Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XXXI

Robinson hatte viel zu tun; seit einiger Zeit saß er viel länger im Office neben George, der am Hauptpult saß. Hatte vielleicht der alte Chef die große Arbeitskraft in G. W. R. erkannt und durch schöne Versprechen zu wecken gewußt? Robinson schrieb Briefe an die verschiedenen Minendirektoren von Long Rek, von Loh Hut, Kau Lek, nach Sang Lung, aber nach Gadscha puti wollte er nicht selber schreiben: »Was versteht ein solcher Häuserbauer wie Schneider von Minen. Man hats jetzt gesehen.«

George verteidigte Gadscha puti: »Ach, Mr. Robinson, hat man denn etwas anderes tun können? Wenn man doch die richtige Maschinerie nicht bekommt?«

»Ha, dieser Schneider, was hat er für die Firma verdient?«

»Heute abend wollen wir drüber reden, Robinson, ich habe noch zu tun.« So war Robinsons Hülfe nicht sehr viel wert. Immer wieder schwatzte er George störend in seine wichtigen Briefe hinein, in diese Briefe, die sonst schon so schwierig zu parieren waren, diese 220 ungehobelten Schweizerbriefe eines Schneider, Zahler und jetzt wieder eines Imfeld. George raffte sich auf und antwortete:

»....nach Ihrem werten Brief müssen wir Mr. Imfeld immerhin bitten, zu bedenken, daß nicht wir seine Angestellten sind, sondern...., und daß wir nur dann Mr. Imfelds Meinung zu vernehmen wünschen, wenn es uns notwendig scheint. Ihre voreingenommene Beurteilung unseres neuen Platzes, den Sie nie selber gesehen haben, weisen wir entschieden als Beleidigung zurück, und entbinden Sie hiemit von jeglicher Verpflichtung zur Mitarbeit in Sang Lung, welchen Platz wir, nebenbei gesagt, gern allein fördern wollen.«

Aber am Abend, bei Robinson draußen hübsch eingeladen im behaglichsten Haus von ganz Sridharmaray, da konnte jetzt Mr. George endlich reden wie er mochte und wollte; denn – was verstand dieser Robinson von Minen! Nicht wahr, mit niemandem sonst konnte George über sein großes Unternehmen reden, Mr. Clark hatte kurzweg die Arbeit unter Thornton verweigert, und der Geolog – nein, dieses Sang Lung ließ man deshalb nicht fahren, weil Imfeld nicht mitmachen wollte. George wollte gern zeigen, was er allein konnte, auch hatte er schon Uebung und Erfahrung, hatte schon mehr als einmal Katzen im Sack gekauft.

»Mr. Almeira«, fragte G. W. R., »ist Sang Lung schon abgebohrt?« Und jetzt konnte Robinson schöne neue Dinge zu hören bekommen. »Thornton hat einen prachtvollen Bohrplan gebracht. Sang Lung scheint 221 ebenso reich zu sein wie Gadscha puti: 900 Morgen à drei Pfund.«

»Dieser Thornton!« dachte Robinson.

»In drei Monaten hat dieser Thornton mit sechs Bohrmannschaften nicht weniger als 540 Bohrlöcher abgetäuft. Könnte das einer unserer Schweizer?«

»So schafft dieser Thornton«, rief Robinson erstaunt.

»Ja, wenn man die rechten Leute anstellt, gelingt alles.«

»Aber, und der Prozeß um die Hauptkonzession?« fragte Robinson in bescheidenem, tiefinteressiertem, teilnehmendem Ton.

»Den werden wir gewinnen! Und in einigen Tagen schon kommt Thorntons Vertrauensmann aus Australien, der Holzfachmann, der das Ponton für unsern Sang Lung-Dredger bauen soll. Und Thornton reist persönlich nach Sidney hinüber, um den Bagger zu holen, falls er unsern Zwecken entspricht.«

Robinson machte ein Gesicht, als hätte er seit vierzehn Tagen keinen einzigen Stengah getrunken: Was, ein solcher Thornton, der schon zu Beginn beim Verkauf von Sang Lung an Almeira ein halbes Vermögen machte, genießt Georges Vertrauen. Und wir.... wir alten Kämpen und Streiter....?

