Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XIII.

George Almeira saß immer noch in Bangkok, als Imfeld von seiner Inspektion bei Clark zurückkam. Niemand war in Sridharmaray, ausgenommen Robinson. So fand Imfeld den Augenblick günstig zu einem Besuch bei Schneider. Man hatte den Geologen zwar nicht um seine Meinung betreffend Gadscha puti gefragt, er könnte nichts mehr ändern an den Tatsachen, der Kauf war so gut wie perfekt, und so besuchte er denn Schneider in seinem neuesten Wirkungskreis nicht 102 als kritischer Beobachter, nicht als Geolog – als Landsmann und Freund in erster Linie.

Ueber den Wald und das Flachland guckte der Gadscha puti-Felsen, während links hinterm Dorf auf abgeholztem Platz die australische Maschine halbfertig montiert in die Luft ragte, vielversprechend, ermunternd und doch auf ihre Art fast drohend. Die Maschine ruhte noch auf dem Trockenen, schwamm noch nicht. Nur das Gerippe war zusammengefügt, das Gestell, das die Eimerkette ohne Ende tragen sollte. T-Eisen an T-Eisen, wurde der große Ausleger zusammengenietet. Alles hatte zum Transport zerlegt werden müssen, schlecht waren die Wege in diesem Land; Lasten von mehr als zehn Zentnern drückten den breiträdrigsten Karren ins Bodenlose. Aber das Pontum schien fix und fertig zu sein, ein Schiff, ein Kahn, ein Floß; es fehlte eigentlich nichts als die Hauptsache, die Eimer, die 32 Mäuler der Maschine, die den Sand herauffressen sollten.

Da der Abend nahte, beeilte sich Robert, zu Schneider hinauszukommen. Er war großer Erwartung. Was alles würde er dort sehn! Zweimal mußte er den kleinen River auf lottrigem Chinesensteg kreuzen, bevor er Schneiders Konzessionen erreichte.

»Grüß Gott!«

»Halloh Imfeld!«

Es war noch kein schönes Bungalow, wo Schneider wohnte, vielmehr eine recht primitive Bretterhütte, von frühern Prospektoren errichtet, ohne rechte Ventilation, tagsüber heiß wie die nubische Wüste, und bei Regen schloß das Dach nicht völlig dicht. »Nicht wahr, 103 hier könnte meine Frau nicht wohnen, aber wartet nur, Imfeld!« Der Ingenieur hatte seine zehn Koffern und Kisten schmunzelnd vom Kau Dam heruntergebracht. Jetzt sah's so aus, als habe er beschlossen, für ewige Zeiten in Gadscha puti zu bleiben. Er fühlte sich am rechten Ort, fühlte sich anerkannt, wollte arbeiten, arbeiten, daß es krachte.

Heute wars für einen Gang über Land zu spät, mit hunderttausend Stimmen sang und klang der Abend, die fliegenden Füchse zogen einem Schwarm wilder Gänse gleich über den abendlichen Himmel; der bleiche Gadscha puti-Felsen aus weißem Kalk war am Erlöschen. »Können Sie den weißen Elephanten sehn?« Imfeld machte es sich bequem auf einer Kofferkiste. Schneider hatte noch zu tun mit seinem »Kopf«, wie der Vormann seiner Kuli auf malaiisch hieß. Es ging nur langsam, es ging noch nicht sehr leicht mit der Eingeborenensprache, manches mußte Schneider zweimal erklären, zweimal fragen, diese verzwickten Kulinamen waren schwer zu verstehen und zu lesen, diese Namen auf der chinesischen Arbeiterliste lesen kann kein Europäer. »Und der Tong Eng, hat er heute gearbeitet?«

»Tong Eng.... tide, Tuan; Dia Banya leteh, t'a baik.«

»So, so ein fauler Kerl ist dieser Tong Eng,« dachte Schneider laut für sich, und zum Vorarbeiter sagte er: »Also, kita mau buang Tong Eng, diesen faulen Tong Eng schmeißen wir einfach raus!« Damit waren die Kuli für heute kontrolliert; keiner, der nicht für den täglichen Lohn gearbeitet hatte wie ein Roß!

104 Alim, Schneiders Boy trat ins Haus: »Tabek Tuan!« Auch Alim gefiel es in Gadscha puti wohl, auch ihm paßte die nahe Zukunft besser als jenes frühere Räuberleben auf dem Kau Dam. Vielleicht niemand in der ganzen Welt weiß einen vornehmen Herrn und Meister samt Villa und Beschaulichkeit besser zu schätzen als solch ein chinesischer Boy.

