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Vorträge.


Das Geld.

Vortrag, gehalten in der Singakademie zu Berlin

7. Februar 1863. Grenzboten XXII. Jahrg., 1863 S. 381-398.

Welches gute Stück Geschichte im Gelde steckt, sozusagen im Geldstück und im Geldzettel sich verkörpert, das hat jeder erfahren, dem Francs und Sovereigns durch die Hände gegangen sind, der die schwierige Operation vollendet hat, einen Zehnguldenschein in Kreuzer oder, wenn das Glück gut ist, in Sechskreuzerstücke umzusetzen, oder dem etwa in einem thüringischen Städtchen für einen preußischen Fünfundzwanzigtalerschein jenes mannigfaltige Abbild der deutschen Einheit zu Händen gekommen ist, das wir alle kennen. Wie sollte es sich anders verhalten in den Anfangszeiten der Geschichte, wo die Schöpfungen des Menschengeistes noch den Reiz des Werdens an sich tragen, die Dinge und die Begriffe, die Menschen und die Völker noch ihr ursprüngliches scharfes Gepräge zeigen, sich noch nicht aneinander ab- und verschliffen haben? Versuchen wir es denn, von den merkwürdigen Dingen, welche die Taler und Pfennige des Altertums in ihrer Sprache erzählen, einiges wenige in die unsrige zu übersetzen.

Wie der Diamant nur durch sich selbst geschliffen werden kann, so bildet der Mensch sich nur am Menschen. Verkehr der Menschen miteinander – das ist Civilisation; und er wirkt um so rascher und mächtiger, je größere und je verschiedenartigere Massen sich einander berühren. Denn das Ungleiche muß sich paaren, wenn etwas werden soll; das ist wie ein Gesetz der Natur so auch das der Geschichte. So beherrscht und durchdringt der gewaltige Gegensatz von Orient und Occident die ganze Menschengeschichte; so in engeren, aber immer noch ungeheuren Kreisen die Geschichte des Altertums der Gegensatz von Griechenland und Rom, die Geschichte der Neuzeit der Gegensatz von Romanen und Germanen. Viele Wege führen nach diesem Ziel; für die stetige Steigerung dieses Verkehrs arbeiten wir alle, was wir auch treiben, ob wir Bücher machen oder Stiefel, vorausgesetzt freilich, daß beide etwas taugen. Aber unter den zahllosen Civilisationsmitteln gibt es doch zwei, die in unvergleichlich gewaltiger Weise die Menschen und die Völker zusammenführen und zusammenbinden und deren Wirksamkeit, im grauen Altertum beginnend, noch bis auf den heutigen Tag beständig im Zunehmen ist, so daß deren Sonnenhöhe kein menschliches Auge abmißt – ich meine die Schrift und die Münze. Und doch sind beide einmal nicht da gewesen und beide sind positive Erfindungen des Menschengeistes, so gut wie die Dampfmaschine und der Telegraph, nur daß wir zufällig den Namen des Erfinders und das Jahr der Erfindung bei jenen anzugeben nicht vermögen. Ich meine auch nicht Erfindungen in dem Sinne, daß die Entwickelung des Menschengeistes in jedem Volke darauf mit Notwendigkeit hingeführt und aus gleichem Bedürfnis überall ähnliche Wirkungen sich selbständig erzeugt hätten; nein es hat, wie eine erste Dampfmaschine, so auch ein erstes Alphabet und ein erstes Geldstück gegeben, und aus diesen sind im Laufe der Jahrtausende, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, alle jene zahllosen Schriftgattungen und Münzordnungen hervorgegangen, deren Altertum und Neuzeit, Orient und Occident sich bedient haben und heute noch bedienen. Alle Nationen, zu denen von diesem phönikischen Uralphabet, von dieser kleinasiatischen Münzordnung kein Schößling gelangt ist, stehen infolgedessen, wo nicht außerhalb der Civilisation, doch außerhalb desjenigen Kreises derselben, der in der Entwickelung des Menschengeschlechtes von jeher die Führung gehabt hat und mit geschichtlicher Notwendigkeit von Jahr zu Jahr mehr an die Spitze und der Alleinherrschaft näher kommt. Es mag sich wohl verlohnen, den geistigen und geschichtlichen Prozeß, der zu der Erfindung des Geldes geführt hat, und dessen älteste historische Erscheinung sich zu vergegenwärtigen.

