Hans Morgenthaler
Gadscha puti
Hans Morgenthaler

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XXIV

Halloh, Imfeld war endlich einem Platz auf der Spur. Am Kau Yai, am großen Waldberg. Es war nicht ein Riesending von mehr als tausend Morgen, aber reich, reich, wirklich drei Pfund Grund. Etwas abgelegen war zwar diese Mine, das war nicht zu bestreiten. Sechs Stunden würde der Büffelkarren brauchen bis zum nächsten Fluß, der zur Trockenzeit nicht einmal schiffbar war, und ebenso schwierig wie mit dem Transport stands mit der Wasserfrage. Er war aber einem Bergbach auf die Spur gekommen, der mächtig genug war. Die Einheimischen nannten ihn Klong Moke, schienen aber nicht zu wissen, woher er kam. Alles sah ermutigend aus, nur mußte er so hoch oben gefaßt werden, um über die Wasserscheide auf die Mine gebracht zu werden, daß Robert fürchtete, dieser schöne Bach werde an so hochgelegener Fassungsstelle auch wieder nicht genug Wasser führen.

Er versuchte diesen Klong Moke zu erforschen. Wie lustig es war, seine Irrfahrten quer durch den Dschungel, durch Bäche und Schluchten, über Hügel und Berge hinweg abends am Tisch zum Plan auszuarbeiten, daß man mitten im unübersichtlichen Wald endlich sah, wo man war! Er folgte dem Bachlauf von unten, mühsam von Bogen zu Bogen, aber steile, glatte Wasserfälle, Felsen, Stechpalmendickichte und 180 dichtverwachsene Lianenvorhänge trieben ihn unverrichteter Dinge zurück. Kurzerhand quer durch den Wald, dachte Imfeld, ist's besser und kürzer, aber bald wußte weder er selbst noch irgend einer seiner Kuli, die Schritt um Schritt den Weg schnitten, wo eigentlich das Ziel lag. Nun erzwang sich Imfeld einen Uebersichtspunkt, den er endlich nach langem Tagwerk auf dem Gipfel eines Hügels nach einigem Roden und Besteigen eines Baumes fand. Von hier aus sah er durch die Aeste den Punkt, wo er seinen Marsch ins unbekannte Waldmeer starten wollte und vermochte sich die Richtung zu merken. Und immer dem Kompaß folgend, traf er am nächsten Tag nach mühsamen Stunden schön hoch oben in den Bergen seinen gesuchten Klong Moke.

Wasser war gottseidank viel da. Herrlich viel, sogar jetzt zur trockenen Zeit! Dieses Wasser wurde sofort gemessen. Imfeld war kein Ingenieur mit Diplom, aber auf einige Fuß mehr oder weniger kam es auch bei dieser Schätzung nicht an. Das Bachbett war eine rauhe Schlucht, doch endlich war eine ordentlich regelmäßige Strecke von einem Dutzend Fuß Länge gefunden, wo Robert messen wollte. Er machte sich einen geeigneten Schwimmer, klemmte einen Stein in ein passendes, trockenes Stück Holz, daß es, eben recht schwer, ein paar Zentimeter unter der Oberfläche mitten im Bachbett schwimme. Die zehn Fuß lange Strecke legte dieser Schwimmer in zehn Sekunden zurück. Und nun der Querschnitt! Das Bachbett war felsig, zeigte Nischen, tote Winkel und Vorsprünge, da war eine rohe Schätzung mehr wert als Allzugenaues. Drei auf 181 vier Fuß – allright, can do! 720 Kubikfuß in der Minute führte der Moke-Bach.

Solche fixe Daten waren die Mühe eines Tages wert. Jetzt ging Imfeld heim, durfte ruhig ausruhn, ein wenig vors Bungalow sitzen. Für fünfzig Dollar hatte sich der Geolog eine Bambusvilla aufstellen lassen, auf einem kleinen, kahlgeschlagenen Hügel, von wo er die ganze zukünftige Mine überschaute. Da wohnte er für einige Wochen mit seinem chinesischen Kuli, tags in den Bergen herumschweifend, die Arbeit der Kuli in den Schächten kontrollierend, und abends saß er auf dem obersten Tritt der Hühnerleiter seiner Residenz, lauschte wie die Nacht am großen Waldberg hochstieg, sah die Sterne aufgehn, vielleicht durch den Gesang der Grillen hervorgelockt, und fühlte sich in seiner Weltabgeschiedenheit froher und inniger zu Hause als in der Stadt unter seinesgleichen.

Heilig waren Robert diese Tage der Arbeit, diese Nächte der Einsamkeit fern dem Getriebe der Welt. Wenn er auch im Dampf und System und im ganzen lärmigen Betrieb europäischer Technik nicht das höchste Ziel und die letzte Endweisheit zu sehen vermochte, so stand er doch selbst viel zu tief im Banne der Arbeit und der Liebe zur Entwicklung, als daß er nicht Freude empfunden hätte, diese Kultur, die nun einmal die seine war, in die unermeßlichen Wälder dieses Landes tragen zu helfen. Und seine Arbeit tat er ebenso treu und hingegeben wie Schneider. Und wenn auch Imfelds Kulihorden nicht so glänzend organisiert waren wie die von Gadscha puti und eher plündernden Nomadenscharen glichen, die sengend und brennend 182 ins Land der Affen und anderer niederer Völker eindrangen, so waren doch Roberts Ziel dieselben Methoden und Künste wie diejenigen Schneiders.

Gigantisch, sagte sich Imfeld, wird die Mine, die ich plane, nicht. An einen Bagger, der 100,000 Kubikyard im Monat frißt, ist hier nicht zu denken, aber manchmal ist das Kleine und Bescheidene das Wahre.

Wie groß die ganze Proposition ist, wird die Zeit lehren. Guter Grund für zehn Jahre intensive Arbeit ist heute schon nachgewiesen. Freilich, der Ingenieur, der die Druckleitung zu erstellen hätte, müßte ein ganzer Kerl sein, dachte Imfeld, ein Schneider! Einer, der dem chinesischen Bauunternehmer die ganze Installation als Kontrakt anhängt, bei dem der Unternehmer verliert und schließlich sehen muß, wie er durch Beschneiden der Löhne seiner Kuli auf die Kosten kommt.

Aber wenn einst die ganze Installation funktionierte, wollte Imfeld hier gern Manager sein. Einen solchen kleinen, aber sichern Betrieb zu leiten, nicht als Egoist und schlechter Hund zum Nachteil seiner Mitmenschen, schwebte ihm als Ideal vor Augen. Ein solches Plätzchen wünschte Robert den vielen Sehnsüchtigen im europäischen Gedränge. Hier am großen Waldberg wollte er gern selber Herr sein! Wollte in seiner Bambusvilla das verlorene Paradies rekonstruieren, wie Abraham der Kinderreiche von kindlich ergebenen Urwaldmenschen verehrt. Und dann und wann würde er ins nächste Dorf hinuntersteigen und ein paar schöne Mädchen holen, und die würden gern mit ihm zusammen wohnen....

183 Das Schönste im Leben sind Träume. Aber Sitzen und Träumen war nicht die Bestimmung des Geologen. Bald würde ein solches Leben langweilig. Imfeld war viel zu sehr Sucher, Entdecker und Wanderer. Wanderer haben weder Heim noch Heimatrecht auf Erden. Bald würde ein drängender Brief von George aus der großen Stadt kommen: »Mr. Imfeld möge bitte sich beeilen, wir müssen noch viel mehr reisen.... Wir haben noch so vieles anzusehn....«

Und ein solcher Brief kam leider wirklich bald.

 


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