Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XXIX

Sang Lung Tin Mining Coy. n. L.
G. m. b. H.
Agenten Almeira & C.

War das nicht eine Pracht von einem Briefkopf! Ein ganzer Stoß noch feuchten, neuen Geschäftspapieres, eben erst angekommen aus der Druckerei. Imfeld sah es auf Robinsons Pult liegen, als er sich nach einem ersehnten Brief aus der Heimat umschaute. Für Robert war die Ueberraschung ähnlich, wie wenn man auf dem Tischchen seiner Geliebten unerwartet einen Brief von fremder Männerhand findet. »Das kann nur etwas geheimes Neues sein, eine gottlose Neugründung, die man vor mir verheimlicht,« dachte der Geolog, »Herrgottsakerment!«

Es ist manchmal so schwer im Leben. Wenn man selber tatkräftig dreinfährt, kann alles zu Schanden gehen, will man aber gutmütig abwarten und dulden, wird man leicht ein fader Schauerbruder. Bevor Robert den Effekt seiner unerfreulichen Entdeckung recht 208 verdaut hatte, tauchte Robinson auf: »Clark ist da und möchte Sie sehen. Er wohnt im – Spital.«

Imfeld ging sofort trostsuchend hinüber. »Halloh!« Es war nichts sehr Schlimmes, wahrscheinlich nichts sehr Schlimmes, ein Geschwür am Oberschenkel, das Clark am Marschieren hinderte und behandelt sein wollte. Der Patient kochte übrigens vor Uebermut. »Any new white elefant? – Irgend ein neuer weißer Elephant?«

»Eine ganze Herde!«

»Almeira & Co. scheint um jeden Preis berühmt werden zu wollen.«

»Wegen Sang Lung, meinen Sie?«

»Natürlich. – Es nimmt mich wunder, was Thornton mit Almeira & Co. zu tun hat, Robinson muß ihm alle Augenblicke Geld auszahlen auf Befehl von George,« sagte Clark listig.

»Thornton vom Fortuna-Bagger?«

»Ja, hören Sie, Imfeld, es ist zum Lachen: George hat Thornton, den quasi-Verkäufer, Thornton, den Freund-Spitzbuben des Verkäufers und Besitzers von Sang Lung zum Abbohren und Prüfen des Grundes auserkoren und ihn schon jetzt geradezu als Manager und Direktor von Sang Lung eingesetzt.« Clark wartete mit ernstem Runzelgesicht die Wirkung seiner Worte ab und fuhr fort: »Thornton, dieser ungebildete Mechaniker, der, um die Löhne seiner Kuli zu addieren, einen chinesischen Schreiber beiziehen muß.« –

»Herrgottsakrament!« wollte Imfeld laut herausbrüllen. »Jede hergelaufene englische Schnauze findet 209 Georges Vertrauen, uns Schweizer aber, die wir es redlich meinen, läßt er im Dreck.«

»Ueberdies geht ein gerichtlicher Prozeß um die beste Konzession von Sang Lung, wobei noch gar nicht sicher ist, wer gewinnt, da der Gegenreflektant, ein einflußreicher Millionär in Singapur, mehr vermag als Thornton und Almeira alle miteinander. Auf jeden Fall ruht jede Arbeit in Sang Lung auf höhern Befehl, und es können Jahre vergehen.... Imfeld, Sie wissen.... bis....«

»Ja, ja.... Clark, woher wissen Sie das alles?«

»Mr. Almeira verlangte, daß ich unter Thornton bohren helfe.«

Nach einer Weile fragte Clark obenhin: »Was treibt jetzt Mr. Snyder eigentlich? Nach dem Debacle?« Und nun wurde es für Imfeld unangenehm. Er saß wie im Examen. »Das war vorauszusehen,« suchte er zu verteidigen, »daß jene oberste seichte Ecke der Mine schon ausgearbeitet sein könnte, und diese immerhin traurige Tatsache ändert nichts daran, daß Gadscha puti als Ganzes doch gut und reich ist. Und nun kann man die ersparten Bohrkosten als Trost buchen: eine richtige Erforschung des ganzen Areals hätte noch ganz andere Summen verschlungen, als dieses kleine Dampfmaschinenabenteuer.«

»Jawohl, aber Almeira wüßte endlich, woran er sei. Heute weiß Almeira nichts, wohl aber Morison.«

»Trotzdem ich selber ein wenig auf den Stockzähnen lachte, tat Schneider mir im Grunde herzlich leid. Er hat eine Frau und ein Kind und ist ein tüchtiger Arbeiter.«

210 »Aber verstehen tut er doch nicht viel, und weiße Ladies gehören nicht in den Dschungel. Und seine Dampfmaschine hat er, wie ich hörte, viel zu stark und starr fundamentiert – wie schon der Damm unnötig stark war. Uebrigens, Imfeld, kennen Sie die neueste schwerwiegende Gadscha puti-Deutung? Hören Sie, was Morison ursprünglich geplant haben soll: Er beabsichtigte, am zehn Kilometer nördlicher gelegenen Tadi-River, der fünfmal mächtiger ist als der Gadscha puti, an dem Schneider seinen Damm baute, ein regelrechtes Kraftwerk zu errichten und ganz Gadscha puti mit elektrisch getriebenen Pumpen größten Kalibers auszuarbeiten. Für den ganzen Platz, das kann wahrscheinlich auch Mr. Snyder leicht ausrechnen, würde sich eine solche teure Anlage lohnen, nicht aber für einzelne Teile. Denn nur ein ganz großes, teures Kraftwerk würde des vielen Grundwassers Herr werden.«

»So, so....,« Imfeld wollte lieber nichts Neues mehr hören und verließ bald darauf das Spital. Seinem Aerger machte er am gleichen Abend Luft. Er setzte sich hin und schrieb:

›Dear Mr. George Almeira!

Sie rieten mir zwar bereits einmal (und wahrscheinlich aus guten Gründen), nur der geologischen Seite von Almeira & Co. und nur auf Kommando, mein Interesse zu bezeigen, sonst aber zu schweigen. Da ich aber unterdessen oft sehen mußte, daß Schweigen fast gleichbedeutend ist mit Lügen, kann ich nicht tatenlos zuschauen, wie Sie in Sang Lung Dinge inszenieren, die dem primitivsten Menschenverstand zuwiderlaufen.

211 Begreifen Sie nicht, daß gerade ein Platz wie Sang Lung, der von andern, erfahrenen Firmen als ungenügend verworfen wurde, umso mehr Vorsicht erheischt. Und daß es ein Unding ist, den Verkäufer, den quasi-Verkäufer, mit der Prospektion des Platzes zu betrauen, diesen Thornton, der doch für den Chinesen handelt, für den Chinesen (jedenfalls gegen Bezahlung) mit der Option zu Almeira gekommen ist. Begreifen Sie denn nicht, daß Thornton, der vom Chinesen Tantiemen erhalten wird, falls die Bohrungen gut ausfallen, so daß Almeira kauft – der letzte Mann ist, dem man die Untersuchung des Platzes anvertrauen darf. Das begreift doch ein kleines Kind! Wenn das alles ist, was Sie in Gadscha puti gelernt haben, dann beginnt es mir schwer zu fallen, weiter für Almeira & Co. zu arbeiten. Auf jeden Fall wünsche ich hiermit feierlich festzustellen, daß ich nie etwas mit Sang Lung zu tun hatte, noch zu tun haben werde.

Getreulich Ihr Imfeld.‹

 


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