Der ursprüngliche Verkehr ist Tausch, das heißt die Auswechselung zweier Waaren, von denen jede dem gegenwärtigen Besitzer entbehrlich ist und das Bedürfnis des andern Teils unmittelbar befriedigt. Ein Verkehr dieser Art ist notwendig in sehr enge Grenzen eingeschlossen. Im Kleinverkehr mag es auf dem Dorf vorkommen, daß der Schneider dem Schuster den Rock und dieser dafür jenem die Stiefel macht; in der Stadt reicht man damit nicht aus. Im Großverkehr ist der Tausch besser angebracht; es ist angemessen, daß wir unser Korn nach England und Kohlen von da zurückbringen. Aber auch der Kaufmann kann mit dem Tausch allein nicht bestehen; denn er ist dadurch gezwungen, immer so viel Ware zu kaufen wie er verkauft, und nie mehr zu verkaufen als er einkauft. Die Bedingung jedes ausgedehnten Warenaustausches, die Bedingung des freien Handels ist die Feststellung eines Gegenstandes, der zur allgemeinen Vermittelung geeignet ist. Der ältesten Zeit, wo die grüne Erde noch ungeteilt und die Weide frei und grenzenlos war, lag dafür nichts so nahe wie das Herdenvieh, dessen Mehrung jedem Haushalt unmittelbar nützlich war. Noch heutzutage ist bei den sogenannten wilden Völkern die übrige Habe wesentlich dieselbe, und unterscheidet sich der Reiche vom Armen allein durch die Zahl der Rinder, der Stuten oder der Kamele. So ist es in der Urzeit der Römer und der Griechen, so in der germanischen Urzeit gewesen: man rechnet nach Rindern und Schafen, und das Rind ist sozusagen das Großgeld, das Schaf das Kleingeld: zehn oder zwölf Schafe gelten soviel als ein Rind. – Aber dies Verkehrsmittel reicht bald nicht mehr; der steigende Verkehr bedarf eines festeren und feineren Vermittlers und findet dieses einzig im Metall. Das Metall ist dauernder als fast alle übrigen Waren; viele Ursachen, die andere Waren verderben, haben dem Metall nichts an. Ebendaher ist es auch beweglicher, der Transport desselben mit verhältnismäßig geringen Kosten und Gefahren verbunden; besonders seit die Seeschiffahrt beginnt und der überseeische Handel, muß das Metall als Tauschmittel an die Stelle des Herdenviehs getreten sein. Es ist allgemein gültiger: die Brauchbarkeit des Metalls ist weniger als die der meisten anderen Waren von klimatischen und sonstigen örtlichen Verschiedenheiten abhängig. Es ist einer scharfen Wertbestimmung mit großer Leichtigkeit fähig; im ganzen genügen dazu Auge und Wage, und auch Stempelung kann leicht und der Substanz des Metalls unbeschadet stattfinden. Es ist fester im Preise eben wegen seiner Dauerhaftigkeit; denn obwohl die jährliche Produktion des Metalls weit ungleicher ist als zum Beispiel die des Korns, so ist doch jene immer nur ein verschwindend kleiner Teil des gesamten Vorrats, diese dagegen der Gesamtvorrat selbst, und daher erzeugt die Ausbeutung auch des reichsten Goldlagers nicht von einem Jahr zum andern solche Schwankungen im Goldpreis wie die Aufeinanderfolge guter und schlechter Ernten im Kornpreis. Endlich und hauptsächlich ist das Metall unter allen Waren diejenige, die den idealen Begriff des Wertes mit der mindesten Unvollkommenheit ausdrückt. Denn das Wesen des Wertes ist die Fähigkeit gleich dem Quecksilber sich unendlich zu teilen und unendlich zu verbinden; und diese Operation verträgt keine andere Ware so grenzenlos wie das Metall. Vorzugsweise gilt dies alles von den sogenannten edlen Metallen, dem Gold und dem Silber. Nicht bloß kommen die eben bezeichneten Eigenschaften, besonders die Unzerstörbarkeit und die Transportabilität, ihnen in höherem Grade zu als den unscheinbareren Geschwistern; sondern sie haben eine Eigenschaft vor diesen voraus, die sie recht eigentlich zu den geborenen Wertmaßen macht. Man nennt sie die edlen, weil sie müßig gehen, genau genommen in der Wirtschaft überflüssig sind. Ohne Eisen, Kupfer, Blei, Zinn, Zink könnte die entwickelte Industrie nicht bestehen; der wirtschaftlich notwendige oder auch nur zweckmäßige Gebrauch vom Silber ist gering und noch geringer der vom Golde. Sie zieren wie Perlen und bunte Steine, aber sie fördern den Menschen nicht; und darum schwankt das Begehren diese Metalle zu besitzen weit weniger als das Begehren nach ihren unedlen Genossen. Als die Gewohnheit aufkam sich vor Speer und Schwert durch Kupferrüstung zu schützen, stieg der Gebrauch und also der Preis des Kupfers; als die Wagen auf eisernen Schienen zu rollen begannen, schlug das Eisen auf; die Bedürfnisse des Menschen wechseln, aber seine Torheiten bleiben dieselben. Nach Golde drängt, am Golde hängt das Menschenherz nun einmal heute noch wie in der Morgendämmerung der Menschengeschichte; und ob es als Ring in der Nase oder als Armband getragen wird, als goldener Reif um das Haupt oder als goldene Uhr in der Tasche, das macht nationalökonomisch wenig Unterschied. So bleibt der Verbrauch von Gold und Silber in einem festeren Verhältnis zu der Gesamtzahl der civilisierten Menschheit als der der andern Metalle; und dazu kommt und ist vielleicht noch wichtiger, daß jene ja eben sonst nichts zu tun haben und also weit passender als die übrigen nützlicher beschäftigten Stoffe gebraucht werden als Zwischenträger und Vermittler unter den übrigen Waren. – Insofern sind allerdings die edlen Metalle der vollkommenste Ausdruck für den idealen Wertbegriff, der im Gebiet der Waren überhaupt sich finden läßt. Freilich aber keineswegs der vollkommenste reale Ausdruck des Wertbegriffs überhaupt. Der ausgemünzte Staatskredit, unser Papiergeld übertrifft in allen jenen Eigenschaften, die das Wesen des Geldes ausmachen, um ebensoviel das Metallgeld wie dieses die andern Waren. Es ist dauerhafter; denn das vernutzte Geldstück ist vernichtet, der beschädigte Zettel ist nur der Ausdruck der Kreditsumme, auf die er lautet, und deshalb der Ersetzung fähig. Bei dem Zettel ist die Transportabilität noch größer und die Wertfeststellung noch weit einfacher als selbst bei dem vollkommensten Metallgeld. Vor allen Dingen aber hört die Wareneigenschaft, die bei dem Metallgeld nur zurücktritt, hier vollständig auf und findet der Begriff des Wertes in dem Zettel einen reineren und zugleich weit minder kostspieligen Ausdruck als in dem Geldstück. Auf dem Glauben, daß diesem Gegenstand allgemeine Gültigkeit zukomme, beruht zuletzt das Geldstück wie der Zettel; und wenn heutzutage, wo der dreitausendjährigen Entwickelung des Metallgeldes gegenüber das auf den Kredit der Staaten fundierte Papiergeld noch in seinen ersten Anfängen steht, wenn heutzutage der Glaube, daß ein Goldstück an jedem Ort ausgegeben werden kann, noch allgemeiner verbreitet ist als der Glaube, daß man an jedem Ort eine englische oder preußische Banknote nimmt, so sind wir eben hierin noch im Lernen begriffen und teils noch nicht ganz befreit von dem blinden Haschen des Wilden nach dem glänzenden Spielwerk, teils des Glaubens an eine gesicherte und geordnete politische Zukunft, namentlich auf dem Kontinent, noch allzu wenig gewöhnt. Es gibt nichts Höheres, nichts unerschütterlicher Festes als den Kredit eines Gemeinwesens, das seine eigene Kasse führt und seine Ausgaben sich von niemandem und durch niemanden diktieren läßt, als durch sich selbst nach den Erwägungen des Gemeinwohls. Wenn die Zettel der großen Gemeinwesen Europas erst auf diesem Grunde ruhen, wenn das Erschüttern dieser Grundfeste des Staats erst ebenso nicht bloß als Verbrechen, sondern auch als Lächerlichkeit gelten wird, wie heutzutage die Brandschatzungen der wegelagernden Junker des Mittelalters, dann stehen unsre Zettel fester als heute unsre Metallmünze steht, deren gefährliche Schäden und deren bedenkliche Abhängigkeit von der Warenstellung des Goldes und des Silbers dem Kaufmann wie dem Staatsmann wohl bekannt sind.

