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Zweites Kapitel

Es hieß, daß Wischnewskij, wie wir bereits oben mitzuteilen Gelegenheit hatten, nur Bärenfleisch äße, zu diesem Zwecke wurde auf einer der im Twerschen befindlichen Besitzlichkeiten seiner Frau ein Bärenzwinger unterhalten. Die Bären wurden dort aufgezogen und darauf nach Moskau geschickt, wo sie auf Stepan Iwanowitschs Tafel kamen. Gegen die Polizei empfand Wischnewskij einen angeborenen und unbesiegbaren Haß und kein einziger Polizist wagte es je, in sein Haus einzudringen, es sei denn, er tat es auf die Gefahr hin, alle nur erdenkbaren Kränkungen zu erleiden, wenn er Stepan Iwanowitsch unter die Augen geriet. Wischnewskijs Haus war für die Moskauer Polizei unzugänglich und stand, ob nun aus diesem oder einem anderen Grunde, schon bald in einem äußerst geheimnisvollen, aber nicht gerade schmeichelhaften Rufe. Am meisten trugen hierzu Wischnewskijs lasterhafte Instinkte hinsichtlich der Frauen bei, oder vielmehr genauer gesagt, hinsichtlich der erwachsenen Kinder weiblichen Geschlechtes. Die Polizei haßte natürlich ihrerseits Stepan Iwanowitsch mit dem gleichen Hasse und suchte nach einer Gelegenheit, sich an ihm, seiner vielen Ungezogenheiten wegen, rächen zu können, aber es verging eine lange Weile, ehe sich ein passender Grund hierzu bot. Endlich kam ein Zufall zu Hilfe: einer der Hofhunde verschleppte einmal einen Fußballen auf die Straße, an dem noch das Muskelgewebe zu sehen war, und ließ ihn dort liegen: dieser Gegenstand wurde als ein Bestandteil eines kleinen menschlichen Fußes erkannt. Einige Tage darauf wiederholte sich das. Man beobachtete den Hund und entdeckte, daß er diese Knochen aus der im Hofe befindlichen Müllgrube scharrte. Die Dienerschaft der nebenanliegenden Häuser sprach laut davon, daß Wischnewskij mit seinen leibeigenen jungen Mädchen Ungebührliches treibe und sie nachher umbringe. Und bald darauf hatte man eine Liste der jungen Dinger, die dem Gerücht nach spurlos verschwunden waren, und nannte sie sogar mit Namen.

Hierin ersah die Polizei nicht nur einen genügenden Grund, um sich in die Sache zu mischen, sondern hielt es geradezu für ihre heilige Pflicht, was ja auch in der Tat richtig war. Und somit erschienen denn ein Polizeichef und ein Rayonchef bei Stepan Iwanowitsch und schickten sich an, die Müllgrube, aus der der Hund die verdächtigen Knochen gescharrt hatte, zu erforschen. Stepan Iwanowitschs getreue Diener wollten der Polizei nicht gestatten, diese Besichtigung vorzunehmen, ehe nicht ihr »Pan« die Genehmigung dazu erteilt hätte. Stepan Iwanowitsch zog sich an und ging selber zu den Polizeileuten hinaus und befahl ihnen, die Grube zu öffnen. Dort wurde zur Freude der Polizei eine Menge genau solcher Knochen gefunden wie jene, die zu dem Verdacht Anlaß gegeben hatten, doch wurde gleichzeitig der Beweis erbracht, daß es sich keineswegs um menschliche Füße handelte, sondern um die Tatzen der jungen Bären, die man getötet hatte, um sie auf Wischnewskijs Tafel zu bringen.

Die Verlegenheit der beiden Polizeibeamten war groß, sie entschuldigten sich vor Stepan Iwanowitsch und sagten, daß allerhand Zweifel und lügenhafte Gerüchte sie zu diesem Irrtum gebracht hätten.

Und Wischnewskij entschuldigte sie … und züchtigte sie dortselbst mit seiner Knute.

Diese äußerst schroffe Unfreundlichkeit hatte für ihn zur Folge, daß ihm befohlen wurde, Moskau zu verlassen und von nun ab auf seinen kleinrussischen Dörfern zu leben, die die Freigebigkeit der Kaiserin Elisabeth seinem Vater Iwan Gawrilowitsch verliehen hatte.

Wischnewskij konnte nicht anders, als sich der besagten Forderung zu unterwerfen und ließ sich nunmehr auf seinem Dorf Farbowanaja im Perejaslawschen Kreise nieder, um dort in voller Freiheit weiteren Unfug zu treiben.

Die Sache mit den Bärentatzen wird nach den Moskauer Überlieferungen verschiedenen Personen zugeschrieben, lediglich die kleinrussischen Chroniken, die zum größten Teile in den Niederungen, durch die die Flüsse Udaj und Ssupoj fließen, entstanden, schreiben sie Stepan Iwanowitsch Wischnewskij zu. Was aber die Moskauer Fahrt auf dem Stiergespann anbelangt, so muß etwas in dieser Art freilich geschehen sein, es ist mir jedoch nicht gelungen, in den Moskauer Überlieferungen auch nur die geringste Erinnerung an diesen originellen Einfall aufzustöbern. Aus diesem Grunde könnte es vielleicht angebracht erscheinen, die Geschichte als zweifelhaft anzusehen, allein es gibt unter den Bewohnern der Ebenen des Udaj und des Ssupoj viele, die auf das nachdrücklichste die Wahrheit der Begebnisse beteuern und die auf alle Einwände, daß man in Moskau nichts darüber wisse, mit kräftiger Verächtlichkeit ihre dicken Kosakenlippen aufwerfen und nichts als dies entgegnen:

»Auch was Rechtes! – in Moskau nach der Wahrheit zu suchen!«


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