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Universitätsunterricht und Konfession.

Münchner Neueste Nachrichten 15. und 24. November 1901; abgedruckt Hochschulnachrichten XII, 2 (1901) S. 25-27.

Es geht durch die deutschen Universitätskreise das Gefühl der Degradierung. Unser Lebensnerv ist die voraussetzungslose Forschung, diejenige Forschung, die nicht das findet, was sie nach Zweckerwägungen und Rücksichtnahmen finden soll und finden möchte, was anderen außerhalb der Wissenschaft liegenden praktischen Zielen dient, sondern was logisch und historisch dem gewissenhaften Forscher als das Richtige erscheint, in ein Wort zusammengefaßt: die Wahrhaftigkeit. – Auf der Wahrhaftigkeit beruht unsere Selbstachtung, unsere Standesehre, unser Einfluß auf die Jugend. Auf ihr ruht die deutsche Wissenschaft, die das Ihrige beigetragen hat zu der Größe und der Macht des deutschen Volkes. Wer daran rührt, der führt die Axt gegen den mächtigen Baum, in dessen Schatten und Schutz wir leben, dessen Früchte die Welt erfreuen.

Ein solcher Axtschlag ist jede Anstellung eines Universitätslehrers, dessen Forschungsfreiheit Schranken gezogen werden. Abgesehen von den theologischen Fakultäten ist der Konfessionalismus der Todfeind des Universitätswesens. Die Berufung eines Historikers oder eines Philosophen, welcher katholisch sein muß, oder protestantisch sein muß, und welcher dieser seiner Konfession dienstbar sein soll, heißt doch nichts anderes, als den also Berufenen verpflichten, seiner Arbeit da Grenzen zu setzen, wo die Ergebnisse einem konfessionellen Dogma unbequem werden könnten, dem protestantischen Historiker verbieten, das gewaltige Geisteswerk des Papsttums in volles Licht zu setzen, dem katholischen, die tiefen Gedanken und ungeheuere Bedeutung des Ketzertums und des Protestantismus zu würdigen. In dem kläglichen Armutszeugnis, das die Konfessionen damit sich selbst ausstellen, wenn sie ihren Anhängern verbieten, Geschichte oder Philosophie bei einem Lehrer anderer Konfession zu hören, und gegen etwaige Irrlehren das Mittel der Ohrenverstopfung verordnen, liegt zugleich eine der Allgemeinheit drohende Gefahr. In seinen Anfängen ist der Krebsschaden heilbar; späterhin ist er es nicht mehr.

Möchte jeder junge Mann, den der Universitätsberuf auf diese schwierigen Gebiete lockt, immer und vor allem dessen eingedenk bleiben, daß für den echten Erfolg die erste Bedingung der Mut der Wahrhaftigkeit ist, daß der Fanatiker, der die Wahrheit nicht zu begreifen vermag, nicht an die Universität gehört, noch weniger aber derjenige, der insoweit konfessionell ist, als er dabei zugleich ministeriell bleibt. Gewiß kann auch er als Gelehrter tüchtige Arbeit leisten; aber auf die Selbstachtung und auf die Achtung seiner Standesgenossen und der für den Seelenadel feinfühligen Jugend muß er verzichten.

Möglichem Mißverständnis zu begegnen, mag noch hinzugefügt werden, daß hier die Rede ist lediglich von den prinzipiellen Fragen, ob es gerechtfertigt ist, Universitätsprofessuren, außerhalb der theologischen Fakultäten, nach konfessionellen Rücksichten und mit konfessionellem Rechtszwang zu vergeben. Wie in dem einzelnen Fall der Ernannte sich persönlich zu seiner Konfession stellt, was er als Protestant oder als Katholik sein will oder sein soll oder sein kann, kommt dabei in keiner Weise in Betracht. Der Schlag gegen die Universitätsfreiheit bleibt der gleiche, mag er in der besonderen Anwendung die eine oder die andere Konfession, diese oder jene Richtung treffen.

Möchte somit ein jeder, der bei der Anstellung von Universitätslehrern mitzuwirken berufen ist, dessen eingedenk bleiben, daß die voraussetzungslose Forschung, das heißt die Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit des Forschers das Palladium des Universitätsunterrichts ist, und sich hüten vor dem, was nicht verziehen wird, vor der Verleitung zu der Sünde wider den Heiligen Geist. Die Hoffnung wird vielleicht nicht täuschen, daß damit die Gesinnung unserer Kollegen zum Ausdruck gebracht wird.


Nachdem die geehrte Redaktion sowohl meiner durch die jüngsten Universitätsvorgänge hervorgerufenen Erklärung, sowie auch der Einwendung des Herrn Prof, v. Hertling Aufnahme gewährt hat, wird sie auch mir wohl noch in dieser wichtigen Sache ein zweites Wort verstatten. Wer Mißverständnisse aufzuklären versucht, pflegt neue zu schaffen; darum muß es dennoch versucht werden, nicht um zur Verständigung zu gelangen, welche bei derartigen Differenzen ausgeschlossen ist, aber wenigstens um vollständig verstanden zu werden.

