Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

In eigener Sache.

Die Nation, 12. Jahrg. Nr. 37, 15. Juni 1895. S. 527-528. [Auf ähnliche bald nach dem Kriege in französischen Blättern gegen ihn erhobene Anschuldigungen hatte Mommsen bereits eine mit der hier abgedruckten im wesentlichen übereinstimmende Erklärung in der Vossischen Zeitung vom 6. Januar 1872 abgegeben. Das unten erwähnte Schreiben Mommsens an Napoleon ist nicht in Übersetzung, sondern in der französischen Fassung in den Preußischen Jahrbüchern 27. Band, 1871 S. 390-391 abgedruckt.

Nicht gern nimmt man in persönlichen Dingen vor der Öffentlichkeit das Wort Indes immer ist dies nicht zu vermeiden, und ich halte unter den obwaltenden Umständen es angezeigt dies zu tun. Die von der Pariser Akademie mir durch die Ernennung zu ihrem auswärtigen Mitglied erwiesene Ehrung hat die französische oder vielmehr Pariser Presse zu einem Ausbruch des Patriotismus veranlaßt, wovon mir die Belege in Artikeln wie es scheint so ziemlich sämtlicher dort erscheinender Tageblätter vorliegen. In diesem Charivari selbst mir Gehör zu verschaffen, würde vergebliche Mühe sein; und ich kann es auch nur richtig finden, daß meine dortigen zahlreichen und werten Freunde dies ebensowenig versuchen. Nous avons une presse immonde, schreibt man mir, und so weiter. Wir wissen das auch, und unser Urteil über Menschen und Dinge in Frankreich Wird nicht bestimmt durch die Pariser Journale. »Hat doch der Walfisch seine Laus«; die Franzosen können die korrumpierte Presse ihrer Hauptstadt verachten und ertragen und wir sie verachten und regelmäßig sie ignorieren. Aber soweit es sich um verfälschte oder gefälschte Tatsachen handelt, wird es mir wohl gestattet sein, ein für allemal die Dinge richtig zu stellen, alte öfter widerlegte und neu hinzugekommene Unwahrheiten hier zusammenfassend. Einige deutsche Blätter – allerdings, so viel mir bekannt, nur die »Münchener Allgemeine Zeitung« und die »Kreuzzeitung« – haben den französischen Kollegen Sekundantendienst geleistet und jene Artikel in abgeschwächter Form wiedergegeben. Auch außerhalb Deutschlands habe ich zahlreiche Beziehungen, denen in dieser Beleuchtung vorgeführt zu werden, mir nicht gleichgültig sein kann.

Es wird vielfach behauptet, daß ich bei den Cäsarstudien Napoleons III. beteiligt gewesen sei. Eine derartige Mitwirkung ist mir allerdings in mündlichen Verhandlungen nahegelegt worden; ich bin darauf nicht eingegangen und habe eine förmliche Aufforderung dazu verhindert. Ein Kaiser kann ja zugleich Schriftsteller sein; die Grenzen aber zwischen dem Autor und dem Imperator sind schwer zu ziehen und die literarische Beihülfe behält in diesem Falle immer einen bedenklichen Charakter. Ich habe für die Schriftstellerei des Kaisers nie einen Federzug getan und noch weniger in seinem Auftrag und auf seine Kosten Reisen ausgeführt.

Es wird weiter behauptet, daß ich zu den deutschen Gelehrten gehört habe, die den Kaiser in unwürdiger Weise flattiert hätten. Der Kaiser hat mir nicht bloß gesellschaftliche Höflichkeiten erwiesen, sondern, trotz jener tatsächlichen Ablehnung, mir die Vergünstigung gewährt, jede Handschrift der Pariser Bibliothek ohne offizielle Vermittelung direkt erbitten zu dürfen, was mir bei meinen Arbeiten von wesentlichem Nutzen gewesen ist. Darauf habe ich ihm gedankt; in welcher Weise dies geschehen ist, zeigt mein Schreiben an ihn, das nach seinem Sturz gefunden und mit den übrigen Papieren aus den Tuilerien veröffentlicht worden ist. Als mir nach dem Kriege der gleiche Vorwurf in Deutschland gemacht ward, habe ich ihn beantwortet durch Einrückung der deutschen Übersetzung dieses Schreibens in die »Preußischen Jahrbücher«.

Es wird behauptet, daß ich vom Kaiser Napoleon eine Pension bezogen habe. Ich habe niemals weder aus einer französischen Staatskasse noch aus der kaiserlichen Privatschatulle Geld empfangen. Als der Kaiser die Werke Borghesis herausgab und zu diesem Behuf die Korrekturbogen verschiedenen Gelehrten zur Durchsicht und Adnotierung mitteilen ließ, habe ich mich unter diesen Gelehrten befunden und die Arbeit getan, das Honorar aber, welches dafür angeboten ward, abgelehnt. Von der eigenen Regierung hätte ich es selbstverständlich angenommen; von einer auswärtigen Regierung sich bezahlen zu lassen, ist der Mißdeutung ausgesetzt und gefährlich.

