, genußsüchtigen Wesen und der Frivolität des vergangenen Jahrhunderts herausgehoben wäre. Daß zwischen dem Prinzen und Pauline mehr als nur ein rotes Band der Sinnenfreude gesponnen war, dafür spricht ein Brief, den der Prinz wenige Wochen vor seinem Tode an Rahel geschrieben hat:

Leipzig, II. September 1806.

»Wie es mit meiner Liebe zu Pauline eigentlich ist, wäre schwer Ihnen zu schreiben, ich weiß nur, daß ich sie unaussprechlich liebe, und alle meine Gefühle erlangen in Einsamkeit und Entfernung mehr Kraft. Oftmals ist mir, als liebte ich sie ewig – lange schon hatte ich sie mir im Herzen und im Kopf. –

Ich sah sie wieder! Allein da war es, als wäre eine Mauer zwischen uns, ich suchte und doch fürchtete ich sie –, alsdann lernten wir uns kennen. Pauline mißgriff meinen Charakter, ich sah in ihr nur die Fehler, die Extuberanzen, die Auswüchse dieser reichhaltigen Natur, ohne sie eigentlich zu lieben, oder ohne diese Liebe in mir laut werden zu lassen; bis endlich, wie Sie wissen, es aufloderte, ich sie trotz den Menschen, trotz mir, ja ihrer selbst, liebte, jeden Tag mehr opferte, jedes Opfer mich mehr an sie band und festkettete; rechnen Sie noch hinzu, den ans magische grenzenden Liebreiz, den sie für mich hatte – den Stolz meines Charakters! Wie oft sahen Sie mich nicht kalt und resignirt, meiner Liebe bewußt, dasitzen, kalt und gleichgültig, wenn andere Pauline herabwürdigend, mich und meine Liebe vielleicht verspotteten. Noch etwas Schönes lag in meinem Herzen, ich habe zuweilen gehofft, die Reliquien von Paulinens schöner Natur zu retten – meine heftige, zärtliche Liebe sollte ihr Herz erwärmen – die Ideen des Guten und Schönen beleben, – sie sollte wieder an sich selbst glauben; ich dachte sie sollte das Edle, Gute in mir lieben und erkennen, mein Leben durch Genüsse aller Art verschönern – ; überdem ist bei ihr die Härte nichts weiter als die Reaktion der tiefsten Gebeugtheit, der Zerrüttung ihres Innern – sie hat nicht den Mut, zu zeigen, daß sie gut ist, nicht den Mut Gefühle an den Tag zu legen – ich habe sie erröten sehen, wenn sie etwas Gutes und Gefühlvolles sagte, als wenn ein anderer eine Sottise sagt – bloß weil sie fühlte, daß sie das Recht es zu sagen verloren hat.«

siehe Bildunterschrift

Pauline Wiesel

Viel großartiger und aufschlußreicher aber sind die Briefe, die der Prinz an seine Geliebte, an Pauline selbst richtete. Wir haben hier eine Anzahl von Bekenntnissen einer großen und glühenden Leidenschaft vor uns, wie sie nur selten zu finden sind. Hier können allerdings nur einige Proben stehen. Aber sie sind unentbehrlich für ein unmittelbares Bild der Leidenschaft dieses Prinzen.

»O trügest du unter dem liebenden Herzen ein Pfand der heftigsten Liebe – o welch ein Kind muß es werden, wo wir unsere beiden kraftvollen, energischen Existenzen vereint! Liebe Pelle, aber keine jener Spiele der Imagination mehr, – wenn sie aus üppiger Wollust entstanden, so verdammt sie die Liebe. Ein Blick voller Liebe, o was wäre über diesen! Ich zweifle nicht, daß die Explikation ganz unsern Wünschen entsprochen; bald sehe ich Dich, bedecke Dich mit tausend Küssen – – – – – Pauline, Einzige, komm in meine Arme! Doch, Pauline, laß uns weiser sein, quäle mich nicht, ich beschwöre Dich, noch bin ich so krank, daß ich schwerlich nach Wettin gehn kann. Geliebtes, einziges Wesen, auf ewig Dein

Louis.

 

»A Madame Wiesel

(Siegel ohne Namenszug)

Kann meine himlische Pauline Ihrem Louis nicht eine Minute schenken nur einige Worte mit Ihr zu sprechen sie an sein Herz zu drücken, Ihr noch über Ihren Brieff zu sprechen wäre ein unendliches Glück, – ich gehe jetzo bey den Cabinetsrath beym und könnte von dort einen Augenblick zur Tante – o Pauline bey allen was dir lieb erhöre meine bitte.«

»Liebe Pauline wie verwünsche ich jene unsehliche Hindernisse, die mich wieder heute von dir trennen; ich war so glücklich, athmete nur Liebe, genuß ... O Pauline gewiß du wärest glücklich durch mir gewesen, vielleicht hätte meine Liebe dein ganzes Herz erfüllt, o Pauline lebtest du stets mit mir dann gewiß würdest du mich lieben. Pauline einzige Morgen früh bekommst du einen langen Brieff, ich lebe nicht bis Morgen 5 Uhr, es ist die Zeit bis dahin für mich ohne Werth. Nur dann fängt meine existenz an.