Jetzt war's Feierabend, und man hatte ordentlich Zeit, sich zu begrüßen. Wie schön in diesem halbwilden Land heimatliche Worte klangen! »Und....?« fragte Robert zu Schneider gewendet mit forschendem Auge.

»Allenthalben am Fluß ist Zinn zu finden, sind Spuren primitiver Arbeitsversuche der Eingeborenen zu sehn. Wer recht dahinter geht, kann zweifellos an Gadscha puti Millionen verdienen.«

Sie wußten beide, daß es zwei verschiedene Möglichkeiten gibt, die Reichtümer einer solchen Zinnerzalluvion zu heben: Entweder im offenen Betrieb, indem eine kiesgrubenartige Vertiefung ausgehoben und durch Pumpen trocken gehalten wird, um die erzführenden untersten Sandschichten offen abzubauen, oder aber –: an tiefliegenden, im Grundwasser leicht ersaufenden Orten wie hier in Gadscha puti ist die Baggermethode empfehlenswerter, wobei der Bagger in einem See von Grundwasser schwimmt und die unsichtbaren wertvollen Kiesschichten mit seinen Eimern unter Wasser heraufholt.

Um diese zwei Methoden ging die Diskussion. Der starke Gadscha puti-River, der wenigstens zur Regenzeit ungeheure Wassermassen heranwälzte, die tiefe Lage des Beckens von Gadscha puti, aber auch die 105 große Rentabilität der Methode und das Beispiel der erfahrenen Australier, alles das sprach zu Gunsten der Baggermethode. »Ganz selbstverständlich, daß wir einen Dredger in unsere Mine stellen!« Manches konnte man errechnen, wenn man Ingenieur war, erstaunlich, wie viel man auch ohne genaue Kenntnis des Grundes aus den Plänen erraten konnte. Einige grundlegende Daten mußten sogar die Fortuna-Konkurrenten, ohne daß sie es verhindern konnten, zu Schneiders Berechnung beisteuern.

»Hier sind im Monat 25,000 Dollar Reingewinn wohl möglich, oder 300,000 Dollar im Jahr. In sechzehn Jahren schafft Morisons Dredger gegen fünf Millionen rein aus dem Platz!«

In diesen Grenzen also bewegten sich Schneiders Hoffnungen. Darauf baute er seine Familie auf. Wie kläglich und jämmerlich war es doch, nur ein Geolog zu sein, mit zwar fixem Gehalt, aber ohne die geringste Möglichkeit zu Ausbeuteprozenten! –

Am andern Morgen gingen die beiden in die Mine. Der Ingenieur erklärte dem Geologen alles, was dieser noch nicht wußte. Und Imfeld seinerseits stellte Fragen: »Und was ist das dort jenseits vom Fluß? Jene Hütte oder was es ist, jenes Loch.«

»Das ist Ah Joy's Mine. Die wollen wir jetzt von nahem sehen. Kommen Sie, Imfeld.« In einer engen Flußschlinge lag, auf Tullys Grund, diese sogenannte »Chinesenmine«, die, heute verlassen und im Grundwasser versoffen, vor Jahren gute Resultate gab. Ein Weiher schlammigen, tiefdunkelgrünen Wassers, in 106 dem dickbäuchige Frösche quakten, lag diese Mine im Sand. Der ehemalige Erz-Waschkessel auf hohem Stangengerüst stand noch da, ein paar alte, baufällige Hütten, alles genau so, wie es war, als die Fluten der Regenzeit das ganze Loch überschwemmten. »Mitten in der Nacht kam es über die Mine, sogar die Pumpen und Dampfmaschinen blieben unten,« erklärte Schneider, »sehen Sie dort, eine Ecke des Maschinenhausdaches guckt noch aus dem Wasser!«

»Yes, Yes!«

»Die Mine bietet uns einen gewichtigen Vorteil: Einblick in den Grund zu gewinnen, den wir so schlecht kennen. Denn Ah Joy will sie auspumpen. Und wenn wir nach Ablauf der sechs Monate sehen, daß der Betrieb sich lohnt, können wir die ganze Einrichtung selber übernehmen.«

Imfeld hatte viel Freude, Gadscha puti gefiel ihm gut, schlecht sah's nicht aus, so viel, oder besser gesagt so wenig man nach dem bloßen Anblick urteilen konnte. Hier sieht man Anfänge zur Ausbeute, dachte der Geolog, wartet ein paar Monate, stellt diesem fulminanten Schneider alle eure Hülfsmittel zur Verfügung – Schneider schaffts. Seine schönen Schaftstiefel leiden zwar bei der harten Arbeit, es sind keine Sumpf- und Wasserstiefel, den Sohlen tuts weh auf dem Kalk und Granit, aber wartet nur....

