Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XXXVIII

Da saß Robert nun wieder! Im blassen, bleichen Schein der Heimatsonne, nicht wenig erstaunt und verwirrt, von der großen Welt dem kleinen Vaterland zurückgegeben, wie eine falsche Münze von einem rasselnden Automaten verworfen und ausgespickt.

Er saß noch nicht manchen Tag zu Hause, als schon ein Brief von Arthur Almeira kam, aber adressiert an Roberts Vater:

Sehr geehrter Herr, wie wir hören, hat Ihr Sohn 264 Imfeld unsere Freunde in Sridharmaray verlassen. In Erledigung der letzten Abrechnungen desselben mit unserer Firma senden wir Ihnen beiliegenden Scheck zu Gunsten Ihres Sohnes. Wir bitten um Empfangsbestätigung. Bestens grüßend.

sig. A. Almeira.

Erst fast zwei Jahre später erhielt Imfeld, völlig unerwartet, auch ein Schreiben von Zahler, einen echten, rechten Jakob Zahler-Stern- und Nebelfleckenbrief:

P/473.

Herrn Robert Imfeld, Switzerland!

»Lieber Herr, Sie werden vielleicht denken, es sei sehr lange gegangen, bis Sie wieder von mir hören, dafür kann ich Ihnen aber jetzt berichten (und welche Gelegenheit nur abwartete!), daß Ihre Erwartung betreffend Sang Lung in Erfüllung gegangen ist. Härrgott! Mr. Clark schrieb mir gestern, daß die Gesellschaft unter stürmischen Verhandlungen und von wütenden Aktionären aufgelöst wurde. Das beste am ganzen Unternehmen war die viel zu klein dimensionierte Baggermaschine, deren zu kurzer Ausleger die erzführenden Schichten gar nicht zu erreichen vermochte.

Bin seit zwei Monaten nicht mehr mit Almeira, arbeite auf meiner eigenen Mine, habe aufgesteckt weil unlohnend. Im Lauf der letzten Woche schrieb den astronomischen Teil des hiesigen »Directory« für das nächste Jahr. Habe dadurch die Idee bekommen, einen Almanach für den 105. Meridian herauszugeben, 265 welcher in der ganzen Stundenzone Gültigkeit hätte und wofür man eines stetigen Absatzes sicher wäre. Habe dafür das Material noch nicht beisammen, sodaß vorläufig zu anderm Erwerb greifen muß.« –

Erwerb! fühlte Robert dumpf. Dann las er weiter:

»Erhielt vor eben einer Woche die Offerten eines amerikanischen Finanzspezialisten, dem es mit besonderem Erfolg gelingt, innert kurzer Zeit Minenunternehmen zu finanzieren. Ich habe deshalb den Plan gefaßt, hier Optionen auf Zinn- und Goldland einzugehn, wenn möglich auch selber Land aufzunehmen, dann hier eine Gesellschaft zu gründen, nach Kalifornien persönlich hinüberzugehn, um mit jenem Mann zusammen die Sache zu finanzieren.«

Hier mußte Imfeld sich etwas verschnaufen; nach einer Weile fuhr er mit der Lektüre fort:

»Ich glaube, das geplante Unternehmen erfolgreich durchbringen zu können. In die Geheimnisse der amerikanischen Geschäftsmethode werde zur Zeit brieflich durch einen Kurs in »Business Administration« der »La Salle Extension University, Chicago« eingeführt. Die weiteren Kenntnisse, die dadurch schon erworben habe, sind mir bereits in vielen Fällen von großem Vorteil gewesen. Die Gesellschaft würde je nach Bedarf ein Kapital von einer halben bis zu zwei Millionen mexikanischer Golddollar erhalten, um ein richtig organisiertes und ausgerüstetes Unternehmen zustande bringen zu können. Die Suche nach neuen Gold- und Zinnlagern hätte dann systematisch zu geschehen. An die Spitze dieses Zweiges würde natürlich einen Schweizer-Geologen stellen.« 266

Merci, dachte Robert.

»Ebenso möchte ein Tiefbohrzeug in Bewegung setzen, um nach Kohle und nach andern Mineralien in größerer Tiefe zu forschen. Heute noch werde an hiesige »Eastern Gazette« eine besonders interessante Mitteilung abgehen lassen, die vielleicht nicht geringe Folgen haben kann: Ein großer Sonnenfleck ist von bloßem Auge sichtbar, während derselbe letztes Jahr kaum bemerkbar war mit dem Theodolithen. Sagte deshalb auch voraus, daß bis zum 24. keine oder nur geringe Regen fallen werden und daß am 7. nächsthin die Trockenzeit wieder einsetzen wird. Ich bin nun gespannt, wie die Natur sich verhalten wird. Im ganzen genommen ists ja, wie Sie auch wissen, schwierig, hier das Wetter vorauszusagen....

