Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XVII

Imfeld war wieder einmal bei Schneider in Gadscha puti. Dort konnte man sich schön erholen von manchem, man durfte pfeifen wie einem der Schnabel gewachsen war, und konnte plaudern, und deshalb ging Imfeld gern nach Gadscha puti. Dort konnte er sein volles, übervolles Herz nach Belieben ausschütten.

130 Auf seinem Weg zu Schneider hinaus hatte Robert den australischen Bagger gesehen. Der war jetzt bald fertig montiert, schwamm auf dem Floß, schaffte aber noch nicht. Trotzdem er mit zolldicken Eisentauen verankert war, bebte er unter den stärksten Hammerschlägen wie ein Schiff auf dem Meer. Die eisernen dorngespickten Mäuler, von denen jedes auf einen Schnapp fast einen Cubikyard schluckte, die vierunddreißig Eimer wurden befestigt auf der Baggerkette. Wenn endlich alle da waren, auch die neuen, die notwendig wurden, – es war so schwer jetzt zur Kriegszeit, Material zu bekommen, und alles so teuer! – sobald diese letzten Schweißarbeiten beendigt waren, konnte das Ungetüm zu fressen beginnen. 20 Meter lang, 10 Meter breit, haushoch getürmt, wartete es auf Futter. Die chinesischen Schlosser, Mechaniker und Ingenieure, Muskelmenschen sympathischster Art mit nacktem Oberkörper, hämmerten, feilten, bohrten und sangen in eigentümlich abgerissenen Takten ihr uneuropäisches Arbeitslied....

Ununterbrochen brachten lottrige, quietschende Ochsenkarren Brennholz herbei, das in langen Wällen aufgestapelt wurde. Die neuen Lagerschuppen und die Waschplätze, wo das Erz aufbewahrt und zum letztenmal geschlemmt werden sollte, waren mit starken, hohen Zäunen umschlossen, saubere, sehr zivilisierte Chinesenvormänner, mit Tropenhelm ausstaffiert und den straffen, disziplinierten Zug des englischen Südens im Gesicht, standen herum, die Arbeit überwachend, und hie und da konnte man Mr. Morison 131 selbst seine Befehle erteilen, inspizieren und imponierend ruhig mitten in der großen Arbeit stehen sehn.

»So!« sagte Schneider stolz, »und jetzt wollen wir zu meinem Haus.« Auf neuen Stelzfüßen stand die Villa da, nicht weit entfernt von Schneiders Bretterhütte, im Rohbau mehr oder weniger fertig: »Großartig. Herrgott!« Nicht wie ein Grand Hotel mit hundert Zimmern, nein, aber praktisch eingerichtet, groß genug und klein in einem, mit schattigen Veranden vorn und auf den Seiten. Eine breite Holztreppe führte in Front zum Haupt- und Wohnraum, der zugleich Eß- und Empfangssalon war, links lag ein Büro mit separatem Aufgang für die Werkleute, mit denen der Herr von Gadscha puti zu unterhandeln hatte; dahinter ein Fremdenzimmer. In der Ecke rechts hinten wohnte und schlief der Herr Direktor samt Frau, der Raum war schön in den Dimensionen und hell – »kommen Sie, Imfeld, hier vorn neben dem Wohnvestibül, symmetrisch zum Büro....«

»Was haben Sie da noch?«

»Das ist das Damenzimmer, das Boudoir für meine Frau. Wenn sie nur schon da wäre! Glauben Sie, eine weiße Frau kann es hier aushalten?«

»Ich kenne Ihre Frau nicht. Es kommt auf ihren Charakter an. Eine Tanz- und Five o'clock-Mamsell wird sich, fürchte ich, im Dschungel schnell zu Tod langweilen. Uebrigens, hat Ihnen Almeira & Co. die Reise jetzt zu zahlen versprochen?« »Ja, ja, d. h. ich habe das Geld um hohe Prozente bei fremden Leuten pumpen müssen. George sagte aber, man werde mir das, sobald die Mine läuft, leicht zurückgeben können. 132 Und sehen Sie da,« erklärte Schneider, »alle Fenster dieses kleinen Zimmers werden mit Fliegenhausdrahtgitter versehen, – da drin kann man abends sitzen, lesen und plaudern, ohne von Moskitos belästigt zu werden.«