Dem Altertum ist der große und fruchtbare Gedanke eines Gesamtkredits des Gemeinwesens, gegenüber den einzelnen Bürgern wie dem gesamten Ausland, in der Hauptsache fremd geblieben; nur die Anfänge dazu finden sich namentlich in der Scheidemünze, am meisten entwickelt in der späteren römischen Kaiserzeit, freilich in der Hauptsache mehr durch gewissenlosen Mißbrauch des Münzregals als durch bewußten Fortschritt zu einem prinzipiell verschiedenen Geldsystem. Wie das Altertum zu der Bildung sich selbst regierender Großstaaten und zu der eines wahrhaften international geordneten Staatensystems nicht gelangt ist, so ist es auch im Geldwesen durchaus über das Metall nicht hinausgekommen. Zu fester und selbständiger Entwickelung ist das Metall als allgemeiner und ausschließlicher Wertmesser im Altertum an zwei verschiedenen Punkten gelangt, deren Gegensatz bedeutsam ist. Es gibt zwei gleich uralte und gleich selbständige Festsetzungen dieser Art; die eine gehört dem asiatischen Osten an, die andere der italischen Halbinsel. Seit es eine Geschichte gibt, finden wir im innern Asien Gold und Silber nebeneinander als allgemein vermittelnde Waren verwendet, in Italien dagegen in gleicher Stellung das Kupfer. Jene Ordnung, die auf der gesetzlichen Feststellung des Wertverhältnisses der beiden edlen Metalle zueinander ruht, tritt uns mit historischer Bestimmtheit zuerst entgegen im Persischen Reich; sicher aber hat sie im Orient gegolten, seit die Despotie, namentlich das Großkönigtum daselbst überhaupt zu fester Form gelangt ist. Einfacher war die italische Ordnung: man kaufte und verkaufte hier gegen Kupfer nach dem Gewichte. – Forschen wir nach der Entstehung dieser Systeme, so liegt die des letzteren auf der Hand. In ältester Zeit, wo man das Eisen noch nicht zu bearbeiten, namentlich nicht gehörig zu stählen verstand, war das Kupfer alles in allem, war nicht nur der Kessel und der Harnisch von Kupfer, sondern auch die Pflugschar, das Messer, das Schwert; und Italien selbst erzeugte von diesem Metall nur eine äußerst geringe Quantität. Große und reiche Landschaften, wie namentlich Latium, waren dafür durchaus angewiesen auf die Einfuhr von außen her; überhaupt aber verbrauchte Italien weit mehr Kupfer als es hervorbrachte. Unter solchen Verhältnissen war es wohl natürlich, daß jeder Käufer für seine Ware bereitwillig Kupfer nahm; und damit erhielt dieses Metall in Italien als höchst nötige und immer knapp vorhandene, deshalb stets begehrte Ware den Charakter des allgemein gültigen Tauschmittels, erst gewohnheitsmäßig und sodann auch durch gesetzliche Ordnung. – Ganz anders im Orient. Wenn dort seit frühester Zeit Gold und Silber in festem Verhältnis zueinander als allgemeine Wertmesser gelten, also eben das System besteht, das im wesentlichen noch in den heutigen Münzordnungen herrscht, so beruht dies ohne Zweifel auf der uns Occidentalen seltsam erscheinenden, aber mit dem Wesen des Orients und der Orientalen auf engste und innigste verwachsenen Neigung des Schätzesammelns, wie sie poetisch niedergelegt ist in dem indischen Märchen von den goldgrabenden Ameisen, in der arabischen Legende von der Höhle Aladdins voll ungezählter Goldstücke und herrlichsten Geschmeides; wie sie in ernsterer Weise sich ausdrückt in dem orientalischen Staat, dessen Ideal für die Untertanen jene goldgrabenden Ameisen sind, für den Herrscher jener Besitzer des Feenhortes. Das Aufhäufen des glänzenden Metalls und der bunten Steinchen, der sogenannten Schätze, welches noch heute in Ostindien und China geübt wird und von unseren Märkten noch heute das Silber in stetigem und bedenklichem Abfluß entführt, ebendieses hat den Anstoß gegeben zu der Feststellung der Gold- und Silberwährung, wobei die nächste Ursache wahrscheinlich das orientalische Steuersystem gewesen ist. Dies beruht im wesentlichen darauf, daß dem König, seinem Hof und seinen Unterbeamten alles, dessen sie bedürfen, in Naturalien geliefert wird. Wo der Herrscher eben verweilt, da sind die Untertanen verpflichtet, ihn und die Seinigen zu speisen; dazu sind weiter einzelnen Örtlichkeiten je nach Gelegenheit feste Lieferungen aufgelegt an Wein, Sklaven, Pferden und dergleichen. Soweit es außerdem noch möglich ist oder dafür gehalten wird, den Untertanen weitere Lasten zuzumuten, werden sie angewiesen, nicht die Kasse des Königs – denn eine solche gibt es eigentlich nicht – sondern seine Schatzkammer mit Gold und Silber zu füllen; und hierfür zuerst mögen jene Verhältnisse festgestellt, die Gewichte genau und allgemein geordnet worden sein. – So stehen gleich an der Schwelle der Geschichte Orient und Occident, noch miteinander unbekannt, im schärfsten und korrekten Gegensatz: dort herrscht das Prächtige, hier das Nützliche; dort das ziellose Aufhäufen, hier das Einsammeln zu praktischen Zwecken; dort das launische Trachten des despotischen Herrschers, hier der verständige Wille des Kriegers und des Bauern; dort Gold und Silber, hier das Kupfer.

Aber das Metall, auch wenn es im Verkehr und selbst im Gesetz anerkannt ist als ausschließlich allgemeines Tauschmittel, ist darum noch nicht Münze. Solange es dem Verkehr überlassen bleibt Qualität und Quantität des zum Tauschmittel gewählten Metalls selber festzustellen, so lange ist noch keine Münze vorhanden; selbst dann nicht, wenn der Besitzer dieses Metalls dasselbe in regelmäßige, vielleicht einem bestimmten Gewicht entsprechende Formen, in sogenannte Barren gießt und diese sogar zeichnet. Die Münze ist erst da, wenn solche Metallstücke in bestimmter, ein für allemal feststehender Qualität und Quantität unter öffentlicher Autorität angefertigt und mit festen, diese öffentliche Wertbestimmung verbürgenden Stempeln bezeichnet werden. Der Fortschritt hierin ist viel weniger ein technischer – technisch unterscheidet die Münze sich nicht wesentlich vom Barren – als ein politischer. Das Geld, wie es vor dem Beginn des Münzens auftritt, ist in der Hauptsache vom Staat unabhängig: derselbe beteiligt sich nur insoweit bei der Entwickelung desselben, als er die gewohnheitsmäßig festgesetzte ausschließliche Geltung der einen oder der anderen Ware als des allgemeinen Tauschmittels in der Regel nachträglich durch Gesetz fixiert und reguliert, etwa auch Wage und Gewicht obrigkeitlich ordnet. Die Münze dagegen ist eine wesentlich politische Institution: sie trägt von Haus aus das Wappen und, sowie die Schrift darauf beginnt, auch den Namen des Staats, der sie ausgibt, ist von Haus aus eine an jeden Beteiligten gerichtete öffentliche Zusicherung des konventionellen Wertes; welche Zusage innerhalb der Grenzen des prägenden Staats selbst dann auf Geltung Anspruch hat, wo sie nachweislich der Wahrheit widerstreitet Insofern ist die Münze ein mächtiger Faktor in der staatlichen Entwickelung. Eine wichtige Tätigkeit, die eigentlich privater Natur und ursprünglich den Privaten überlassen war, wird diesen entzogen und von dem Gemeinwesen übernommen. Die folgerichtige und pflichtmäßige Handhabung der neuen Institution bringt den Mitgliedern des Gemeinwesens ebenso unermeßlichen Vorteil als die willkürliche und gewissenlose ungeheuren Schaden, wie denn das Emporkommen besonders der großen griechischen Handelsstädte, vor allem Athens, in erster Reihe auf ihren Münzordnungen ruht. So zieht die Landesmünze die Bande des Gemeinwesens fester zusammen; sie steigert, wenn der Ausdruck erlaubt ist, das centripetale, das kommunistische Element, das jedem Staatswesen ebenso notwendig ist, wie sein Gegensatz. Von Haus aus ist mit der Münze der Begriff der Staatshoheit verknüpft und findet in ihr seinen sinnlichen Ausdruck; nur der Staat ist ein vollfreier, der Münzen jeden Wertes mit eigenem Bild und eigener Schrift zu schlagen befugt ist; von Haus aus bezeichnet das Wappen den Freistaat, das Bild des Herrschers das monarchisch regierte Reich. So ist die Münze, indem sie den ganzen menschlichen Verkehr durchdringt, das lebendige Abbild der Allgegenwart des Staates und jedes einzelne Geldstück ein Verkündiger, ein wandelnder Zeuge von den politischen Institutionen seiner Heimat.