Schlafe sanft liebe, und möge ein Traum dir deinen Louis zeigen voller Liebe so wie er ist.«

»Pauline, Liebe Pauline, überfallen wird dich dein Louis, dennoch nicht so, daß wir nicht des Lieben geweihten Liebestempels ganze Eleganz ganz genießen werden.«

»Nach so genußreichen Stunden Pauline die ich mit dir zubrachte! die du mir so wirklich einzig schenktest; wo du von mir dich entferntest um mit der Liebenswürdigkeit, Heiterkeit, ohne der praetension, mir etwa ein Opfer zu bringen! – der schändlichen Jahreszeit, den grundlosen Wegen wieder von neuem trotztest, muß wohl jedes andere mir, schrecklich scheinen – Alles üble, alles Misbehagen, kanst du nur aus mein innerstes vertreiben – allein es war zu glücklich! es scheint mir ein Traum! mein Herz, meine Imagination hascht darnach, und ich kann es nicht fassen diesen Zeitraum von Genuß von Liebe jenen steten Rausch – Es war ja nur eine Folge von Genuß von Liebe! ... «

siehe Bildunterschrift

W. Chodowiecki:
Eine Lagerszene bei Berlin mit galantem Besuch. (um 1800)

»Liebe Seele; alles sagst du hat sich gegen unsere Liebe verschworen – ! laß mich lieber sagen es stand Im Himmel geschrieben vom Schicksal von der Natur waren wir bestimmt uns zu lieben, so lebhaft ist dieses in meinem Herzen, daß ich es dir schwöre den Augenblick wo du mich verläßt zernichte ich mich! Nur sei unserer Liebe nicht klein, sondern sie spreche sich so aus wie es in unsern Herzen ist, dieses Schwanken dieses erbärmliche es muß weg aus deinem Herzen, deine Liebe muß deiner und meiner Werther noch werden, nicht war Pauline. Übrigens soll dein Wille ganz unsere Lebensweise bestimmen. Dein Glück ist das meine und nur das jenige was dich meine Pauline ganz glücklich macht kann mich ganz glücklich machen – verhele mir also nichts, sage und schreibe es mir stets wie es in deinem Herzen ist wie du es fühlst. Ganz für dich meine Pauline will ich leben und gewiß soll dieses Jahr nicht enden ohne daß uns die ängsten Bande verbinden. Liebe Freundin, wie oft denke ich an dem Augenblick der uns vereinen wird, meine Phantasie mahlt Ihm stets mit neuen Farben aus, Überfallen will ich dich, einen Abend solst du mich finden! ich will die Geliebte entkleiden, mit zarten Liebevollen Küssen jedes Glied bedecken, und dann will ich dich in meine Arme festhalten in himmlischer Liebevoller Umarmung und heiße Küsse und der Liebe süßes Gespräch sollen ... «

Dies war einer der letzten Briefe des leidenschaftlichen Prinzen, der bei seiner persönlichen Art, draufzugehen, bei Saalfeld fiel.

Daß auch Pauline sich eng an Louis gebunden fühlte, beweist der Auszug aus einem Brief von ihr an den Prinzen:

»Der Krieg – Du Krieger, Du Jäger, Du Musikus. So viel geht mich ab, Louis – und dann erst kömmt die Liebe. – Nein, Louis, erst die Liebe und dann das Überige – bei mich aber fällt keine Theilung vor, ich liebe nur Dich allein auf der Welt, Dich und Pauline, Du hast alles in mir getötet, ich weiß nicht ob mich das glücklich machen soll, oder ob es nicht vielleicht besser wäre, es wäre anders. Nein, Louis, es kann nun mal nicht anders sein. Vergiß mich nicht, schreib mich viel, doch nur wenn es Dich so zu Muthe ist, um keinen andern Gedanken – nur immer wenn Du willst nicht meinetwegen, Louis. Lebe wohl, meine Gedanken folgen Dich, ich bin ewig bei Dich, könnte mein Geist es Dich nur auf irgend eine Art wissen machen! Jeden Deiner Leute beneide ich, die das Glück haben Dich zu sehen. – Ach, Louis, warum dies ewige Entsagen in diesem Leben, in diesem kurzen Leben, warum bin ich nicht mit Dir! – Aus lauter Gründe, die alle tausendmal schwächer sind, als meine Liebe zu Dir, als das Glück, was es mich machen würde, bei Dich an deiner Seite zu sein. – Ach, Louis, ich muß schließen, aber wahrhaftig recht traurig, recht bewegt. Alles ist anders als man glaubt, als man denkt, ich bin so chikaniert von tausend Erbärmlichkeiten, und doch kann ich es nicht ändern – Louis eine, eine Stunde nur küssen

Pauline mußte sich zufrieden geben, daß sie allein zurückblieb, ohne im geringsten versorgt zu sein. Sie konnte bei ihrer lebhaften Natur nicht in ein zurückgezogenes Leben sich hineinfinden. Als im Jahre 1815 die großen Konferenzen in Paris veranstaltet wurden, traf der bekannte Politiker Gentz sie. Er half ihr bei der Regelung der Schuwalowschen Angelegenheit, die zu Beziehungen und schließlich zu einem Liebesverhältnis zwischen beiden führte. –

Pauline, die schon lange vom Kriegsrat Wiesel getrennt lebte, heiratete noch mit nahezu 56 Jahren einen französischen Kapitän und lebte bis zu ihrem 1848 erfolgten Tode in Paris und in der Nähe dieser Stadt.

Sie hat in ihrer natürlichen Sorglosigkeit keine Dokumente ihres Prinzen bewahrt. Aber ihre Freunde, besonders Varnhagen, konnten einiges aufbewahren – jene Briefe, aus denen die volle Sinnenlust des vergangenen 18. Jahrhunderts aufschäumt – aber auch schon die schwärmende Glut und romantische Empfindungstiefe der neuen Zeit. Dokumente einer stärkeren Liebe hat kein anderer Prinz hinterlassen. – –


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