Daß ich im August 1870, als in Italien die Wage schwankte zwischen dem Anschluß an Deutschland oder an Frankreich, veranlaßt worden bin, in einem gedruckten Aufruf an die Italiener sie von dem letzteren abzumahnen, ist bekannt. Leichten Herzens ist dies nicht geschehen. Sowohl bei der Leitung des akademischen Inschriftenunternehmens wie durch vielfältige und enge persönliche Verhältnisse waren meine Beziehungen zu den Pariser Kreisen mir von hohem Wert, und ich wußte schon damals sehr genau, was ich mit diesem Schritt aufgab, kann es auch dem Franzosen keineswegs verdenken, daß er einen solchen Angriff schwerer empfindet und vergißt als die Kugel aus dem Zündnadelgewehr. Aber was kam im August 1870 auf die Inschriftenarbeit und auf internationale Freundschaft an? Ich bin nicht naiv genug, um mir einzureden, daß jener Zeitungsartikel irgend eine Wirkung auf die Geschicke des Krieges ausgeübt habe; aber wie der einzelne Soldat seinen Schuß abgibt, ohne zu fragen, ob er überflüssig sei, so tut in solchen Zeiten ein jeder, was ihm im Dienst des eigenen Landes zu tun rätlich scheint, ohne nach den weiteren Folgen zu fragen.

Es wird behauptet, daß ich während der Belagerung von Paris an einer Berliner Petition an Feldmarschall Moltke um Eröffnung des Bombardements mich beteiligt oder auch sie veranlaßt habe. Ich weiß nicht, ob dem Feldmarschall jemals ein solcher unerbetener Rat von Berlin aus erteilt worden ist; was mich betrifft, ist die Erzählung nicht bloß verfälscht, sondern vollständig falsch.

Es wird behauptet, daß nach dem Kriege ich im Namen unserer Akademie mich an die Pariser gewendet habe mit der Anfrage, ob sie das Inschriftenwerk auch ferner zu unterstützen beabsichtige. Dies ist ebenfalls eine Fälschung, schon darum, weil die Kosten dieses Werkes durchaus von unserer Akademie bestritten worden sind und keine auswärtige Subvention jemals dafür stattgefunden hat. Allerdings sollten die Inschriften des französischen Herrschaftsgebietes von einem Mitglied der französischen Akademie, dem verstorbenen Herrn Renier in Verbindung mit deutschen Gelehrten bearbeitet werden. Daß nach dem Kriege dieses Zusammenarbeiten in Wegfall kommen mußte, lag auf der Hand; indes war es unumgänglich, an Herrn Renier die Frage zu richten, ob er die Arbeiten so, wie sie angelegt waren, fortzuführen gedenke. Diese Frage habe ich gestellt und als sie verneint ward, die Arbeiten durch deutsche Gelehrte ohne französische Mitwirkung ausführen lassen.

Endlich pflegt behauptet zu werden, daß ich nach dem Kriege die französische Nation insultiert habe. Durch ein langes literarisches Leben hindurch habe ich es mir stets zum Gesetz gemacht, in wissenschaftlichen Fragen nur mit den Personen mich auseinanderzusetzen und die Applikation der Fehler, die ja jede Nation hat, auf den einzelnen Schriftsteller zu vermeiden; sie verletzt eben die Besten, die von diesen Nationalfehlern sich befreit haben, und ist häufig ungerecht und immer schädlich. Was mit jenem Vorwurf gemeint ist, wenn dabei überhaupt an eine bestimmte Tatsache gedacht wird, bekenne ich, nicht zu wissen. Ein einziges Mal, in der Vorrede zu dem 1873 erschienenen dritten Bande der Inschriftensammlung habe ich mich öffentlich ausgesprochen über die schwere Schädigung, welche der deutsch-französische Krieg den wissenschaftlichen Arbeiten zugefügt hat: orbe terrarum interim convulso nationibusque divulsis plerique eorum quorum munificentia et amicitia prima potissimum hujus syllogae pars nitet, ex amicis hostes facti sunt, ex hostibus inimici. Gewiß habe ich, wie jeder Deutsche, mich unserer großen Erfolge gefreut und neben diesen verschwinden alle mit denselben verknüpften Unannehmlichkeiten und Schädigungen. Aber wenige sind in der Lage gewesen, das schwere Unglück des dauernden nationalen Konflikts tiefer zu empfinden als ich. Bei der ehren- und dornenvollen Aufgabe, welche mir durch die Leitung des akademischen Inschriftenwerkes erwuchs, habe ich es als ein besonderes Glück empfunden, daß dieses Unternehmen, welches der Sache nach von der gesamten Gelehrtenwelt ausgeführt werden mußte und bei dem die sogenannten Herausgeber nicht viel mehr sind als der Redakteur bei dem Journal, in hervorragender Weise geeignet war, die internationalen literarischen Beziehungen zu beleben und zu festigen, und in fünfzigjähriger Arbeit habe ich den Segen und die Freuden solchen Zusammenwirkens erfahren. Die Haltung Frankreichs ist in dieser Hinsicht von so entscheidender Bedeutung, daß damals der Bruch zwischen den beiden Nationen dem Begraben solcher Hoffnungen nahe kam. Das hat auch ertragen werden müssen – jetzt bessern sich die Dinge –; aber von dem Jubel darüber bin ich stets weit entfernt gewesen, und von dem schweren sittlichen Vorwurf des Hohnes gegen die Besiegten weiß ich mich völlig frei.



 << zurück weiter >>