»Hallo Mr. Snyder!« rief's plötzlich aus dem Busch, »inventarisieren Sie Ihre Millionen?«

»Wer ist dieser Räuber?« fragte Robert.

»Tully selber, mein Nachbar, er wohnt auf seinem kleinen Rest von Gadscha puti, der ihm bleibt.«

107 »Morning Mr. Imfeld, was sagen Sie zu Gadscha puti?«

»Very nice, indeed, yes!«

Tully, von Figur der reinste Kinoschauerdramentyp, wäre, dachte Imfeld, einer 100,000 Dollar-Gage sicher, wenn ihn ein Filmmanager fände. Ehrwürdiger Gentleman, väterlich guter Freund im Gesicht, wildost in Kleidern, ist es schade, daß er nicht weiß, welche Chancen er beim Kino hätte.

»Morison hat Mühe mit dem Bagger, Ersatzteile für die Maschine sind schwer zu bekommen. Almeira & Co. wird besser tun, einen ganz neuen Bagger zu kaufen!« sagte Tully.

»Jawohl, das werden wir tun,« meinte Schneider.

»Diese Stelle hier ist sehr reich, fünf Pfund, die Chinesenmine sechs Pfund. Sehen Sie dort, Mr. Imfeld!« Tully wollte weiter nicht stören, war ebenso plötzlich fort, wie er gekommen war. »Goodbye!«

»Sie Schneider, wie kommt es eigentlich, daß ein solcher Kumpan solche reiche Ländereien besitzt? Man muß doch einigermaßen Ordnung halten können, jahrelang Konzessionsgebühren bezahlen, Vorschriften die Grenzen betreffend erfüllen, was alles schwierig ist für einen solchen....«

»Tully war einst reich, sehr reich. Jetzt scheints ihm nicht mehr gut zu gehen, aber immer noch besser als uns. So weltweit gewirkt wie er hat nicht mancher. Der Tully, wenn er nicht so schrecklich unkultiviert wäre und im Rausch so falsch, und nicht so ungebührlich viel Geld aus Almeira & Co. herauszupressen suchte – interessant wäre er gewiß. Jedoch glaube ich 108 nicht, daß er von Minen viel versteht. Er ist einfach verwöhnt. Früher war er »bookmaker«, hat bei den großen Pferderennen als Wettenleiter an einzelnen Tagen Hunderttausende gemacht, war ebenso bekannt in Melbourne und Sidney, oder Calcutta und Bombay wie in Batavia. Und ist der selbe Tully, der in Capetown berühmt war. So lustig wie Tullys Lebenskurve buckelt keine sich zum Erfolg auf und nachher zur Tiefe. Jetzt hören Sie: Tully war wirklich in Südafrika und hat vor zwanzig Jahren den Burenkrieg mitgemacht, geriet in Gefangenschaft, saß in British India interniert, klopfte zwei Jahre Palmkerne und schleppte Pflastersteine.«

»Aber wie ist das möglich? In British Indien saß Tully gefangen? Ich dachte immer, dieser Tully sei ein Engländer.«

»Jawohl ist Tully Engländer, aber er hat, Gott weiß wieso den Burenkrieg auf Seite der Buren mitgemacht.«

»Und jetzt hier....?«

»Hier in Gadscha puti war Tully ursprünglich nicht allein. Es bestand ein ganzes Konsortium, das unsere Konzessionen aufnahm und auch ziemlich ausgedehnte Bohrungen ausführte. Tully schwatzt mir alle Tage davon. Diese Leute hatten alle miteinander Streit und schließlich verkauften sie ihren ganzen Besitz an Tully und einen gewissen Bell, der mit Tully verwandt war. Nach dessen Tod, der plötzlich im Dschungel, wahrscheinlich an Cholera erfolgte, »erbte« Tully das Ganze.«

Imfeld lachte. Schneider fuhr fort: »Die Papiere 109 sind völlig in Ordnung, ich habe alles genau verifiziert. Bloß zwei, drei Gartenrechte und Dschungelhütten müssen vor Inangriffnahme der Arbeit noch hinzugekauft werden. Und – die Uebertragung der Konzessionen auf Almeira & Co. geschieht in – Robinsons Namen, da die englische Gesandtschaft wünscht, daß Almeira als Nicht-Engländer einen Strohmann einschiebe. Aber das werden wir später einmal ändern.«

 


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