Es war eigentlich lustig, wie George jetzt mit diesem liederlichen Robinson freundschaftlich verkehrte, mit dem alten und allerersten seiner Sridharmaray-Kameraden, mit dem Engländer, als hätte er seine Landsleute längst ein wenig satt. Robinson war gegenwärtig ganz ordentlich und manierlich, hatte, 222 was er nur wünschen konnte, zur Verfügung, ein nettes Häuschen, wenig Arbeit, ein Automobil, das jederzeit für ihn und seine Chinesin bereitstand, und darum, aus allen diesen Gründen war Robinson nicht mehr so anspruchsvoll wie diese Schweizer, die nicht einmal recht siamesisch gelernt hatten in der langen Zeit und meinten, man könne in Siam schnell eine zweite Schweiz einrichten und müsse jede Kleinigkeit sofort tragisch nehmen.... Darum, weil er so schön warm mit George sich angefreundet hatte, konnte Robinson unbeschadet die intimsten Fragen wagen: »Was gedenken Sie jetzt mit Schneider in Gadscha puti zu machen?«

»Er wird die Maschine auf die benachbarte Konzession transportieren und dort weiterarbeiten, sobald wir die Arbeitserlaubnis für jenes Stück erhalten.«

»Da kann er schöne Ferien einschalten bis dahin, und schön in seinem Haus drin sitzen. Um eine Dampfmaschine im Dschungel herumzutransportieren, dazu brauchts keinen Diplom-Ingenieur samt Frau und großem Lohn.«

»Schneider ist auf Prozente gestellt!«

»Und die Liköre, guten Weine und übrigen extravaganten Dinge?«

»Keine Angst, das werden wir alles zur rechten Zeit von Schneiders Prozenten abziehen.«

»Aber die Reise seiner Frau hat doch Almeira & Co. bezahlt, wie Schneider selbst rühmte. So könnte auch ich eine Frau von Europa....«

»Das ist alles gelogen, wenn Schneider das wirklich sagte. Er wird das Reisegeld entliehen haben. Almeira & Co. hätte ihm allerdings das halbe Billet 223 mindestens bezahlt, wenn Schneider bis zum output hätte warten mögen. Niemand kann aber verlangen, daß Almeira & Co. so schnell....«

Aus irgendeinem mysteriösen, intimen Grund schien George diese Engländer, so lumpig einige unter ihnen waren, nötig zu haben, es zu schätzen, mit ihnen gut zu stehn. Aus einer Art Politik. Aber wer könnte diese Art Politik verstehen! Jetzt kam Robinson auf Parker zu sprechen: »Soviel man hört, scheint der Chiefengineer viel mehr zu bummeln als zu arbeiten,« so frech rückte Robinson auf, »und hat doch richtige englische Söhne zu Hause.«

»Seine Frau ist sehr reich«, erklärte George die Lage. Parker konnte also, trotzdem er zwei Söhne zu erziehen hatte, ruhig sein bischen Kraft und Monatslohn bei japanischem Bier in chinesische Schönheiten hineinwüten.

»Parker war früher ein rechter Mensch,« hatte auch Clark immer wieder beteuert, »er besitzt ein regelrechtes Ingenieur-Diplom, war lange in großen, bekannten Minen tätig, erst hier im Urwald, kein Mensch weiß wieso, verlor er den Weg. Viele meinen, weil er seine Frau nicht bei sich hatte.« Parker selbst entschuldigt sich immer gleich: Er könne seiner Frau aus guter Familie unmöglich zumuten, sein primitives Leben hier am Rand der Wälder mit ihm zu teilen. Sobald aber George mit größter Liebenswürdigkeit, und weiß der Teufel eigentlich aus was für Gründen, Parker vorschlug, man könne sein Haus einrichten, die Firma sei zu manchem Entgegenkommen bereit, sobald nur endlich die Mine Zinn 224 produziere – dann wollte Parker nie etwas von solchen Vorschlägen wissen. »Meine Frau spielt gern Harmonium und liebt Gesellschaft, das fehlt hier alles. Ein Harmonium in einem Dschungelhaus, das geht doch nicht.« So redete er sich heraus, George vertröstend, Zeit vertuend, inzwischen Monatslohn und Unkosten-Geld ziehend, weiter so lebend wie bisher, daß mancher geradezu dachte: »Vielleicht ist Parker in seine Meh Si verliebt oder in deren Schwester.«