Aus ebendiesem Grunde ist es von vornherein gewiß, daß die Münze nur entstanden sein kann im Occident; denn im Orient gibt es nicht Politie, sondern nur Despotie, wohl Reiche, aber keine Gemeinwesen. Und so zeigt es uns auch die Geschichte. Die Gold- und Silberwährung ist im Orient zu Hause, die Münze in Griechenland. In der Metallwährung sind die Griechen nicht selbständig wie die Orientalen und die Italiker. Wohl wird in den Homerischen Liedern zur Bestimmung der Werte neben dem Vieh auch in mannigfacher Art das Metall, besonders Gold und Eisen verwendet; aber zu einer allgemein gültigen und selbständigen Metallwährung in der Epoche vor dem Aufkommen der Münze sind die Griechen nicht gelangt; vielmehr stehen sie im Westen, besonders in Sicilien dafür unter dem Einfluß der italischen Kupfer-, im Osten unter dem der asiatischen Gold- und Silberwährung, nur daß bei diesen, besonders bei den europäischen Griechen, die ihren beschränkteren ökonomischen Verhältnissen angemessenere Silberwährung von Haus aus überwogen hat und die Goldwährung zurücktritt. Indes ganz wie das Alphabet der Konsonantenreihe nach in Asien entstanden, in Griechenland aber die Vokale demselben eingefügt worden sind, so haben Asien und Griechenland die Metallmünze in Gemeinschaft erfunden, indem sich in Asien die Gold- und Silberwährung, aus dieser sodann auf griechischem Boden die Münze entwickelt hat. Es gibt ein großes Goldstück, dem Gewicht nach beinahe dreimal so schwer wie unser Friedrichsdor und also nach dem heutigen Verhältnis der Metalle ungefähr sechzehn Taler wert, ohne Aufschrift, auf der einen Seite mit einem Löwenkopf mit aufgesperrtem Rachen und ausgestreckter Zunge bezeichnet, während auf der anderen sich nur die Löcher des Eisenbolzens zeigen, der das Metallstück unter dem Stempel festhielt Dazu gehört ein ähnliches kleineres, vom sechsten Teil des Gewichts des größeren Stückes. Diese Stücke haben unsre Münzforscher dem äußern Anschein nach für die ältesten aller vorhandenen Münzen erklärt und im wesentlichen gewiß mit Recht. Die Zeit ihrer Prägung ist nicht mit Bestimmtheit auszumachen: aber sie sind nicht so uralt, wie man wohl annimmt; ihr Ursprung fällt sicher später als die Entstehung der ebenfalls in Kleinasien heimischen und der Münze nirgends gedenkenden Homerischen Gedichte und wahrscheinlich später als der Beginn der Olympiadenrechnung; es ist kein zwingender Grund vorhanden, die Entstehung der Münze über das siebente Jahrhundert vor Chr. hinaufzurücken. Aber der Entstehungsort ist bezeichnend. Die Griechen nennen jenes große Goldstück den phokaischen Stater, das dazu gehörige kleine das phokaische Sechstel; diese Münzen galten also als ursprünglich und hauptsächlich geschlagen in der Stadt Phokäa. Phokäa ist ein Hafenort des kleinasiatischen Ioniens unweit Smyrna; jetzt ein namenloses türkisches Städtchen, aber einst der Stammsitz einer kühnen Schifferbevölkerung, die in der griechischen Geschichte ungefähr die Rolle gespielt hat, wie in der des Mittelalters die Portugiesen: von hier aus ist zuerst das westliche Mittelmeer befahren, von hier aus sind die italische Westküste, die Insel Corsica, die Gestade der Provence und Kataloniens in den Kreis des griechischen Lebens gezogen worden. Auf diesem Punkte also, wo Asien und Europa sich berühren, in einer auf asiatischem Boden gegründeten, aber in ihrer Tätigkeit durchaus dem europäischen Verkehr zugewandten Stadt, in einer Stadt, die wie keine andere es sich zur Aufgabe gemacht hat, den fernen Westen mit dem Osten zu vermitteln, in der Mutterstadt Marseilles, da mag wohl zuerst die Münze entstanden sein.

Nach Kleinasien also, an die ionische Küste führt uns die älteste Geschichte des Geldstücks – in eben jene Gegend, wo die Buchstabenschrift ihre Ausbildung empfangen hat, wo der griechische Handel zuerst erblüht ist, wo zuerst das Schifferdorf zu einem Gemeinwesen freier Bürger sich entwickelt, wo Poesie und Philosophie ihre frühesten und mit die herrlichsten Blüten getrieben haben. Der Pfennig ist ein geringes Ding, und es mag manchem seltsam vorkommen, wenn ich seinen Ursprung zusammen nenne mit dem göttlichen Homer und dem weisen Thales; und doch schickt sich dieses alles recht wohl zusammen – sind es doch vier der gewaltigsten irdischen Dinge, die in die Schöpfung der Münze sich teilen: Staat, Handel, Kunst und Wissenschaft. Wer über Münzen handelt, der hat ein Recht darauf Zahlen vorzubringen; und obwohl ich mich dieses Rechts mit Bescheidenheit bedienen werde, so würde ich doch dem Gegenstand nicht genügen, wenn ich ganz schwiege von den Anfängen des Münzsystems. Die älteste asiatische Ordnung von Maß und Gewicht ist erst vor wenigen Jahren uns genau bekannt geworden durch die von Layard in Ninive gefundenen, mit Wertaufschriften in verschiedenen Sprachen versehenen uralten Königsgewichte. Dieses System dreht sich durchaus um das Ganze von sechzig Teilen. Manche Stücke dieses Systems sind uns allen wohlbekannt und heute noch geläufig: wenn wir die Ekliptik in 360 Grade, wenn wir die Stunde in 60 Minuten, die Minute wieder in 60 Sekunden teilen, wenn unsere Zeitordnung, soviel irgend andre Rücksichten es zulassen, um die Ziffern 12, 60 und 360 sich bewegt, so ist das eben altererbte Wissenschaft von den Ufern des Euphrat, die Weisheit der Chaldäer des alten Testaments, die hierin heute noch die Welt regiert. Ganz ebenso war einst auch das Gewicht geteilt: das große Gewicht – das Talent der Griechen – zerfiel in 60 Manahs oder Minen, die Mine in 60 kleine Einheiten; und diese letzte Einheit, von der 3600 auf das Talent gingen, ist nichts anderes als jenes große Goldstück, der phokaische Stater vom dreifachen Gewicht unseres Friedrichsdor. Es war also das Guldensystem, wie wir es heute noch alle kennen, das hier zu Grunde lag; und ganz wie unserem Gulden, unserer Rechnung von sechzig Kleinmünzen auf die Großmünze, heutzutage das Stück von hundert Sous, der französische Fünffrankentaler Konkurrenz macht und dasselbe bedrängt und verdrängt, ganz ebenso ist es im Altertum gewesen. Auf die asiatische Mine gehen sechzig Münzstücke, auf die griechische fünfzig Münzstücke oder hundert Münzeinheiten, hundert Drachmen. Der Kampf des decimalen Systems also mit dem duodecimalen, wie er heute noch unter unsern Augen geführt wird, ist nun bereits 3000 Jahre alt; und das Recht darin, soweit man von einem solchen hier sprechen kann, möchte wohl sich finden auf Seiten der alten Chaldäer und ihrer heutigen Nachfolger, unserer lieben Brüder in Schwaben. Denn hinsichtlich der praktischen Bequemlichkeit für den täglichen Verkehr kommt der Zahl 60 in der Tat keine andere gleich, da sie für alle Zahlen bis 6 sowie für 10 und 12 gleiche Teile ergibt.

