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37. Kapitel

Der erste Finkenhahn schlug, in der alten Eiche drüben auf der kleinen Insel im Gänseteich, da trat der Eisbär aus seiner Höhle, die im Hintergrund seines Zwingers lag. Seine breite, schwarze Nase sog die frische Morgenluft ein und prüfte, was der Wind ihr zutrug. Aber es war seit Jahren immer dasselbe.

Wie aus ferner, schimmernder Weite wehte ihm die Erinnerung zu, doch es war nur eine Ahnung der versunkenen Welt von Meer und Eis, Sonne und Schneesturm, von Robben, Walrossen und Moschusochsen. Denn der Eisbär war als Junges gefangen worden, nachdem man seine Mutter geschossen hatte.

Hier nun, in der engen Gefangenschaft, galt er als böse und tückisch: er, der zum großen Jäger geboren war, der freischweifend über riesige Gebiete den Menschen wohl als Feind betrachtete, aber doch eigentlich mehr als Wild, dem man nachstellen konnte, denn als gefürchteten Herrscher über alles Getier.

Der König des Meeres und der Eisflächen war er, der Eisbär.

Wie sollte er, dessen Seele nur der Spiegel des harten Lebenskampfes in einer unendlichen Natur war, wie sollte er sich auf dies jämmerliche Leben hinter Gittern einstellen?

Er war ein mächtiger Kerl, und sein Anblick erweckte den Eindruck von Kraft und Rasse, Rasse in dem Sinne, als die Natur in ihm einen Typ herausgearbeitet hatte, der abweichend von dem aller anderen Tiere vollkommen den Erfordernissen seiner Umgebung entsprach.

Langgestreckt das ganze Tier, der Kopf schmal und schnittig, wie dazu geschaffen, die Wellen zu durchschneiden, dazu von nachgiebiger, aber doch außerordentlicher Muskulatur, mit seinem reichen Pelz vorzüglich für das Leben in der Arktis ausgerüstet. Was aber tat er nun mit seiner großen Kraft?

Mit weichen, wiegenden Schritten durchmaß er auf seinen breiten Sohlen den Zwinger. Ein paarmal lief er hin und her, dann warf er sich in das Becken, das in der Mitte des Geheges eingelassen war, daß das Wasser hoch aufspritzte. Etwa fünf Minuten schwamm der Eisbär darin herum, dann stieg er leicht und ohne Anstrengung wieder an Land.

Er schüttelte sich wie ein Hund, so daß ein Sprühregen in dem ersten Sonnenstrahl aufblitzte, dann legte er sich nieder. Den Kopf erhoben, lag er lang und flach auf dem Bauch, die Vorderläufe halb gestreckt nebeneinandergelegt, die Hinterläufe aber nicht, wie es sonst die Art aller Vierfüßler ist, unter den Leib gezogen, sondern nach hinten weggespreizt, so daß die schwarzen Sohlen, die kurz und breit waren, nach oben sahen.

Plötzlich wandte der Bär den Kopf nach hinten. Dort trat aus der Steingrotte, die dem Schlafraum vorgelagert war, die Bärin.

Auch sie war ein starkes, langgestrecktes Tier, doch so mächtig wie der Bär war sie nicht entwickelt. Erst seit zwei Tagen hatte man die beiden Eisbären zusammengelassen. Man hoffte auf Nachzucht, aber bisher waren die Beziehungen des Paares noch recht unliebenswürdig. Auch jetzt schnaufte das Weibchen ärgerlich, als sie des Bären ansichtig wurde. Sie ging in weitem Bogen um ihn herum zum Gitter.

Er stand auf und schritt auf sie zu. Aber knurrend und grollend ging sie rückwärts zur Höhle. Da machte der Bär ganz plötzlich kehrt, rannte in weit ausholenden Schritten um das Badebecken herum und erreichte so noch vor der Bärin den Eingang zur Höhle. Dort hätte sie sich seiner Annäherung leicht entziehen können, doch außerhalb der Höhle wurde ihr das schwer.

Langsam weichend ging sie nun rückwärts vor ihm her. Er folgte ihr Nase an Nase. Manchmal blieb sie stehen und schlug leicht mit der Brante, dann ging er auf die Plänkelei ein, bis sie sich wieder zurückzog.

Doch nach und nach geriet der Bär in eine zornige Beharrlichkeit, er ging mit immer größerer Hartnäckigkeit auf das Weibchen los. In ihm war die Brunft erwacht. Die Brunft, die so viele Jahre vergeblich in seinen Adern gedrängt hatte und die nun endlich in der Paarung mit dem Weibchen frei werden wollte.