George aber, der fest an Parker hing, es lieber gesehen hätte, wenn der Chiefengineer recht bald ein flotter Erzproduzent geworden wäre, statt noch ganz im Bierglas zu versinken, plante tolle Sachen, Handstreiche, meinte, man solle Parkers Frau einfach Bericht machen, einen Brief schreiben, alles kurz und bündig mitteilen. George war überzeugt, sie käme sofort. »Wie, Mr. Robinson, wenn man sie einfach kommen ließe?«

»Hinter seinem Rücken wollen Sie Missis Parker benachrichtigen?«

»Sie scheint an ihrem Mann mit viel Liebe zu hangen. Er will sie nicht. Ich glaube, ich schreibe ihr oder ich telegraphiere ihr, das wirkt schneller.«

»Aber was denken Sie, Mr. Almeira, dear George, das geht doch nicht. Sie würden Parker auf einen Schlag ruinieren; wissen Sie denn eigentlich wirklich nicht, daß Chinesinnen auf solche plötzliche Konkurrenz gern mit Gift reagieren?«

Zwei, drei weitere Abende gab Parkers Familienspektakel, von allen Seiten betrachtet, noch schöne Gesprächsstoffe ab. Dann kam etwas völlig Neues. 225 Plötzlich eines Mittags stand richtig der angemeldete Floßbaumeister, namens Sharp, in Almeiras Office.

Einäugig nur, auch inwendig halb blind, fand Thorntons Vertrauensmann nicht ohne weiteres Robinsons Anerkennung, trotzdem dieser Mr. Sharp nichts weniger als ein »Neuer«, ein Greenhorn und auch kein Schweizer, sondern offenbar ein etwas rauher, harte Arbeit bei kargem Lohn gewöhnter australischer Handwerker war. Furchtbar war es, zuzusehen, wie dieser Mr. Sharp mit George zusammen rechnete, stundenlang, ganze Tage lang. Man mußte das mitangehört haben. Mit merkwürdig australischen Buschnegermaßen titulierte und maß er seine Balken und Träger. Die doch gewiß nicht sehr bequemen englischen Zoll-, Fuß- etc. Maße wurden geradezu zu Annehmlichkeiten, zu Kinderspiel neben Sharps australischen Maßeinheiten, deren Umstellung auf allgemein verständlichen Boden dem Australier schier den Angstschweiß austrieb. Er rechnete, stöhnte, schneuzte laut durch das linke Nasenloch, das rechte mit dem Daumen verhaltend. Dann schaute er mit seinem einzelnen Auge so lange querfeldein durchs Fenster, bis George, der immerhin diplomierter Ingenieur mit Rechenschieber war, die schwere Kalkulation überwältigte.

Robinson fragte George lachend: »Glauben Sie, Thornton werde zurückkommen? Nachdem Sie ihm eine halbe Million mitgegeben haben! Der wird ein paar schöne Jahre haben in Australien drüben.«

Nun lachte auch George einfach mit: »Robinson, 226 wenn Sang Lung gelingt, machen wir alle miteinander ein Fest.«

»Aber ohne diese Schweizer.«

Die Frage nach Thornton war natürlich durchaus angebracht. Alles war möglich, Thornton hatte gebohrt, er kannte Sang Lung. Wenn der Platz schlecht war, wozu sollte er zurückkehren? Waren aber wirklich drei Pfund per Kubikyard vorhanden, so wäre es immerhin denkbar, daß Thornton gern zurückkam, um eines Tages als Baggerkapitän den stolzen Posten bei Almeira & Co. in Sang Lung einzunehmen.

 


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