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Viertes Kapitel

Hinsichtlich seiner Keuschheit und Moral galt Stepan Iwanowitsch für einen Menschen, der in diesem Punkte wenig Umstände machte und von großer Naivität sei. Allerdings muß man zugeben, daß es dazumal viele gab, die ihm ähnlich und geradezu gleich waren, die originellste Rolle jedoch spielte bei dieser Art von Dingen in unserer heroischen Epopöe seine Gattin Stepanida Wassiljewna, geborene Schubinskaja, die man ebenfalls mit vollem Recht eine Psychopathin nennen könnte, – wenn auch freilich in ihrer Art.

Sie entstammte, wie wir bereits oben mitteilten, einem adligen Geschlecht aus Twer und war ein sehr gebildetes Fräulein aus ausgezeichnetem Hause. Sie liebte ihren Mann sehr und lebte mit ihm in ständiger Eintracht. Aus ihrer Verbindung mit Stepan Iwanowitsch hatte sie zwei Töchter, doch verlief die Geburt der zweiten für sie äußerst unheilvoll, denn Stepanida Wassiljewna ging dabei »das Menschliche auf ewig verloren«. Stepan Iwanowitsch begann nach und nach, sich von ihr zu separieren: wenn sie auf Farbowanaja weilte, fuhr er nach Ssoßnowka, wenn sie dagegen in Ssoßnowka war, reiste er nach Farbowanaja. Stepanida Wassiljewna sah das mit Kummer, und da sie, wie sie sagte, ihren Mann liebte, ließ sie es sich angelegen sein, alles zu tun, damit er »sich nicht von ihr entferne« und damit es ihm in ihrer Nähe »zu leben nicht langweilig sei«. Aus diesem Grunde richtete sie bei sich für die Mädchen so etwas wie Spinnstuben ein, und obwohl die Mädchen anfangs nur ungern und unter Tränen kamen, verstand Stepanida Wassiljewna bald, ihnen schön zu tun und es ihnen so heimlich zu machen, daß sie sich endlich daran gewöhnten und zu weinen aufhörten. Und nun schrieb Stepanida Wassiljewna ihrem Gatten und lud ihn ein, sie zu besuchen und sich an ihren Mädchen zu weiden. Und er antwortete ihr: »Ich bin Dir sehr dankbar und verstehe die Mühe, die Du mit mir hast, vollauf zu würdigen, im übrigen verlasse ich mich, was die Auswahl anbetrifft, mehr auf Deinen Geschmack, als auf meinen eigenen.«

Diese Antwort ihres Gemahls freute Stepanida Wassiljewna nicht nur, nein, sie rührte sie auch. Ihre Gefühle für Stepan Iwanowitsch brannten doppelt so heiß als zuvor und bald darauf schrieb sie ihm aufs neue voller Ungeduld: »Für Dein Zutrauen, mein unschätzbarer Freund, danke ich Dir sehr, und hinsichtlich meines Geschmacks, auf den Du Dich, wie Du schreibst, verläßt, hoffe ich von ganzem Herzen, es Dir recht zu machen, jetzt aber bitte ich Dich, Du Engel meiner Seele, – komm doch zu mir, so schnell Du nur immer kannst, denn mein Herz ist betrübt nach Dir, und Du wirst schon sehen, daß ich nicht etwa nur Sehnsucht nach Dir empfinde, sondern, daß ich auch Deinen Geschmack sehr wohl erfaßt habe. Unsere beiden Kinder sind gesund und grüßen Dich und küssen Deine Hände.« Die Unterschrift lautete: »Deine getreue Frau und Sklavin Stepanida.«

Nachdem Stepan Iwanowitsch dieses Sendschreiben erhalten, ließ er sein Junggesellenleben fahren und reiste wieder zu seiner Gemahlin, die es nun erreicht hatte, daß es ihm »mit ihr im gleichen Hause zu leben nicht mehr langweilig erschien«.

Nicht nur, daß sie gegen die von ihrem Manne erwählten Favoritinnen freundlich und zärtlich war, mehr, sie pflegte und besorgte sogar seine Kinder, deren es bei dieser patriarchalischen Ordnung des Herrenlebens in Farbowanaja mit der Zeit natürlich eine ganze Menge geben mußte.

Wischnewskij selber war lang nicht so reinen Herzens und so aufrichtig wie seine Frau: wenn Stepan Iwanowitschs verderbtem Geschmack jene Person, die berufen war, durch ihre Anwesenheit sein »Leben kurzweilig zu gestalten«, mit der Zeit zu viel oder gar überdrüssig wurde, begann Wischnewskij aufs neue alle Anstalten zu treffen, »allein auf seinem anderen Dorf zu leben«.

Stepanida Wassiljewna erfaßte das bald und wenn sie auch ihrem Gatten nicht widersprach, denn sie stellte nach den Vorschriften ihrer Ahnen den Frieden und die Eintracht des ehelichen Lebens über alles auf der Welt, so verging doch jedesmal nur eine kurze Spanne, und sie hatte alles in Ordnung gebracht und konnte ihrem Gemahl einen stillen und zärtlichen Brief schreiben, darin etwa zu lesen war: »Deine List und daß Du gegen mich in wichtigen Dingen so unaufrichtig bist, ist mir ein großer Kummer, mein Freund, und eine rechte Plage, denn nichts dergleichen habe ich um Dich verdient. Gott sieht, daß ich wahr und aufrichtig bin und daß ich Dich mehr als alles auf der Welt liebe, die Trennung von Dir dörrt mein Herze aus wie dürres Gras, und nicht trocknen wollen die bitteren strömenden Tränen. Jene Person aber, deren Reizlosigkeit Dich ermüdet hat, und derer Du überdrüssig geworden bist, habe ich durch meine Bemühungen ohne große Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, und sie ist gegenwärtig mit ihrer Lage sehr zufrieden und läßt Dir danken. Wenn Du jedoch jetzt zu mir eilen wolltest, würdest Du sehr angenehme Gesichter zu sehen bekommen. Was unsere beiden Kinder anbelangt, durch Gottes Güte ist ihnen nicht das geringste zugestoßen, sie leben und sind gesund und beten für ihren Vater.« Und wiederum folgte die alte Unterschrift: »Frau und Sklavin«.

Zur Antwort hierauf kamen von Wischnewskij Komplimente für seine Frau, und kam aufs neue die Versicherung, daß er zu ihrem Geschmack volles Zutrauen habe, und kurze Zeit darauf kehrte Stepan Iwanowitsch erneut unter sein häusliches Dach zurück. Timpane und Jubel begrüßten ihn natürlich, Zärtlichkeit und laute Ausbrüche, das gebratene Kalb war da und alles, alles was notwendig war, ihn so glücklich zu machen, wie er es verlangte und so gut es seine zärtliche, ja überzärtliche Frau verstand, die das Unglück gehabt hatte, trotzdem sie eine lebendige und sehr reizvolle junge Frau war, »das Menschliche auf ewig zu verlieren«.


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