»Das ist wirklich alles fein ausgedacht.«

In der Wand zum Eßzimmer hinüber klaffte noch eine große Lücke. »Da hinein kommt ein besonders feines Stück Möbel, ein Hauptzierstück, das vorn im Eßzimmer Buffet ist, hier hinten aber zugleich Bibliothek und Nippestisch.« Draußen, am Rand des Gartens lagen Hühnerställe, Geräteschuppen und die Werkstätte der Zimmerleute und Schreiner. Und hier war der Mann, der das schöne Buffet macht. Ein Drechsler mit primitiver chinesischer Drechslerei: »Sehen Sie, was für kunstvolle Formen er dreht.« Was waren das für bizarre Schnitzereien! Ein Fries von chinesischen Heiligen und Teufeln, und Drachenfratzen für alle vier Ecken. »Die laß ich abnehmbar machen, die kommen einst mit heim nach Europa.«

»Haben Sie eigentlich auch Ferien in Ihrem Vertrag garantiert bekommen, Schneider?«

»Alle vier Jahre sechs Monate, aber erst nachdem die Mine schafft; bevor ich Geld habe, begehr' ich auch keineswegs Ferien. Und jetzt wollen wir zu Ah Joy.«

Die Chinesenmine schaffte. Da herrschte jetzt ein Leben! In diesem chinesischen Ameisenhaufen! Ah Joy dem Unternehmer war es jetzt zur Trockenzeit geglückt, einen Teil der alten Chinesenmine auszupumpen. Da hatte Imfeld jetzt einen schönen Einblick ins Profil von Gadscha puti. Ganze dreißig Fuß 133 hoch überlagerten die tauben, wertlosen Sandschichten den »Karang«, den erzhaltigen Sand; und Lehm, der beim Herauswaschen des Erzes hinderlich ist, gab's nicht allzu viel. Was eher als Hindernis in Betracht kam, waren die vielen großen Steinblöcke; konnte man wirklich einen solchen Grund, in dem auf einer Front von dreißig Meter zwanzig mehr als kubikmetergroße Blöcke lagen, mit einem Bagger bearbeiten? Das war eine Gadscha puti-Frage, die ernst genommen sein wollte.

Wunderschön, in der Tat, war das Erz, das da unten herumlag« Wie Graupelkörner nach dem Hagelschlag. Nicht ganz so groß, aber schwer wie Bleischrot lagen die Erzkörner über den anstehenden »bedrock« hingestreut. Kuli zu Dutzenden trugen den Grund mit Pickeln und einer Art Rechen ab, Wendrohre wie von Feuerspritzen unterwuschen die Sandmassen, schwemmten den Sand, das Erz und die kleineren Steine zum gurgelnden Schluckmaul der Pumpe, welche in einem Ruck die breiige Masse nicht nur bis zur Erdoberfläche hinaufbeförderte, sondern sogar noch höher auf einen auf stelzbeinigem Gestell liegenden Holzkanal, durch den die Sandmassen in den nahen Fluß weggeschwemmt wurden, während die schweren Erzkörner hinter Querhölzern in der Waschbahn liegen blieben. »Sehr schön!«

Und flott, wie diese Chinesen arbeiteten. Dreihundert chinesische Zentner à 50 Dollar rein, macht 15,000 Dollar im Monat – rechnete Imfeld.

»Und,« lachte Schneider, »eine Brennholzrechnung von 10,000 Dollar, und hohe Löhne für die vielen 134 Kuli, und beim ersten Wolkenbruch ersäuft das ganze Loch.«

»Sind Sie sicher?«

»Seit Ah Joy da ist, kontrolliere ich täglich seinen ganzen Betrieb. Wenn seine Arbeitserlaubnis abläuft, übernehmen wir seinen Betrieb – ganz gewiß nicht! Das garantiere ich. Ein Bagger ist das einzig wahre.«

»....der noch mehr Holz frißt!«

»Dafür schafft er zehnmal rentabler. Denken Sie die vielen Kuli, die in Wegfall kommen.«

»Oder stärkere moderne Pumpen?« warf Imfeld vorsichtig ein.

»Zur Regenzeit ist ganz Gadscha puti ein unterirdischer See, da helfen alle Pumpen nichts. Diese Chinesenmine ist noch jede Regenzeit ersoffen. Und nachher können Sie einen vollen Monat pumpen, bis sie nur wieder ans Erz gelangen. Nein, nein, nur eines kann helfen – ein Dredger, ich habe unsern Bagger noch lange nicht vom Programm gestrichen.«

»Wenn er sich nur nicht an den großen Blöcken die Zähne, will sagen die Eimer ausbeißt. Wenn man das teure Holz sparen und die Pumpen oder den Bagger anders treiben könnte! – Oelfeuerung!«

»Wird auch teuer bei dem weiten Transport.«

»Elektrizität?«

»Dazu ist der Gadscha puti-River leider zu klein.«

»Hm! Hm!« Das waren einige von den Fragen und Schwierigkeiten, denen der Manager zu Füßen des weißen Elephanten gegenüberstand. 135

 


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