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21. Kapitel

Der Pavianwärter war es zufrieden. Er steckte sich eine Zigarette an und ging gelegentlich zu Gustav Messing, dem Wärter im Nagetierhaus.

Das war eine ulkige Nummer. Er trug den Kopf etwas schräg nach links, von einer Kriegsverwundung her, war mittelgroß und hager und fiel eigentlich nicht auf. Aber witzig war er.

Als Jochen Braun einmal bei ihm in den Meerschweinchen wühlte, wie Gustav es nannte, da stand er mehrere Käfige entfernt und fütterte. Der Jungmaler untersuchte gerade einige neugeborene Angorameerschweinchen auf ihre Qualität, als sich Messing halb umdrehte und trocken sagte: »Braun, die Tiere sind gezählt!«

Auch jetzt, als der Affenwärter herüberkam, war Jochen da. Sie sprachen über den Oberwärter, der ein sehr kleiner, gedrungener Mann war. Gustav Messing erzählte, wie er letzthin vor seinem Nagetierhaus gestanden hätte, habe er den »Ober« von weitem die Hauptallee herunterkommen sehen. Des besseren Eindrucks wegen habe er sich wieder an seine Käfige gemacht und den offenbar auf seinem Inspektionsgange begriffenen Vorgesetzten erwartet.

»Na, dachte ich, nun müßte er eigentlich 'ran sein, und ging raus, mal nachsehen. Aber weit und breit kein Oberwärter. Und wie ich noch so stehe, mit einemmal kommt er hinterm Papierkorb vor.«

Der Affenwärter ging mit Messing zum Wirtschaftshof, Jochen Braun schloß sich an. Drüben vor dem Affenhaus waren zwei Rohrleger dabei, eine tiefe Grube auszuschachten. Einer der Heizer des Zoologischen Gartens, ein Freund Gustavs, auch einer von den Schlagfertigen, besprach etwas mit den Arbeitenden. Als nun alle um die Grube herumstanden und mit jener stillen Andacht auf die Bemühungen der beiden Rohrleger sahen, mit der man in so angenehmer Weise dem Fleiß anderer zusieht, da sagte Gustav, indem er auf einen der beiden Rohrleger wies: »Der Emil, wenn der so arbeitet, der kennt seinen eigenen Bruder nicht!«

Später gingen Jochen, der Heizer und Gustav in den Keller des Nagetierhauses, denn sie hatten da etwas zu »erledigen«. Messing hatte nämlich nicht nur Futtermittel für seine Tiere mitgebracht, sondern auf seiner Karre lagen keusch verhüllt in einem Sack auch einige Bierflaschen.

Da wurde denn bei dem Gerassel der Stachelschweine und dem Knuspern der Kaninchen dem kühlen Naß munter zugesprochen, und manches lustige Wort fiel.

Man unterhielt sich über Schriftsteller. Auch Jochen Brauns Vater schrieb, und sein Name hatte einen guten Klang weit über die Grenzen unseres Landes.

Der Heizer war wohl mit dem Malerjüngling noch nicht so ganz im reinen, denn auf eine etwas schnoddrige Bemerkung Jochens meinte er: »Wenn Sie man auch 'n Dussel sind, die Bücher von Ihrem Vater stehn im Schrank!«

Da tat sich weit am Ende des Ganges die Tür auf, und die originelle Silhouette eines Mannes erschien im hellen Viereck des Türrahmens.

»Jetzt kommt Kastan mit 'm Loch im Kopp!« meinte Gustav. Und wirklich, der da im schlottrigen Mäntelchen, den flachen Hut ins Gesicht gedrückt, erschien, das war ein Nachkomme eines der beiden Brüder Kastan, Ton dem seinerzeit berühmten »Kastans Panoptikum« in Berlin.

Er ließ sich nicht lange nötigen, sondern ergriff sofort eine Flasche Bier; zu diesem Zwecke hätte man ihn aus dem nächtlichen Schlummer wecken dürfen.

Bald zog er einige Blättchen Papier aus der Innentasche, auf denen die Schädel von Nagetieren mit peinlicher Genauigkeit in Feder gezeichnet waren.

Er erzählte dem interessierten Jochen, daß er schon viele Hunderte solcher Nagetierschädel gezeichnet hätte, die alle von verschiedenen Arten dieser Tiergattung herrührten. Er wolle an Hand gewisser Bildungen und Löcher, die die Schädel der Nagetiere aufwiesen, den Beweis der Verwandtschaft zwischen den Vögeln und den Nagetieren erbringen.

Daher: Kastan mit 'm Loch im Kopp!

Inzwischen war neues Bier geholt worden, und der Heizer meinte, sie wollten dem »Säugling«, nämlich Jochen, mal zeigen, wie Männer trinken. Sie wollten sehen, wer die Flasche zuerst aus hätte, natürlich auf einen Zug.

Gleichzeitig setzten alle an, auch Jochen. Jetzt, dachte er, nur nicht blamieren. So ließ er denn das Bier, ohne zu schlucken, einfach laufen. Als er dachte, jetzt müsse er ersticken, wenn er nicht sofort absetze, da war die Flasche leer! Der Jüngling war Sieger über die reifen Männer geblieben. Nun war er stolz, wenn auch etwas benommen. Er verabschiedete sich, und der wohlmeinende Schlag auf die Schulter, den ihm der Heizer versetzte, hätte den schwankenden jungen Mann fast umgeworfen.


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