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25. Kapitel

Neben den Ratten leben auch andere Wildtiere im Zoo, die nicht verhaßt sind. Hin und wieder waren dort Wildkaninchen zu beobachten, die durch verborgene Einschlupfe aus den großen Parkanlagen zuwanderten. In den frühen Morgenstunden, wenn der Garten noch geschlossen ist, dann steht wohl der eine oder andere Wärter still hinter einem Baum und hält das Tesching im Arm. Er ist auf dem Anstand. Der Mann braucht nicht lange zu warten, ein kleines, graues Tierchen mit langen Ohren und großen, schwarzen Augen hoppelt aus dem Gebüsch. Jetzt dreht es seinem Feind den Rücken zu. Da hebt sich die kleine Waffe, ein Knall wie ein Peitschenschlag ertönt, und das Langohr schlägt um, zappelt und verendet. So werden die Wildkaninchen im Zoo nicht mehr, doch hin und wieder taucht von neuem das eine oder andere auf.

Auch die Stockente, die bei uns am häufigsten vertretene Wildente, ist ständiger Gast im Zoo.

Das ganze Jahr Schonzeit, wenn nicht etwa auch sie in vereinzelten Fällen einem Gelegenheitsschützen in früher Morgenstunde zum Opfer fällt; Futter zu jeder Tageszeit, denn sie stellt sich ungebeten zu den Mahlzeiten der im Zoo gehaltenen Enten ein, und gute Brutmöglichkeit: das alles finden die Wildenten im Zoo. Doch wenn es dann an die Aufzucht der Jungen geht, hören die Segnungen der Zivilisation auf, denn die Ratten lassen nur wenige der Jungenten aufkommen. Wäre es anders, dann müßten bei der Heimattreue der Wildenten viel mehr Stockenten im Zoo und in den weitläufigen Parks sein, als es tatsächlich der Fall ist.

Noch ein anderer schöner Vogel ist im Zoo beheimatet, ein Wild, das in allen Wäldern und Feldern Deutschlands zu Hause ist, die Ringeltaube. Im Frühling vollführt der Täuber seine herrlichen Balzflüge über den Tausenden von Zoobesuchern wie über den Äckern, Wiesen und Wäldern. So wie im tiefsten, fernsten Walde der Täuber ruckst, so ruckst er auch in den alten Eichen, unter denen festlich gekleidete Menschen dahinziehen, um sich gefangene Tiere anzusehen, die aus allen Teilen der Erde zusammengebracht worden sind.

Neben der Ringeltaube brütet auch die Turteltaube, dieses entzückende, zart gezeichnete Täubchen, als freier Vogel im Zoo.

Und dann die Singvögel!

Von den häufigen, wie Spatzen, Grünfinken, Buchfinken, Amseln und Kohlmeisen, ganz zu schweigen – auch Blau-, Tannen-, Schopf- und Schwanzmeisen herbergen im Zoo. Goldhähnchen tummeln sich in ihrer Gesellschaft, ja selbst der mittlere Buntspecht hämmert mitunter an den alten Bäumen. Grasmücken fehlen nicht, und im Winter glüht das Rot der Dompfaffenmännchen, die in Gesellschaft ihrer düster, aber doch vornehm gezeichneten Weibchen in den verschneiten Büschen sitzen.

Noch eine Vogelart war in zwei Exemplaren ständiger Gast im Zoo. Wohl der schönste, prächtigste aller Vögel, der in Deutschland zu Hause ist – der Eisvogel.

An dem lieblichsten der vielen Miniaturseen, die den Zoologischen Garten schmücken, huschte das juwelenblitzende Pärchen mit hellem Pfiff über das Wasser, bis ein herz- und poesieloser Narr sie abschoß, um sie ausstopfen zu lassen.

Damit aber all die Vogelwelt nicht ganz und gar im Frieden auf dieser Insel der Natur, mitten im Meer der Großstadt, dahinlebt, sind auch Raubvögel vertreten.

Der Turmfalke jagt den kleinen Vögeln, vor allem den Spatzen, nach. Man kann im Zoo beobachten, wie plötzlich eine Schar Sperlinge mit wildem Geschrei in die Büsche schießt, dahin, wo die Zweige am dichtesten sind.

Ein Schatten holt einen der Jungspatzen ein und streicht mit ihm davon. Der hübsche, rotbraune Turmfalke hat sich ein Frühstück geholt.

Doch der große Schwarm Haustauben, der im Zoo in einem Holzturm wohnt, fürchtet einen anderen Todesschatten.

Drüben, hoch oben im Turm der Kirche, wohnen die Wanderfalken. Manche Taube ist in den Lüften von ihnen geschlagen worden, während tief unter ihr Autos, Omnibusse und Elektrische durch die Straßen der großen Stadt brausten oder Menschenströme durch die Parkwege des Zoo pilgerten.


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