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Achtes Kapitel

Auf diese Art vermochten es die Andersgläubigen, sich des Wohlwollens unseres Psychopathen zu versichern, und jener Deutsche verwaltete, fast ohne Rechenschaft ablegen zu müssen, eines der Güter, und hatte in so breitem Maße das Recht, von seinen Vollmachten Gebrauch machen zu dürfen, daß er eigentlich nicht viel anderes tat, als Wischnewskij selber.

Einzig hinsichtlich der Frauen erlaubte ihm Stepan Iwanowitsch nicht, seine Forderungen etwa bis auf den Gutshof selber auszudehnen, damit niemand jemals gewahren könnte, daß eine zum richtigen griechischen Ritus gehörige Frau »zum Deutschen ginge«. Schande hätte das für sie gegeben, Schande, die sogar für das unter Umständen zur Welt kommende Kindchen noch erniedrigend fein konnte. Der Deutsche hatte die Verpflichtung, sommers seinen leichten Schlafrock anzuziehen, winters jedoch einen warmen, wattegefütterten Überrock und dazu die Mütze, und in diesem Aufzuge, zu dem noch in der einen Hand die Laterne kam, sich selber ins Dorf zu begeben, wobei ihn ein Aufseher zu begleiten hatte, der »für sein Leben haftete« … Außer dieser gab es nur noch eine einzige weitere Beschränkung für den Deutschen, nämlich, daß durch seine Leistungen unter keinen Umständen eine Vermehrung des »deutschen Gewinnes« erfolgen dürfte, sondern, daß alles »dem russischen Gewinn« dienen müßte.

Nach diesen Einzelheiten zu schließen, hat es den Anschein, daß es sich nur um partielle Einschränkungen handelte, in der allgemeinen Summe jedoch kam dabei heraus, daß der Deutsche häufig zu Stepan Iwanowitsch ging, um Klage zu führen: er sagte dabei:

»Völlig ausgeschlossen.«

»Ja, wieso denn?«

»Sie kneifen alle aus! …«

Wenn nämlich der Deutsche in seinem langen Schlafrock und mit der Laterne in Begleitung desjenigen, der »für sein Leben haftete«, auf seinen nächtlichen Feldzug auszog, dann sah ihn alles bereits von ferne und alle, die sich durch die Richtung seines Ganges von seinem Besuch bedroht fühlten, liefen fort oder versteckten sich.

Stepan Iwanowitsch gab sich den Anschein, als täte ihm das sehr leid, er konnte jedoch trotzdem unter keinen Umständen gestatten, daß auch nur in einem Punkte von der durch ihn festgesetzten Ordnung abgewichen würde.

»Ohne Laterne und ohne Begleiter werden sie dich verhauen und hinausschmeißen und ich hätte keinen, der mich für dich verantworten könnte,« sagte er, als hielte er die von ihm selbst aufgestellte Regel in der Tat für unumgänglich notwendig: jene Menschen jedoch, die ihn näher kannten, bemerkten, daß, während er mit dem Deutschen dessen Angelegenheit besprach, »eine Schnurrbarthälfte« Stepan Iwanowitschs »lachte«.

Bei ihm, als einem echten Psychopathen, verband sich soviel Sinnloses mit so viel Schlauem, und all dies durchsetzte ihn derartig, daß man »nie feststellen konnte, wie er es eigentlich meinte«.

Seine pikanten Späßchen mit dem Deutschen endeten freilich damit, daß dieser, der immer wie ein Johanniskäfer im Grase mit seiner Laterne flunkernd ewig auf die Suche ging, eines Nachts auf dem Flur einer Bauernhütte weidlich verdroschen wurde, worauf ihn sein Begleiter, der für sein Leben haftete, nach Hause trug; dort war es sein erstes, daß er ungesäumt seine deutsche Seele, die hier auf Erden in Verehrung für die Heiligen Nikolaus und St. Georg geweilt hatte, Gott befahl.

