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Vierzehntes Kapitel

In seinen eigenen Angelegenheiten ließ Stepan Iwanowitsch stets weise Voraussicht walten und gab sich trügerischen Berechnungen nur dann hin, wenn die Leidenschaft der Liebe ihn umnebelte. Die höchste Tollheit dieser Art, die je von ihm Besitz ergriff, spielte sich damals ab, als noch jene schlanke und zierliche Hapka Petrunenko, zu deren Füßen wir ihn vorhin, auf dem Teppich ruhend, verlassen hatten, bei ihm war.

Zu jener Zeit, als Wischnewskij noch dieses Mädchen liebte, war an der Dorfkirche von Farbowanaja ein Priester, der Platón hieß. Dieser hatte die den Russen ziemlich allgemeine Schwäche, daß er, wenn er nüchtern war, »auch das Allerbeste verschwieg«, wenn er dagegen getrunken hatte, wurde er redselig und konnte sogar »die wahrhaftigste Wahrheit schneiden«.

Als Wischnewskij sich am Tage darauf vom Teppich erhoben hatte, verkündete er gleich frühmorgens Stepanida Wassiljewna strahlend eine wichtige Neuigkeit.

Hapka fühle ein neues Leben in sich schlagen.

»Und das Kind, das sie gebären wird, das soll nicht mein Leibeigener sein, sondern soll frei sein,« fügte Wischnewskij hinzu.

Stepanida Wassiljewna erhob sich und küßte ihren Mann auf die Stirne.

Dies war von seiten Stepan Iwanowitschs ein seltenes Geschenk der Liebe, denn die gewaltige Mehrzahl seiner Kinder war als leibeigene »Seelen« eingetragen worden und hatte den Frondienst auf seinen Feldern zu leisten.

Hapotschka war selig.

Eine Stunde darauf ging sie Himbeeren pflücken, gleichzeitig aber trat der Pater Platon an den Gartenzaun, er war wieder einmal in seiner wahrheitsliebenden Stimmung. Er erblickte das Mädchen und begann im pastoralen Tone mit ihr zu sprechen:

»Was, Mädelchen, – lustig sind wir? … Sei nur lustig, sei nur lustig, iß die süßen Himbeeren … wenn du erst ein kleines Kindchen bekommen wirst, wird der Nackenstoß auch für dich nicht ausbleiben …«

»Warum denn?« fragte Hapka, die mit einem Male verwirrt und traurig wurde, und sah ihn dabei mit einem Seitenblick an … denn, wie sonderbar es auch erscheinen mag, viele jener Frauen, die anfangs wider Willen Wischnewskijs Geliebte geworden waren, liebten ihn nachher um so stärker. Das gleiche fühlte jetzt auch Hapka und darum fragte sie, warum sie denn verjagt werden solle, sobald sie ein Kindchen zur Welt gebracht hätte?

»Eben darum«, entgegnete der Priester, »weil man auf diesem Herrschaftshofe kein Kuhchen zum zweiten Male kalben läßt.«

Das war alles, was von seiten des Paters Platon geschehen war, Hapka aber, die empfindsam war und zwar jetzt in dem neuen und sonderbaren Zustande ihres Organismus erst recht, vergoß bittere Tränen, als verschwiegene Kleinrussin jedoch wollte sie um keinen Preis mit der Sprache herausrücken, warum sie weine. Stepan Iwanowitsch mußte selber alles in Erfahrung bringen: einige seiner Leute hatten gesehen, daß der Priester mit Hapotschka gesprochen, und meldeten es dem Pan, dieser aber befahl seinem geistlichen Vater, augenblicks zu ihm zur Beichte zu kommen und fuhr ihn an:

»Was hast du der Hapka vorgeschwatzt?«

Der Priester konnte sich nicht entschließen, die Worte, die er dem Mädchen gesagt, zu wiederholen, und entgegnete daher:

»Ich erinnere mich nicht.«

Wischnewskij schäumte auf und schrie:

»Aha! … Jetzt erkenne ich dich, du kriechst ihr wohl selber nach … Du dachtest wohl, daß sie dich für mich eintauschen wolle?«

»Was soll das nur, Euer Gnaden?«

»Nichts da mit »Euer Gnaden«. Meine Gnade kann dich nur insoweit begnadigen, als ich, der ich dein geistliches Kind bin, nicht befehlen werde, dich zu verdreschen, aber fort soll man dich schaffen und durchs ganze Dorf zerren, damit ein jeder wisse, was du für ein Unstat bist …«

Man packte den Unglücklichen, zog ihn aus und steckte ihn in ein Heubündel, aus dem einzig sein Kopf hervorragte, auf die Haare wurden ihm Daunenfedern geschüttet und in diesem Aufzuge wurde er durch das ganze Dorf geführt.

Der Priester reiste gleich darnach ab, sich zu beklagen und bat um seine Versetzung. Letztere wurde ihm anstandslos genehmigt, ohne daß Stepan Iwanowitsch eine unangenehme Folge davon gehabt hätte.

Die Sühne für sein Vorgehen wurde ihm durch den gekränkten Priester selber zuteil, aber es war eine lächerliche Rache, und kam vor allem viel zu spät. Sie wurde erst nach Jahren entdeckt, als Stepan Iwanowitsch eine seiner beiden Töchter verheiratete. Zu diesem Zwecke wurde ein Auszug aus den metrischen Kirchenbüchern erforderlich und dort fand man denn auch die dumme und völlig sinnlose Notiz über einem vorher ausradierten Texte, daß nämlich Stepan Iwanowitsch und seiner ehelichen Gattin eine uneheliche Tochter geboren worden sei …

Es war so töricht, daß es Stepan Iwanowitsch keine ernsten Ungelegenheiten bereiten konnte, trotzdem jedoch verursachte es ihm einigen Ärger. Wie, jemand hatte es gewagt, ihm einen solchen Streich zu spielen! … Und wer denn? – ein Pope! Und es konnte nicht einmal gerächt werden … denn Pater Platon war schon lange zuvor nach dem Ratschlusse Gottes gestorben.

Andernfalls freilich hätte ihn Stepan Iwanowitsch auch in jedem anderen Sprengel gepackt.


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