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Zweites Kapitel

Ich stand damals bei der Kavallerie. Wir lagen im T...schen Gouvernement und zwar auf verschiedene Dörfer verteilt, der Regimentskommandeur aber und sein Stab befanden sich, wie es sich von selber versteht, in der Gouvernementsstadt. Schon zu jener Zeit war es ein lustiges Städtchen, reinlich und geräumig und nicht ohne mancherlei Unterhaltungen, – es gab ein Theater, einen Adels-Klub und ein großes, übrigens ziemlich geschmacklos gebautes Hotel, das wir sogleich eroberten und dessen meiste Zimmer von uns mit Beschlag belegt wurden. Die einen wurden von den Offizieren bewohnt, die immer in der Stadt lebten, die anderen wurden für die zeitweilig aus ihren dörflichen Standorten Herreisenden freigehalten, und diese Zimmer wurden niemals an Fremde abgegeben, sondern eben immer nur an Offiziere. Die einen reisten ab und die anderen traten an ihre Stelle, – so hießen sie denn auch die Offizierszimmer.

Unser einziger Zeitvertreib war, versteht sich, das Kartenspiel und die Verehrung, die wir dem Gott Bacchus zollten, aber auch der Göttin der Herzensfreuden.

Das Spiel war zuweilen recht hoch, zumal im Winter und wenn die Zeit der Wahlen herankam. Im Klub wurde nur selten gespielt, sondern meist auf den Zimmern – dort war es bequemer, man konnte den Rock abtun und mit offenem Hemd spielen – und häufig gingen Tage und Nächte über dieser Beschäftigung vorüber. Es ist, glaube ich, nicht gut möglich, törichter und würdeloser die Zeit zu verbringen und Sie können hieraus selber leicht schließen, was für Leute wir damals waren und welche Ideen uns zumeist beschäftigten. Wir lasen wenig und schrieben noch viel weniger, – und auch das nur, wenn irgendein fühlbarer Spielverlust uns dazu zwang, die Eltern zu beschwindeln und einen außeretatsmäßigen Geldzuschuß zu verlangen. Mit einem Wort, – etwas Gutes konnte keiner in unserer Gesellschaft lernen. Unsere Gelder verspielten wir entweder einer an den andern, oder wir hatten die in der Stadt weilenden Gutsbesitzer zu Partnern, die nämlich genau so veranlagt waren, wie wir selber; in den Pausen aber soffen wir und prügelten wir die Kellner, oder wir entführten die Kaufmannsfrauen und Schauspielerinnen, freilich nicht, ohne sie nachher wieder zurückzuschaffen.

Eine liederliche und oberflächliche Gesellschaft war es, in der die Jüngeren den Älteren gleich zu werden bestrebt waren, in der auch nicht einer in seiner Person irgend etwas Hervorstechendes oder gar Verehrungswürdiges darstellte.

Fragen der besonderen Ehre oder des Edelmutes wurden niemals hervorgehoben oder jemals im Gespräch berührt. Alle lebten nach der Vorschrift und handelten genau so, wie es nun einmal hergebracht war, – sie taumelten von Orgie zu Orgie und so wurden ihre Herzen und Seelen zu allem Zarten, Erhabenen und Bedeutenden mit der Zeit kalt. Und dennoch war die gebundene Wärme, die allen tiefen Wassern eigen ist, da, und zeigte sich auch in unserem flachen Gewässer.


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