Allein trotzdem der Deutsche sich den genannten Heiligen so willig untergeordnet hatte, kam Stepan Iwanowitsch dennoch zum Entschluß, er wäre unwürdig, auf dem Friedhof »zusammen mit den anderen Erzeugern des wahren östlichen Glaubens« beigesetzt zu werden, und befahl darum, ihn hinter der Kirchhofsmauer einzuscharren und statt des Kreuzes einen Stein auf den Platz zu stellen, »damit ermattete Menschen sich darauf niedersetzen und ausruhen könnten.«

Er hatte überhaupt in allen Fällen einen eigenartigen, aber in seiner Art doch sehr passenden Ton, der sowohl dem Humor zu seinem Rechte verhalf, als auch seine Ehrerbietung vor dem Glauben der Heimat klar ausdrückte, obwohl letzterer weniger auf einer katechetischen Lehre begründet war, als eben auf den Heiligen Nikolaus und Jurko. Und nur der einige Gott weiß, ob das alles sich wirklich so verhielt, wie Stepan Iwanowitsch vorgab, oder ob es nicht auch in dieser Sache noch ein anderes gab, das ihm fein Handeln verschrieb.

Zur vollen Schilderung von Wischnewskijs religiösem Kultus muß noch hinzugefügt werden, daß es längst nicht einem jeden erlaubt war, den Heiligen Nikolaus oder den Heiligen Georg zu verehren oder anzubeten, dies war einzig den Christen der andersgläubigen Religionsbekenntnisse vorbehalten. Nur diesen war es erlaubt, sich durch höfliches Verhalten gegen die zwei Heiligen vor Strafen zu sichern und auf diesem Wege sich Stepan Iwanowitschs Gunst zu erwerben. Den Hebräern erlaubte er keinesfalls, sich unter den Schutz dieser Heiligen zu flüchten und bestrafte sogar diejenigen, die auch nur eine Neigung verspürten, so etwas zu tun. So gab es einmal einen Juden, der Stepan Iwanowitsch in irgendeiner Sache betrogen hatte, und dem daher Prügel zudiktiert worden waren. Als man ihn von der Freitreppe, von wo aus Wischnewskij das Urteil verkündet hatte, fortzog, begann der Jude sich zu sträuben und mit jämmerlichen Grimassen zu schreien:

»Oj, wie ich sie verehre … verehren tu ich Nikolai … und verehren tu ich Jurko …«

Stepan Iwanowitsch gab seinen Liktoren einen Wink, einzuhalten und fragte den schlotternden Juden:

»Was schreist du da?«

»Wie ich sie groß verehre … Wie ich sie groß verehre …«

»Plapper nicht, – sag doch, wer es ist, den du so verehrst?«

»Oj, oj, gewiß … oj, die beiden verehr ich … den Heiligen Nikolai und den Heiligen Jurko.«

»Da tust du aber nicht recht daran …«

»Oj, warum denn … oj, warum denn nicht recht … wenn sie doch so gnädig sind … vielleicht werden sie sich auch meiner erbarmen.«

»Allerdings, gnädig sind sie, – da hast du ganz recht, aber, mein Brüderchen, es ist ganz und gar nicht ihre Sache, für einen Juden einzutreten, – ihr habt ja da euren eigenen Moses, ruf du nur den an, wenn man dich hauen wird; dafür aber, daß du dich unterstanden, solche heiligen Namen mit deinen jüdischen Lippen anzurufen, – dafür, Burschen, erhält er zehn Peitschenhiebe mehr für den Nikolaus und fünfundzwanzig für den Heiligen Jurko, damit er in Zukunft nie mehr wagen solle, sie zu belästigen.«

Und darauf wurde das unglückselige Jüdchen natürlich dorthin gebracht, wohin es angemessen erschien, und dort wurde ihm alles das, was er seines Betruges wegen aufgebrummt erhalten hatte, aufgezählt, – und zwar mit einer Draufgabe von fünfunddreißig Peitschenhieben, wegen seiner nach Wischnewskijs Ansicht völlig unangebrachten Kriecherei vor dem Nikolaus und dem St. Georg, – aber auch hierbei wurden die beiden an Ruhm und Bedeutung einander nicht gleichgestellt, denn für Nikolaus setzte es bloß zehn Streiche, für den Heiligen Jurij aber gleich fünfundzwanzig.

Und zwar wurde das nicht etwa so leichthin gesagt, sondern eben aus größerer Liebe und Verehrung zum heiligen Jurij.

»Ja, ja, freilich, – weil er zu uns gehört und nicht zum Moskowiterland.«


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