Auch der Gedanke, der heute noch wesentlich unsre Münzordnungen beherrscht und zerrüttet, der Versuch zwischen Gold und Silber ein festes Verhältnis zu finden und gesetzlich festzuhalten, schreibt sich her aus den Steuerpatenten der uralten Sultane des Ostens. Die Goldmünze ist älter als die silberne und steht darum auch zu dem Gewichtssystem in einem einfacheren Verhältnis; aber auch die Silbermünze ist nicht viel jünger, und was besonders beachtenswert ist, sie steht von Anfang an nicht selbständig da, sondern neben und unter der Goldmünze. Die älteste Ordnung, die die Münzen offenbaren, ist die des Persischen Reiches; nach ihr wird das Silberstück etwas leichter geschlagen als das Goldstück, so daß jenes den neunzigsten, dieses den sechzigsten Teil der Mine wiegt; es gelten dann zwanzig dieser leichteren Silberstücke soviel wie ein Goldstück. Dies ergibt ein Verhältnis der beiden Metalle wie 3:40 oder ungefähr 1:13; und merkwürdig ist es, daß trotz aller Wechselfälle der Weltgeschichte, trotz Peru, Kalifornien und Australien dasselbe im großen und ganzen sich bis auf den heutigen Tag nicht sehr wesentlich verschoben hat. Soweit es übrigens verschoben ist, ist dies geschehen zum Vorteil des Goldes: dies ist heute reichlich fünfzehnmal soviel wert wie das Silber. Was nun den gleichzeitigen Gebrauch der beiden edlen Metalle in der Wertmünze anlangt, so wäre leicht zu zeigen, wie die Finanzpolitiker des Altertums genau wie die neueren sich mit der Quadratur des Zirkels, mit der Fixierung eines nicht zu fixierenden Verhältnisses geplagt haben; wie das Nebeneinanderstellen der beiden Wertmetalle auch damals das Münzwesen zerrüttet und Krise nach Krise über die Völkerökonomie herbeigeführt hat; wie sodann im Altertum ebenso wie heutzutage alle Staaten, die von frei- und weitblickenden Staatsmännern geleitet wurden, das Silber aufgaben und zum ausschließlichen Goldverkehr übergingen, bis endlich in der spätrömischen Zeit nicht bloß der römische Kaiser, sondern auch das römische Gold allein die Welt regiert hat Es wäre dies und manches andere zu sagen; aber es genügt hier daran erinnert zu haben, daß die Münzordnung fast so vollendet ins Leben getreten ist wie die Buchdruckerkunst und daß sie dem praktisch politischen Verstand ihrer namenlosen Schöpfer ebensolche Ehre macht, wie die Stempel der alten Münzen zeugen von dem frischen Aufblühen griechischer Kunst.

Die weitere Entwickelung des Münzwesens im Altertume kann hier nicht gegeben werden. Unsere Wissenschaft ist nicht so gering, daß sie sich in einen Fingerhut fassen und also davontragen ließe. Es sei mir nur gestattet als eine Exemplifikation von den Ergebnissen der geschichtlichen Münzbetrachtung schließlich im kurzen Abriß die Geschichte einer einzelnen Münzsorte vorzuführen, die freilich unter allen wie die älteste so auch die dauerndste und geschichtlich merkwürdigste ist. Es ist dies keine andere als der schon genannte phokaische Goldstater. Seine Heimat ist, wie gesagt, Kleinasien; er ist ursprünglich die Stadtmünze Phokäas und anderer griechischer Freistaaten auf der kleinasiatischen Küste. Aus ihm geht dann ebenfalls in Kleinasien in der ersten Hälfte des sechsten Jahrhunderts vor Chr. hervor der sogenannte Stater des Krösos, einseitig geprägt wie der phokaische und bezeichnet mit dem halben Stier und dem halben Löwen, in den Trümmern von Sardes noch heutzutage häufig zu finden. Dieser ist nichts als die Hälfte des phokaischen Staters, eigentümlich aber ist ihm die reiche teils decimale, teils duodecimale Entwicklung der Teilmünzen. Nicht wesentlich verschieden von dem phokaischen Stater und offenbar aus ihm entwickelt ist auch die persische Reichsgoldmünze, nur daß die Ganzstücke hier sehr selten und die dem Krösischen Stater entsprechenden Hälften weit häufiger geschlagen sind; dies sind die sogenannten goldenen Dareiken, gleich den vorigen nur einseitig gestempelt und bezeichnet mit dem Bilde des Großkönigs als Bogenschützen: in königlichem Gewande, die Lanze in der Hand, ruht er auf dem einen Knie, im Begriff den Pfeil zu entsenden. Die Prägung des Dareikos begann unter Dareios, dem Vater des Xerxes, um das Jahr 500 vor Chr.; bemerkenswert ist es, daß dazu Teilmünzen in der Reichsprägung nicht vorkommen, wohl aber die von Dareios abhängigen halbfreien Fürsten und Städte dergleichen geschlagen haben. Hier zuerst scheint die Prägung der großen goldenen Courantmünzen als ein Reservatrecht des Großkönigtums aufgefaßt zu sein, während Kleingold und Silber zu schlagen auch den Satrapen und den freien Reichsstädten verstattet ward. Damit mag auch zusammenhängen, daß hier wohl zum erstenmal das Bild des Herrschers auf der Münze erscheint. In der älteren griechischen Prägung kommen diese Goldstücke nicht vor, da hier, wie schon gesagt ward, für die Goldwährung, wie sie in Persien und Kleinasien neben und über der Silberwährung bestand, die Mittel nicht ausreichten; dagegen wurde das Silber zwar meistenteils nach der asiatischen Silberwährung ausgemünzt, aber in zwei großen Handelsemporien, in Korinth seit ältester Zeit und seit Solon auch in Athen, vielmehr geschlagen nach dem asiatischen Goldfuße; deshalb ist die attische Hauptmünze, das silberne Tetradrachmon, dem Gewichte nach dem phokaischen Goldstater gleich. Aber als ein griechischer König sich anschickte den Orient für sich und seine Nation zu erobern, als Philipp von Macedonien den Plan entwarf zum Umsturz des Persischen Reiches oder vielmehr der persischen Dynastie, da war es seine Kriegserklärung und ein Teil seiner Kriegsrüstung, daß er goldene Dareiken schlug oder, wie sie jetzt nach ihm und seinem großen Sohne heißen, goldene Philippeer und goldene Alexandreer. Freilich sind dies nicht mehr jene genau justierten, aber schwerfällig geformten und einseitig geprägten Goldstücke, wie der Perserkönig sie ausgab: es sind Münzen der vollendeten Technik und schönen griechischen Stils, mit dem Kopf des Apollon oder der Pallas auf der einen Seite, auf der andern mit Bildern, die an Philipps olympische Festsiege, das heißt an die durch ihn bewirkte monarchische Einigung Griechenlands, an Alexanders Siegesfahrt nach dem Osten erinnern. Die Bilder der Könige zeigen diese Münzen noch nicht; noch kämpfte in ihnen die altgriechische Politik mit dem Herrentum des Orients und sie verschmähten es noch, sich der griechischen Welt geradezu als orientalische Großkönige darzustellen.