Aber das Weibchen war noch nicht soweit. Es stand erst am Beginn der diesjährigen Brunftperiode, und außerdem flößte ihr dieser Bär Furcht ein. Er war so ganz anders als ihr früherer Gatte, der noch jung gewesen war. Dieser hier zeigte in jeder Bewegung und im Ausdruck seiner kleinen, schwarzen Augen den herrischen, brutalen Altbären.

So erhob denn das hart bedrängte Bärenweibchen seine Stimme im Protest gegen den aufdringlichen Freier. Aber der wurde nur zudringlicher, denn jetzt suchte er der Bärin allen Ernstes die Rückseite abzugewinnen. Da wurde sie endlich böse. Mit zwei schnellen Brantenhieben, die den Bären hart am Kopf trafen, versuchte sie den Durchgang zur Höhle zu erzwingen. Plötzlich richtete sich der weiße Riese hoch auf und schlug sie so wuchtig, daß sie auf ihr Hinterteil zurückfiel. Mit markerschütterndem Gebrüll fuhr die Bärin nun auf den grimmigen Liebhaber ein. Sie schien schneller als er. Mit bleckendem Gebiß fuhr sie immer schlagend auf den Bären los. Ihre Augen schillerten grünlich, und obwohl die Schwächere, überrannte sie den Angreifer. In wahnsinniger Wut grub sie dem Bären die Zähne in die Seite, und reißend und schlagend wollte sie den Verhaßten zerfleischen.

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Der Kampf des Eisbärenpaares

Der stieß ein grölendes Gebrüll aus, wie es von allen Tieren nur Bären hören lassen. Rasend vor Schmerzen machte er sich frei. Dabei floß das Blut aus der eben erhaltenen Wunde. Der erste Schlag, der die Bärin traf, riß ihr eine Kopfwunde vom Ohr bis zum Maul und ließ sie taumeln. Doch wurde ihr nicht Zeit zur Gegenwehr. Unter einem Hagel furchtbarer Schläge, deren jeder die Wucht eines herniedersausenden Zentnergewichtes hatte, brach die Bärin zusammen. Der Bär hatte alle Liebesgedanken vergessen. Sein Kopf war zu einer furchtbaren Fratze verzerrt, aus der unablässig dieses Höllengegröl herausschoß. Die kleinen Augen, jetzt noch verengt, waren nicht mehr schwarz, sie funkelten rot, und ihr Ausdruck war Mord.

Aber noch wehrte sich die Bärin. Ihr Brüllen wurde zum gellenden Geschrei, als sie sich gegen die überlegene Kraft erhob und in einem verzweifelten Sprung die Kehle ihres Gegners zu erreichen suchte. Doch der Bär fuhr zurück, und so glitt das Gebiß der Bärin ab. Nur eine blutige Schmarre erhielt er. Gleichzeitig traf ihn ein voller Brantenhieb ins Gesicht, der ihm das rechte Auge blendete.

Doch das war die letzte wirksame Attacke der Bärin. Ein einziger Hieb ließ sie mit dem Kopf auf die Erde schlagen, und ehe sie wieder hochkam, schlossen sich zwei furchtbare Kiefer um ihr Genick.

Vergebens tobte sie in dieser grausamen Klammer, umsonst schlugen ihre Branten, wohin es traf, der Bär hielt fest. Rückwärts bewegte er sich auf das Wasser zu, schrittweise schob sich das grollende und keuchende Paar bis an den Rand des Bassins vor, und kein Ruck und Wehren half, die Bärin mußte folgen.

Als der Bär die Hinterpartie erst im Wasser hatte, konnte er seine Kräfte noch besser entfalten. Mit einer letzten gewaltigen Kraftanstrengung riß er die Bärin hinein und hielt ihren Kopf unter Wasser.

Wie eine Rasende schlug sie mit Vorder- und Hinterbranten das Wasser, und entsetzlich gurgelte die Ertrinkende.

Sosehr auch der Bär bei den verzweifelten Befreiungsversuchen der Bärin hin und her gerissen wurde, so oft er untertauchte und den Halt verlor, sein Gebiß veränderte seine Lage nicht. Dann endlich wurden die Bewegungen der erstickenden Bärin schwächer, ihre Gegenwehr erlahmte, um schließlich ganz aufzuhören.

Als dann um sieben Uhr der Wärter kam, um nach den Bären zu sehen, fiel ihm auf, daß der Eisbär am Kopf und an der Seite blutete. Nun ging er nach hinten, um in den Schlafraum zu sehen, denn er wollte wissen, ob die Bärin etwa auch verwundet wäre. Als er sie dort nicht fand, blieb nur das Wasserbassin übrig. Er sperrte den Bären in ein Nebengelaß, ließ das Wasser ab und fand so die verendete Bärin.


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