Die Voraussetzungslosigkeit aller wissenschaftlichen Forschung ist das ideale Ziel, dem jeder gewissenhafte Mann zustrebt, das aber keiner erreicht noch erreichen kann. Religiöse, politische, sociale Überzeugungen bringt ein jeder von Haus aus mit und gestaltet sie aus nach dem Maß seiner Arbeits- und Lebenserfahrungen; und wenn es auch unsere heilige Pflicht ist, nach dem Verständnis auch der uns entgegenstehenden Anschauungen zu suchen und ihnen nach Möglichkeit gerecht zu werden, »alles zu verstehen und alles zu verzeihen« ist eine Gottähnlichkeit, deren kein Sterblicher sich vermessen wird.

Es kann darum auch dem wahrhaften Katholiken daraus kein Vorwurf gemacht werden, daß seine Weltanschauung und also auch Forschung und Lehre ihm durch seinen Glauben beeinflußt wird, vorausgesetzt immer, daß er sich selber gegenüber wahrhaftig bleibt und nicht aussagt, was sein Verstand als falsch erkennt. Inwieweit er durch das Verhältnis zu seiner Kirche gezwungen werden kann, seinen Verstand gefangen zu nehmen, mag hier unerörtert bleiben; es gibt weite wissenschaftliche Gebiete, welche durch dieses Dilemma nicht berührt werden.

Wogegen wir uns wenden, ist keineswegs die Vertretung der katholischen Weltanschauung an den deutschen Universitäten und die paritätische Berücksichtigung auch der katholisch gesinnten Gelehrten, wir wenden uns lediglich gegen die rohe Verkörperung der wissenschaftlichen Parität dadurch, daß man einen Professor anstellt für protestantische und einen anderen für katholische Geschichte oder Philosophie oder Socialwissenschaft.

Die Stellung der Konfessionen ist in dieser Beziehung wesentlich dieselbe wie die der philosophischen, der politischen, der socialen Parteien. Man fordert auf diesem Gebiet von den Universitätsverwaltungen eine gewisse Unparteilichkeit; es ist vor Zeiten der preußischen verdacht worden, daß sie nur Hegelinge zum philosophischen Katheder zuließ, und man verübelt es ihr heute vielfach, daß sie den Kathedersocialismus großgezogen hat, weiter daß sie die agrarischen Sociologen nicht ausreichend berücksichtigt. Wie man über eine solche mindestens recht schwierig zu effektuierende Unparteilichkeit immer denken mag, es liegt diesen Anforderungen das richtige Gefühl zu Grunde, daß die Universitäten, ihrem Namen entsprechend, den ungleichen Weltanschauungen die Tore offen halten sollen. Wir denken sehr verschieden; aber noch ist kein Akademiker darauf verfallen, auf diesen Gebieten die Zaunordnung einzuführen und für die entgegengesetzten Auffassungen besondere Kämmerchen einzurichten. Die Universität ist der große Fechtboden des deutschen Geistes; wir bekämpfen unsere Gegner außerhalb und innerhalb derselben, indes auf demselben Waffenplatz und mit gleichen Waffen. Aber ihren Waffenplatz für sich und ihr ungestörtes Eckchen begehren diejenigen Katholiken, welche derartige katholische Professuren fordern. Würden ihre Interessen mit etwas mehr Geschick und Geist geführt, so würden sie die ersten sein, sich derartige Einrichtungen zu verbitten, nicht bloß weil sie damit dem Katholiken zumuten, ohne Prüfung zu glauben, sondern auch weil sie ihre Inferiorität auf all diesen Gebieten damit förmlich und offiziell konstatieren. Daß ein tüchtiger Gelehrter darum zu keiner Anstellung gelangen kann, weil er Katholik ist, wird heutzutage schwerlich behauptet werden. Bei denjenigen Professuren aber, für die die erste Bedingung der Katholizismus und die zweite die Tüchtigkeit ist, liegt die Gefahr nahe, daß der Mangel an geeigneten Männern zu Mediokritätskreationen führt. Dies testimonium paupertatis, das. aus einer derartigen Institution nicht notwendig, aber leicht sich entwickeln kann, ist im allgemeinen Universitätsinteresse in hohem Grade zu bedauern.

Wenn Herr v. Hertling auf die Raumerschen (!) Schöpfungen im preußischen Universitätswesen hinweist als zu Recht bestehend, so ist das Bestehen ja unbestritten, minder aber das Recht. Der Olmützer Vertrag hat auch bestanden, aber nicht zu Recht. Ein Schandfleck auf dem preußischen Ehrenschilde kann nicht verjähren.

Noch mag erwähnt werden, daß die Äußerungen allerdings durch die Straßburger Vorgänge der letzten Zeit veranlaßt worden sind, daß sie aber über den »Fall Spahn« keineswegs aburteilen. Ich kenne weder die wissenschaftlichen Leistungen dieses Gelehrten noch seine Persönlichkeit; ist der Mann seiner Stellung wert, so ist er sehr zu bedauern.



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