Diese Goldstücke mit dem Namen Philipps und Alexanders, in ungeheuren Massen geschlagen, bezeichnen ebenso die Unterwerfung des Orients unter die griechischen Machthaber wie die des Occidents unter die Goldwährung des Ostens. Es folgten die Wirren nach Alexanders Tode; Jahrhunderte hindurch stand das persische Großkönigtum herren- und meisterlos, aber immer noch staatsrechtlich vorhanden; das Landesfürstentum gegenüber dem Großkönigtum tatsächlich allein oder doch übermächtig und doch noch in einer gewissen formell anerkannten Unterordnung und nominellen Botmäßigkeit – ganz und gar wie es seinerzeit zuging in dem Heiligen römischen Reich mit seinen Schattenkaisern, seinen Kurfürsten, seinen vieljährigen Interregnen. Es ist charakteristisch, daß während dieser ganzen Epoche die Reichsgoldprägung ebenso ruht wie das Reich selbst oder, wenn sie geübt ward, nicht gemünzt wurde auf den Namen der zeitigen Machthaber, sondern auf den des großen Alexander. Dies galt nicht bloß im Umfang des Alexanderreiches – mit einziger Ausnahme von Ägypten, das auf eigenen Fuß sein eigenes Großgold geprägt hat; es galt selbst bei den barbarischen Nationen, zu denen niemals Alexanders Phalangen gedrungen waren. Während im übrigen Occident, in Italien, in Spanien überhaupt so gut wie gar kein Gold geschlagen ward, geschah dies in nicht geringem Umfang bei den keltischen Stämmen an der Loire und Rhone, aber durchaus nach dem Fuße, mit dem Wappen und selbst mit den Namen des makedonischen Königsgoldes: die ältesten Münzen, die man auf deutschem Boden, in den rheinischen Gebieten findet, sind Philippeer. Auch die römische Republik hat hieran nichts geändert. Sie unterwarf sich allmählich den größten und wichtigsten Teil der Monarchie Alexanders und trat tatsächlich als gebietende Schutzmacht in die Erbschaft der Perser und der makedonischen Könige ein; aber die Reichsmünze derselben war doch zu sehr Königsmünze, als daß die Republik Rom deren Prägung wieder hätte aufnehmen können. Von dem Augenblick an aber, wo in Rom die Republik unterging und die Monarchie begann, seit Cäsar das Regiment des Römischen Reiches an sich nahm, begann er auch aufs neue die seit Alexanders des Großen Tod im Orient unterbrochene Prägung des Reichsgoldes. Auch sein Goldstück zeigt sein Bildnis so wenig wie das Alexanders; auch er hat als Republikaner die Monarchie gegründet und es seinen Nachfolgern überlassen, diese letzte Konsequenz des Herrentums zu ziehen. Sein Goldstück ist zwar nach römischem Fuß reguliert, aber dennoch bis auf eine Kleinigkeit dem Philippeus gleich und offenbar mit Rücksicht auf diesen und nach dessen Muster geschlagen. Von Cäsar an wird die Goldwährung, wie sie es lange im Orient war, so jetzt auch im Occident vorherrschend und beginnt allmählich die Silberwährung zu verdrängen. Vor allen Dingen aber haftet seit Cäsar das Recht der Goldprägung wie einst an dem orientalischen Großkönigtum, so jetzt an dem neuen Kaisertum des Occidents und des Orients. Das Münzrecht stand in der früheren Kaiserzeit nicht wenigen Kommunen und Klientelstaaten zu: manche Städte und Lehnfürsten Roms haben damals Silber, unzählige Kupfer geschlagen; die Prägung der kupfernen Reichsscheidemünze verwaltete nicht der Kaiser, sondern der Reichssenat; die Goldmünze aber ist nie anders geschlagen worden als im Namen und Auftrag des Kaisers. Sogar jenseits der Reichsgrenzen nahm, ganz wie in ältester Zeit, jetzt der römische Großkönig das ausschließliche Recht der Goldprägung in Anspruch: nie haben selbst die Arsakiden des mächtigen Partherstaates, nie der gewaltige Ostgotenkönig Theodorich unter ihrem Namen Gold geschlagen, und erst die Sassanidendynastie des Perserreichs im Orient, erst die fränkischen Könige aus der Zeit Justinians haben diese Regel durchbrochen. Noch ein Schriftsteller des sechsten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung sagt ausdrücklich, daß es nicht Rechtens sei weder für den König der Perser noch für einen andern König der Barbaren, Gold mit eigenem Stempel zu schlagen, mögen sie Gold haben soviel sie wollen; er setzt hinzu, daß solche nichtrömische Goldstücke auch von den Handelsleuten nicht genommen würden, nicht einmal wenn diese selbst Barbaren seien. Hierbei ist es geblieben, trotz aller politischen und finanziellen Krisen, welche die römische Monarchie so oft bis in die Grundfesten erschütterten, ja trotz der völligen Zerrüttung der römischen Münze selbst in der verhängnisvollen zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts. Das Goldstück, das nach Cäsars Ordnung etwa ? Taler gelten sollte, und das bis in das dritte Jahrhundert hinein sich ziemlich auf dieser Höhe behauptet hatte, sank während des dritten Jahrhunderts durch fortwährende Münzverschlechterungen mit furchtbarer Geschwindigkeit. Hatte es in dem vorhergehenden Jahrtausend sich nur allmählich ungefähr um den achten Teil seines Gewichts verringert, so finden wir jetzt die Gewichte der neugeprägten Goldstücke fast fünfzig Jahre hindurch nicht bloß sinkend, sondern auch so ungleich und schwankend, daß ohne Anwendung der Wage diese Münzen gar nicht haben umlaufen können. Als dann unter Konstantin dem Großen wieder eine feste Regel eintritt, ist das neue Konstantinische Goldstück auf 4 Tlr. 7 Gr., also auf die reichliche Hälfte des Cäsarischen gesunken. Mit dieser Konstantinischen Münzordnung nahm indes die römische Goldmünze einen neuen Aufschwung: bis tief in das Mittelalter hinab hat sie wesentlich unverändert sich behauptet; das neue Goldstück, der Solidus, oder wie es später heißt, der Byzantiner, ist bis weit über die Grenzen des einschwindenden Römischen Reiches hinaus noch beinahe ein halbes Jahrtausend hindurch das allgemeine Verkehrsmittel geblieben und der Ausgangspunkt der mittelalterlichen und damit der modernen Münzordnungen geworden. Man braucht dafür nur an den Namen dieses Goldstücks zu erinnern: dieser Konstantinische Solidus ist ja kein anderer als der italienische Soldo, der französische Sou – freilich sehr heruntergekommene Nachkommen ihres stattlichen Ahnherrn. Immer aber ist es eine vollständig erweisliche geschichtliche Wahrheit, daß der phokaische Goldstater, der persische Dareikos, der makedonische Philippeus, der Cäsarische Aureus, der Solidus Konstantins, der Besant des Mittelalters – Münzen, deren älteste in das siebente Jahrhundert vor Christus, deren jüngste in das fünfzehnte Jahrhundert unserer Zeitrechnung fallen und die zusammengenommen einen Zeitraum von mehr als zweitausend Jahren umspannen, daß sie alle nichts anderes sind als wechselnde Namen derselben Münzsorte und zwar derjenigen Münzsorte, mit der überhaupt die Prägung begonnen hat und an deren Prägerecht von den Zeiten des Dareios und Xerxes an bis herab auf Justinian der staatsrechtliche Begriff des Großkönig- oder des Kaisertums gehaftet, in dem dieser politische Begriff seinen anschaulichen Ausdruck gefunden hat.


Anhang.

