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Im Aquarium fand Braun die Modelle, die er sich bis dahin oft vergeblich gewünscht hatte. Tiere, die eine Stunde und mehr unverrückbar an einer Stelle blieben. Eine schwarzgelbe indische Schlange, ein »Ularburong«, hing volle zwei Stunden in einem Bambuszweig, ohne auch nur die Schwanzspitze zu bewegen.
Jochen ließ die Zeit nicht ungenutzt und machte eine Arbeit, deren eingehende Ausführung später sehr gefiel.
Einige Zeit darauf hatte sich die Nashornviper neu gehäutet. Zugleich war ihr Terrarium frisch gesprengt worden, und einige feuchte, silberne Perlen hingen an ihrem wunderbar schönen Kleid. Ein kostbares Ornament in Schwarz, Zartrot, Ocker, Himmelblau und Lila überzog ihren starken Leib. Der Kopf sah aus, als wäre er von dem großen Florentiner Silberschmied Benvenuto Cellini getrieben. Ein ungeschultes Auge hätte ihn häßlich nennen können. Er war es jedoch nicht, wohl aber grausig in seiner wilden Schönheit.
Auch diese Schlange malte Jochen, und er hatte später die Freude, daß eine sehr gut geleitete Zeitschrift sie ankaufte und als Umschlagbild brachte. Am stärksten beeindruckten jedoch den jungen Maler die Fische. Hier in dem dunklen Raum mit den hellen Fenstern, durch die man in fremde, farbige Welten sah, gelangen ihm ein paar feine Arbeiten.
In dem Stockwerk der Terrarien hatte er einmal ein drolliges Erlebnis. Er stand mit einem Tierpfleger hinten auf dem Wärtergang, während der Mann eines der Terrarien mit dem Wasserschlauch ausspritzte. Plötzlich nahm der Wärter mit festem Griff einen afrikanischen Frosch, der ungefähr eineinhalb Pfund wiegen mochte, und hielt ihn Jochen hin. Der Riesenfrosch war sehr schön gezeichnet und hatte eine mächtig entwickelte Vorderbeinmuskulatur.
»Wollen Sie mal seine Stimme hören?« fragte der Wärter scheinheilig, »dann müssen Sie ihn mit den Fingern leicht unter der Brust kraulen.«
Braun tat es.
Im nächsten Augenblick stieß er einen Schreckensschrei aus und schlug wild Hand und Arm zur Seite. Der Frosch hatte blitzschnell mit gewaltiger Kraft seine muskelstrotzenden Arme um Brauns Finger gepreßt. Es war eine Reflexbewegung, denn das Tier war in der Paarungszeit.
Ein andermal kam Braun dazu, wie zwei Wärter auf demselben Gang einer Riesenschlange gewaltsam Schellfische in den Rachen stopften. Die Schlange war keines der stärksten Tiere, immerhin hatte sie die Stärke eines Männerarmes. Diese Python hatte schon seit Monaten nichts mehr gefressen und war dem Verhungern nahe.
Jochen half, indem er Kopf und Hals hielt. Als sie ihre aufgezwungene Mahlzeit eingenommen hatte, war sie schlaff und teilnahmslos. Einer der Wärter legte sich die Schlange um den Arm und hielt sie so. Der Kopf hing herab, ebenso das Schwanzende. Dann wickelte man sie wieder los, und Braun ließ sie sich in drei Ringen um den Unterarm legen.
Er spürte gleich darauf einen leisen Druck, der schnell an Stärke zunahm. Schon nach wenigen Augenblicken wurde die Umschlingung unerträglich, die Hand verlor die Farbe, und Schmerzen stellten sich ein. Die Wärter nahmen die Schlange sofort ab und brachten sie in ihr Terrarium zurück. Ein einzelner Mann dürfte sich solchen Scherz nicht leisten.