Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

XXVI

»Und nun? Sollen wir uns zur Pumpenmethode entschließen im ›open Cut‹ à la China mit Holzfeuerung?«

»Schließlich wird nicht viel anderes übrig bleiben.«

»Aber was wollten denn eigentlich die Australier mit Almeiras Land, wenn Tully es ihnen gegeben hätte? Sie hofften doch auch aufs Ganze. Morison hatte doch eine Option von 200,000 Dollar und er wollte sie ausüben, ging extra nach Australien auf die Geldsuche und hatte das Geld schon fast bereit, als George Almeira ihm zuvorkam.«

Ach, man kann eine Option eingehn, auch ohne daß man sie auszuüben gedenkt, aber solange man die 191 Option in Händen hat, ist das betreffende Kaufsobjekt gesichert. Im letzten Augenblick hätte Morison, auch wenn die Option verlängert worden wäre, diese fallen lassen, Almeira hätte sich in seiner Unternehmungswut inzwischen anderswo engagiert, und später hätte Morison als einziger Reflektant den ganzen heutigen Almeirabesitz um einen Papierwisch bekommen. Ihm konnte ja alles einerlei sein, fast einerlei. Er konnte sich sagen, bekomme ich die hundert dredgebaren Morgen, die Almeira jetzt hat, noch zu meinen dreihundert um einen annehmbaren Preis, umso besser. Wenn nicht, so sind meine eigenen Terrains für meinen alten Bagger vollständig genügend groß. So wichtig ist Gadscha puti mir nicht! Morison kann in aller Gemütsruhe warten. Tag um Tag arbeitet er mit Gewinn. Almeira dagegen verliert die Zeit, wagt weder dieses noch jenes Arbeitssystem, baut schöne Häuser in die Wildnis, baut unnötige, zehnmal zu starke Dämme in den siamesischen Dschungel hinaus, rodet den Wald, schlägt das halbe Königreich kahl, rennt tiefer und tiefer in Schulden und wird letzten Endes froh sein müssen, wenn er sein Land einem guten Nachbar halb umsonst zur Ausbeute anvertrauen kann....

Verfluchte Geschichte. Aber Schneider war noch lange nicht so weit, um zu verzichten. Gegen zwanzig Millionen lagen hier im Boden. Die müßten früher oder später raus! Schneider war ein energischer junger Mann im Vollsaft der Jahre, würde mit der Zeit Berge versetzen, und seine Frau war tapfer und hatte die Geduld, zu warten. Es war ihr zu Liebe, wenn Ingenieur Schneider wie wütend schaffte, seine Muskeln 192 spannte, an Almeira & Co. dramatische Briefe schrieb, in denen er tobte wie ein angeschossener Stier. Die oberste, am Fuß der Berge gelegene Konzession war vom Urwald gesäubert. Es war die einzige, für welche bis jetzt eine Arbeitserlaubnis ausgestellt wurde. Zwölf der großen hinterindischen Wasserbüffel, mit durch die Nasenscheidewand gezogenem Strick an einen Pfahl gebunden, standen im Kreis, unflätig schwere Tiere mit bis zwei Meter Hornspannweite, Elephanten von Büffeln, die einen dunkel wie feuchte Nilpferde, die andern mit der rosaroten Haut junger Schweine und bei näherm Zuschauen fein gesprenkelt wie rötlicher Alpengranit. »Alle diese Tiere gehören mir, Imfeld,« sagte Schneider, »Hut ab vor mir, eine schöne Kapitalanlage! Auch jenes Dutzend zweirädriger Karren, die ausgerichtet wie eine Batterie danebenstehen – auch die sind mein persönliches Eigentum. Mein ganzes Vermögen von dreihundert Dollar habe ich dahinein gesteckt und das meines chinesischen Boys. Wir werden Holz brauchen für unsere Dampfmaschinen, und die Holzlieferung besorge ich billiger als irgend ein einheimischer Unternehmer. Almeira bezahlt per Kubikmeter, ich liefere prompt. So schlägt man sich durch in der Welt.« Imfeld staunte, so praktisch wäre er nicht gewesen.

»Halloh, da kommt der Adlernasen-Tully!«

»Sie waren tief im Wald?« fragte er den Geologen (und meinte: was wird bei all der Mühe, die dieser ordentliche Mensch sich gibt, herausschauen!). Tully blinzelte, hatte die Tropensonne vieler Jahre in den Augen, wenn nicht etwas anderes.

193 »Reisen zu dürfen in diesem Land, ist eine Freude, Mr. Tully!«

»Yes, solange man jung und gesund ist.«

Die drei Miner wandten sich Schneiders Haus zu und brachen in die feine Villa ein wie mittelalterliche Krieger auf dem Raubzug, diese drei Rohentwürfe zu anständigen Männern. Tully war heute nüchtern und bewegte sich wie ein Bauer übers Parkett. Vor Madame in der Villa scheute der Abenteurer geradezu wie ein Kind. Er wußte, daß das nichts für ihn war, Komplimente und schöne Worte. Sein Goldsucher-Kauderwelsch aus Australien (dort war er irgendwo hinter einer Wüstenspelunke geboren), verstand nicht einmal ein rechter Engländer. Jetzt war er ausgesucht höflich. Worte wie »bloody« und »damned« brachte er so selten wie möglich, er sah in der Meisterin von Gadscha puti die schöne Frau. Er wußte, was das heißt, eine schöne Weiße. Seit Jahren aber lebte er jetzt auf allen Vieren mit dicken Siamesenweibern, hatte nicht mehr viel in Sachen Liebe zu erwarten, wußte selber genau, wie defekt er wirkte vor einer schönen Europäerin, die vielleicht noch dazu ein Kind erwartete. Für Frau Schneider, die eher zart aussah, mußte das scheußlich sein, immer wieder solche Einquartierung.

»Ja, Schneider, wie wurde eigentlich Robinsons Besuch?«

Frau Schneider beschrieb, wie es war: »Das Gastbett war am andern Morgen voll Blut. Von wem weiß ich nicht. Keiner der Gäste schien verwundet. Wir mußten das ganze Zimmer mit ›Carbolic soap‹ waschen, es war grauenhaft....«

194 »Besonders wenn man noch an Robinsons roten Fleck denkt.«

»Am andern Morgen, bevor es recht Tag war, brach G. W. R. in alle Schränke ein, trank vor dem Frühstück eine Flasche Malaga weg, das entschied die Affäre,« erzählte Schneider selber weiter. »Da Robinson mir früher manchesmal schön entgegenkam, konnte ich ihn nicht gut früher rausschmeißen. Nun aber wurde ich gern deutlich. Ich ließ kurzerhand das Auto vorfahren, und kurz nach dem überstürzten, mit Donnerworten gewürzten Frühstück reiste die Familie Robinson plötzlich ab. Solche Szenen laß ich mir einfach nicht bieten! Denken Sie, Imfeld, wie furchtbar dieser Besuch für meine Frau war.«

Im großen Ganzen konnte man zwar sagen, daß Frau Schneider sich in Gadscha puti recht ordentlich eingelebt hatte. Und neuerdings hieß es nun, Morison denke dran, seine Frau auch nach Siam herauszubringen. Vielleicht könnten dann die zwei weißen Ladies im Banne des »grünen Käfigs« ihre zwei Einsamkeiten ein wenig zusammenlegen.

 


 << zurück weiter >>