Wenn hinsichtlich der in den vorstehenden Blättern entwickelten Ansichten der Sachkundige im allgemeinen ohne weitere Nachweisung wissen wird, wo er deren nähere Ausführung und wissenschaftliche Begründung zu suchen hat, so möchte dies doch nicht der Fall sein in Betreff der Angaben über das babylonische Gewichtsystem. Es wird darum wohl gestattet sein, über dieses hier nachträglich ein paar Worte beizufügen zum Überschlagen. – Erst vor wenigen Jahren ist uns über das babylonische Gewichtsystem authentische Kunde zugekommen durch die von Layard in den Ruinen von Ninive entdeckten Bronze- und Steingewichte, teils in Löwen-, teils in Entenform, die sich jetzt im Britischen Museum befinden und über die den sorgfältigsten Bericht Norris im 16. Bande des Journal of the Asiatic Society of Great Britain (1856) erstattet hat. Die meisten derselben tragen zwiefache und größtenteils mit Sicherheit erklärte Wertangaben teils in Keilschrift, teils in einem dem phönikischen verwandten Alphabet, teilweise auch die Namen assyrischer und babylonischer Könige. Das System ist ein zwiefaches; es findet sich eine leichtere und eine schwerere Reihe, die aber korrelat sind, indem die Einheit der leichteren Reihe genau die Hälfte der schwereren Einheit ist. Die Annahme von Norris, daß das schwerere System assyrisch, das leichtere babylonisch sei, ist, soweit ich urteilen kann, nicht begründet: daß von den beiden Dreißigminenstücken des leichteren Systems das eine einen König von Babylon, das andere einen König von Assyrien nennt und daß beide Reihen sowohl, wie es scheint, gemischt gefunden werden als auch in der äußeren Form der Gewichtstücke zusammentreffen, spricht vielmehr dafür, daß das schwerere und das leichtere System nebeneinander in Gebrauch gewesen sind. Auch geht durch das gesamte vorderasiatische Münzsystem, das entschieden von diesem babylonischen Gewicht abhängt, dieselbe doppelte Einheit des phokaischen Staters und des Dareikos, von denen der letztere die Hälfte des ersteren ist; dabei scheint der Unterschied hervorzutreten, daß die städtische Prägung sich überwiegend der größeren, die königliche fast ausschließlich der kleineren Einheit bedient hat. Man wird vorläufig am besten tun, beide Gewichtsysteme als schweres und leichtes babylonisches Gewicht zu bezeichnen; die Benennung des Gewichts als babylonisches empfiehlt sich deswegen, weil Aelianos das leichtere der beiden Systeme unter diesem Namen anführt. – Das Merkwürdigste, was die in Ninive aufgefundenen Gewichtstücke gelehrt haben, ist das von dem griechischen wesentlich abweichende Teilsystem, das freilich von Norris und Hultsch verkannt wurde, aber bei genauer Betrachtung der vorliegenden Stücke sich mit schlagender Deutlichkeit ergibt und auch bereits von Hincks, wenn auch nur in einer beiläufigen Erwähnung, richtig aufgefaßt worden ist. Während nach der griechischen Ordnung die große Einheit – das Talent – in 60 Minen und jede Mine in 50 Stater oder 100 Drachmen zerfällt, wird dagegen die große Einheit des babylonischen Gewichts zwar auch in 60 Minen, die Mine aber nicht in 100, sondern wieder in 60 Einheiten geteilt, so daß das griechische Talent aus 3000 oder 6000, das babylonische aus 3600 Einheiten besteht. Es finden sich von der schweren Mine Teilstücke von ¼ (Löwen Nr. 12.13) und ? (Löwe Nr. 14) sowie ein nicht ganz klares Stück wahrscheinlich von 3/60 (Löwe Nr. 15), ferner von der leichten Mine Teilstücke von 6/15 (Enten Nr. 3. 4) und 8/30 (Ente Nr. 5). Alle diese Stücke sind mit ihren Werten bezeichnet und es hat die Keilschrift nachweislich besondere Zeichen für 1/15, 1/30, 1/60 und 1/1800 der Mine gehabt; ja Hincks sah im Britischen Museum eine Tafel, aus der ihm hervorging, daß die nach diesem System geführten Rechnungen gestellt waren auf Minen, Sechzigstel der Mine und Dreißigstel des Sechzigstels. Analog verfuhr die chaldäische Zeitmessung: der Saros von 3600 Jahren zerfällt in 6 Neren von 600 und in 60 Sosten von 60 Jahren, das Jahr von 360 Tagen in 12 Monate zu je 30 Tagen, der Tag in 24 Stunden zu je 60 Minuten. – Unter den aufgefundenen Gewichtstücken ergibt unter denen, die sichere und verständliche Wertangaben haben, das relativ höchste Effektivgewicht das Fünfminenstück der schwereren Reihe von 13 Pf. 6 U. 4 Scr. Troygewicht oder 5055 Grammen, wonach sich die leichte babylonische Mine auf 505,5 Gramm stellt Diesem zunächst steht ein Dreißigminenstück der leichteren Reihe, das 40 Pf. 4 U. 4 Scr. 4 Gr. Troy = 15 061 Gr. wiegt, also eine Mine von 502 Gr. ergibt. Sehr groß sind, wenn man die Beschädigungen einzelner Stücke in Betracht zieht, auch die Abweichungen der übrigen nicht.. Weniger kann das Normalgewicht nicht betragen haben, da ein Übergewicht des einzelnen Gewichtstücks nach allen Analogien im höchsten Grade unwahrscheinlich ist; daß es noch etwas höher gestanden hat, ist wahrscheinlich, obwohl die aufgefundenen Gewichte weit genauer justiert gewesen zu sein scheinen als die gewöhnlichen griechischen und römischen Gewichtstücke. – Allerdings gibt Aelianos an, daß das babylonische Talent 72 attische Minen wiege, welche mit Recht von Norris auf das leichtere babylonische Talent bezogene Angabe für dessen Mine das fühlbar höhere Gewicht von 524 Gr. ergeben würde. Aber wahrscheinlich beruht diese Differenz hauptsächlich darauf, daß das babylonische Talent vielmehr gleich 72 euboischen Minen war und Aelianos nach der Gewohnheit der Griechen die euboische Mine ungenau der attischen gleich achtet, während sie vielmehr sich zu ihr verhielt wie 39:40. Nach der euboischen Mine berechnet, stellt sich die babylonische jener Angabe zufolge auf 510,8 Gr.; was als Normalgewicht betrachtet zu den höchsten Effektivgewichten der Funde von Ninive sehr wohl stimmt.