In der Hoffnung, daß wir noch bei bester Gesundheit frohe Tage verbringen können, schließe ich mit meinen besten Grüßen als

Ihr Jakob Zahler.«

Kurz nachher, Robert lag an der Bergsonne in Arosa, kam nach vielen nichtssagenden Kartengrüßen auch ein längeres Schreiben von Schneider: »Ihre alten Freunde hier sind am Verschwinden. Dem Robinson scheint auf einmal sein roter Fleck zwar nicht ins Auge, wohl aber ins Hirn hineingewachsen zu sein. Er wurde unerträglich brutal, und Almeira & Co. sahen sich genötigt, ihn im Spital einsperren zu lassen, als er begann, sich einen Sport daraus zu machen, seine Tabakpfeife mit aus Banknoten gedrehten Fidibussen anzuzünden.... Und kürzlich nun hat er in die ewigen Jagdgründe hinübergewechselt (es heißt an den 267 Whiskysee!). Seine Frau soll ihm zur Ueberfahrt geholfen haben. In der »Eastern Gazette« stand zu lesen: Im Missionsspital zu Sridharmaray starb soeben 37 Jahre alt der bekannte, langeingesessene Europäer G. W. R. Robinson an – Gelbsucht.

Der Kau Dam gehört jetzt vollständig Almeira. Da nach Kriegsende die Erzpreise tief sanken, sodaß alle chinesischen Unternehmungen lahmgelegt wurden, kam er billig zu dieser Mine. Und es scheint nicht völlig ausgeschlossen, daß innert der nächsten zweihundert Jahre vielleicht irgend ein uns vorläufig unbekannter Urenkel-Almeira auf wahrscheinlich immerhin mysteriöse Weise ein Riesenvermögen machen könnte.

Glänzend, wahrhaft glänzend gehts laut monatlichen Bülletins dem Fortuna-Bagger, Monat um Monat produziert er 150,000 Pfund Zinn. Wie mein früherer chinesischer Vorarbeiter berichtet, arbeitet der Bagger jetzt dicht an Almeiras Konzessionen entlang. Mich reut mein schönes Bungalow, in dem jetzt ein lausiger Siamese als Wächter wohnt, fast mehr als Almeiras Millionen, die drunter begraben liegen.

George ist gleichsam sein eigener Angestellter geworden, hat jetzt den Posten von Robinson inne, registriert Erzverkäufe und liquidiert nebenbei seine Minen.

Ich selbst habe noch elend durch den Sumpf müssen. Ich kündigte Almeira meinen Vertrag, da mir eine Anstellung bei der Regierung durch einen Beamten zugesichert war. Inzwischen rüstete ich Koffern und Kisten, um all mein Hab und Gut (und auch die schönen 268 Holzschnitzereien) mit mir in die Hauptstadt zu nehmen.

Als ich Almeira verließ, machte ich selbstverständlich Ansprüche auf entgangene Ausbeute-Prozente geltend, denken Sie, drei Jahre härtester Hundearbeit im Urwald umsonst geleistet! Aber der alte Almeira schrieb mir sehr kurz zurück: »Dadurch, daß Sie uns verlassen, wir also nichts mehr von Ihnen profitieren, wird das seinerzeit von uns bezahlte Billet zum Geschenk an Sie!«

Daraufhin begab ich mich aufs Eisenbahndepartement, um nähere Information über meine neue Stelle zu empfangen. Diese lautete so: Ihren Vertrauensmann, der sich größere Betrügereien zuschulden kommen ließ, haben wir vor drei Monaten definitiv entlassen. Er hatte nicht nur keine Autorität, Sie anzustellen, sondern war damals selbst schon ohne Stelle. Für Sie, Mr. Schneider, ist leider kein Platz frei.

Jetzt Imfeld, versetzen Sie sich in Gedanken in meine Lage. Da saß ich nach drei Jahren hartnäckiger Arbeit ohne Geld in diesem teuren Osten, Kind und Kegel auf dem Buckel und die Reiseunkosten meiner Frau via Amerika hinaus, und war ohne Anstellung. Damals bin ich fast verrückt geworden.

Nach bemühendem Herumkriechen bei Ministern und hohen Beamten fand ich dann endlich auf dem Vermessungsdepartement einen armseligen, untergeordneten Posten. Aber erst jetzt, nach einem weitern halben Jahr, da ich, höchst zweifelhaft bei Schleusenbauten beschäftigt, in den Reisfelderebenen hinter der Hauptstadt habe leben müssen und da allerdings dann 269 Gelegenheit hatte, mich bei meinem einheimischen Vorgesetzten auszuzeichnen, erst nach diesem nochmaligen »Untendurch« habe ich jetzt eine endgültig hohe, schöne Anstellung als Chiefengineer des Königlich Siamesischen Gesundheitsamtes erhalten. Und da ich in Privatbetrieb nebenbei als Architekt tätig bin, (ich baue soeben gleichzeitig sechs schöne Europäerbungalows!) habe ich endlich mein anständiges Auskommen.

So steht es bei mir. Und sollten Sie, Robert Imfeld, die geringste Lust verspüren, nochmals in dieses verrückte, aber gleichwohl schöne Land herauszukommen, so würde sich wohl irgendwo und -wie ein neuer weißer Elephant finden.... Aber nicht wahr, lieber Imfeld, vergessen Sie nicht, hier draußen ist alles, alles immer ein bischen unbestimmt....«

 


 


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