Vergleichen wir nun mit diesen babylonischen Gewichten die Münzen der ältesten vorderasiatischen Prägung, so fügen sich diese in der einfachsten Weise jenem System ein. Legen wir das wahrscheinliche Normalgewicht von 510,8 Gr. für die leichte und 1021,6 Gr. für die schwere babylonische Mine zu Grunde, so stellt sich die kleine Einheit oder das Sechzigstel von jener auf 17, von dieser auf 8,5 Er. Die beiden ältesten Goldsorten aber, denen wir in Vorderasien begegnen, sind der phokaische Stater und der Dareikos, dieser die Hälfte von jenem, wiegend in den schwersten Exemplaren jener 16,57, dieser 8,49 Gramm. Also sind diese Stücke offenbar geschlagen auf die beiden babylonischen Minen als deren Sechzigstel. – Auch die älteste Silberprägung beruht auf demselben System. Sie ist der Goldprägung insofern korrekt, als auch sie sich um zwei Einheiten bewegt, von denen die kleinere die Hälfte der größeren ist: das größere Stück, das reichlich 11 Er. wiegt, ist wie das Goldstück der schweren Mine besonders in der städtischen Prägung vertreten, das kleinere ist der sogenannte Silberdareikos oder vielmehr, wie ich dies anderswo nachgewiesen habe, der medische Sektel (Siglos) der Griechen, welcher in den schwersten Exemplaren bis 5,63 Gramm wiegt, Sie sind auf die babylonischen Minen in der Weise geschlagen, daß das schwere Silberstück 1/90 der schweren, das leichte 1/90 der leichten babylonischen Mine ist, welches ein Normalge wicht für jenes von 11,33, für dieses von 5,66 Gramm ergibt. Daß in der Silberprägung nicht, wie in der des Goldes, das Sechzigstel, sondern das Neunzigste! zu Grunde gelegt ward, beruht darauf, daß die Silberprägung, obwohl sehr alt, doch jünger ist als die Goldprägung und in Vorderasien nicht selbständig auftritt, sondern die Silbermünze hier von Anfang neben und unter der goldenen und in einem festen Verhältnis zu dieser gestanden hat. Dabei war teils das relative Wertverhältnis der Metalle maßgebend, welches im Persischen Reich nach Herodots Angabe dahin festgesetzt war, daß man dem Gold den dreizehnfachen Wert des Silbers beilegte; teils war es für die Bequemlichkeit des Verkehrs erforderlich, die Zahl der auf das Goldstück gehenden Silberstücke abzurunden. Beides geschah in gebührender Weise, indem man das Silberstück nicht auf 1/60 sondern auf 1/90 der Mine ausbrachte und zwanzig solcher Silberstücke dem Goldstück gleichsetzte. Es gab dies einerseits einen bequemen Umsatz, andrerseits als legales Wertverhältnis der Metalle 1/60 Mine Gold = 20/90 Mine Silber oder 3:40 oder 1:13?, was eben das von Herodot gemeinte und nur nicht ganz genau angegebene Verhältnis ist Ein sehr achtbarer und sorgfältiger Forscher auf diesem Gebiet, Herr Hultsch in Dresden, hat in einem kürzlich veröffentlichten kleinen Aufsatz das Problem, das die ninivitischen Gewichte stellen, in anderer, aber wie mir scheint nicht glücklicher Weise zu lösen versucht. Er geht wie Norris davon aus, daß die Centesimalteilung der Mine die primäre sei; die Behauptung aber, daß unter den Teilstücken der Mine sich solche von 1/25, 3/200, 1/100, 1/200 der Mine finden, widerstreitet den Tatsachen, wie jeder finden wird, der die Wertangaben und die Gewichte der fraglichen Stücke unbefangen prüft. Die Hypothese ferner, daß Gold und Silber anfänglich sich wie 10:1 verhalten und 1 Goldstater von 1/50 der babylonischen Mine gleich 10 gleichschweren Silberstatern gestanden habe, ist nicht bloß problematisch, sondern unmöglich, da Goldstatere von diesem Gewicht notorisch nicht existieren. Daß dann das Gold im Preis gestiegen und deshalb die Goldmünze von 1/50 auf 1/60 der Mine herabgesetzt sei, daß später das Silber weiter gesunken sei und man darum bei Steuerzahlung in Silber einen Zuschlag von 1/12 erfordert und, um diese Forderung zu legalisieren (?), das Silber auch in der Münze um 1/12 des früheren Gewichts schwerer, also statt auf 1/50 ungefähr auf 1/46 der Mine ausgebracht habe, sind gleichfalls unbewiesene und wenig wahrscheinliche Hypothesen, denen überdies die vorhandenen, keineswegs so, wie sie hiernach es müßten, in dem Gewicht schwankenden Silbermünzen entschieden widerstreiten. Ich kann aus der ganzen, übrigens sorgfältigen und scharfsinnigen Untersuchung des genannten Gelehrten nur entnehmen, daß das Problem überhaupt unlösbar ist, wenn man fortfährt, die griechische Centesimalteilung der Mine für die ursprüngliche auch des orientalischen Gewichtssystems zu halten..

Doch verdient schließlich Erwägung, wie die Griechen mit diesem babylonischen Talent umgegangen sind. Es ist dasselbe deutlich die Grundlage ihres gesamten Gewicht- und Münzwesens geworden, die Anwendung aber doch sehr eigentümlicher Art. Zunächst ließen sie in der Prägung der Teilmünzen das strenge Sexagesimalsystem fallen und teilten entweder decimal oder häufiger duodecimal, wie denn bekanntlich in dieser Beziehung der Stater von zwei Drachmen und zwölf Obolen für die Griechen hauptsächlich maßgebend gewesen ist. Sehr maßgebend sind hierfür die Teilmünzen des Krösischen Staters vom Gewicht des Dareikos Von diesem selbst gibt es Teilmünzen überhaupt nicht., von denen Herr v. Prokesch in seiner reichen Sammlung eine wahrscheinlich vollständige Reihe besitzt: es sind Drittel, Sechstel und Zwölftel, ferner Fünftel und Zehntel. Fünfzehntel, Dreißigstel, Sechzigstel dagegen sind bisher nirgends nachgewiesen und wahrscheinlich nie vorhanden gewesen; sie beschränken sich auf das rein orientalische Gewichtsystem und sind der von Haus aus hellenischen Prägung fremd. – In dem Gewichtsystem aber wurde schon angegeben, daß die Griechen die Mine statt in 60 vielmehr in 50 oder 100 Teile zerlegten und dadurch auf ein großes Ganze von 3000 oder 6000 statt von 3600 Einheiten kamen, dabei aber doch die einmal gegebene Gewichtnorm als Grundlage festhielten. Dieses letztere nun konnte in doppelter Weise geschehen: man konnte entweder die große Einheit, die Mine oder das Talent des babylonischen Systems festhalten und also mittelst des veränderten Teilungsprinzips zu einer andern Normierung der kleinen Einheit gelangen, oder man hielt die nach dem babylonischen Gewicht normierten Gold- und Silbermünzen als Einheiten fest und bildete aus diesen abweichende große Einheiten, andere Minen und Talente. Die Griechen sind den letzteren Weg gegangen. Das wirkliche leichte babylonische Talent beträgt 30 649, dessen Mine 510,8 Gr., woraus sich das Goldstück von 1/3600 des Talents, 1/60 der Mine = 8,5 Gr. entwickelt. Indem das euboische System das gleiche Goldstück auf 1/50 Mine und 1/3000 des Talents ansetzt, erhält es ein Talent von nur 25 441, eine Mine von nur 425,7 Gr. Das wirkliche schwere babylonische Talent beträgt 61 298, dessen Mine 1021,6 Gr., woraus sich das Silberstück von 1/5400des Talents, 1/90 der Mine = 11,35 Gr. ergibt. Indem dieses Silberstück als 1/3000 des Talents aufgefaßt wird, erhält man dasjenige Talent von etwa 34 050 Gr., welches Herodot das babylonische nennt und aus dem später das äginäische hervorging. Die kleine Einheit also, von der beide Systeme ausgehen, ist nicht bloß dem uralten babylonischen Gewicht, sondern geradezu der vorderasiatischen Prägung entlehnt und wenigstens das letztere System kann nicht aufgekommen sein, bevor die Prägung der Silbermünzen begonnen hatte.



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