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33. Kapitel

Einer von diesen Unentwegten, ein kleiner Bengel mit gelben Haaren, hatte allerdings noch andere Interessen, die ihn in den Zoo lockten. Wenn auch die Zeichnerei immer die Hauptsache blieb, denn dafür sorgte schon sein vorzüglicher Lehrer, so trieb er sich doch auch viel mit anderen Jungen im ausgedehnten Park umher. Die beiden alten Parkwächter hatten ihn schon lange auf dem Kieker, denn wenn er mit den anderen Rangen Räuber und Prinzessin spielte, war er der lauteste Schreier.

Seine Spezialität war aber etwas anderes. Er hatte eine Vorliebe für schöne Federn, und die lagen in den Volieren der Fasanen, Pfauen und der anderen hühnerartigen Vögel oft in herrlichen Exemplaren. Nur waren die Gittermaschen so eng, daß sie mit der Hand nicht zu greifen waren. Natürlich lagen sie auch nicht immer vorn am Gitter, sondern mehr oder minder weit drinnen im Gehege. Von dem Gitter aus war es also oft unmöglich, an diese Kostbarkeiten heranzukommen. Doch »Mäcki« wußte Rat.

Als er wieder mal einer wunderbaren Pfauenfeder ansichtig wurde, die noch dazu ziemlich nahe am Gitter lag, trat er, mit einem vorsichtigen Blick nach links und rechts, in das dichte Gebüsch gegenüber der Fasanerie, brach eine geeignete Rute ab und entblätterte sie. Dann wieder ein vorsichtiges Umheräugen, ob die Luft auch rein sei, und nun ans Werk. Die gut vorbereitete Rute glitt durch den Maschendraht, und da, wo die Feder Daunen hat, zwirbelte er die Spitze mehrmals herum. Jetzt hielt sie. Vorsichtig, langsam und behutsam – doch die Feder fiel herab, ehe Mäcki sie durch die Maschen ziehen konnte.

Ein neuer Versuch fiel noch schlechter aus. Auch das drittemal klappte es nicht. Nun kamen Zoobesucher vorbei, und der Federnangler legte die Rute unauffällig ins Gras.

Während er warten mußte, bis die Leute wieder außer Sicht waren, kam ihm die Erleuchtung. Kaum war die Luft rein, da befeuchtete er die Rutenspitze mit Spucke, führte sie wieder durch den Maschendraht, und nun hielt die Feder, und einen Augenblick später war sie in seinem Besitz. Von jetzt an gehörte ihm jede Feder, die nicht zu weit vom Gitter lag.

Einmal wurde er auch dabei erwischt. Doch der Wärter amüsierte sich im Grunde über den drolligen Trick, und so ging die Strafe über ein Ohrenziepen nicht hinaus.

Aber auch am Bärenzwinger kletterte der Junge manchmal über die Barriere, die das Publikum an zu starker Annäherung an die Tiere hindert. Erstens wollte er zeigen, was er konnte und daß er nicht bloß ausnahmsweise in den Zoo ging, sondern alle Tage, und dann sollte auch der schwächere Bär etwas von dem Brot abbekommen, das er den Tieren gab, und so aus größerer Nähe ließ sich das besser einrichten.

Doch eines Tages faßten ihn zwei derbe Hände an den Schultern, und eine barsche Stimme sagte: »Weißt du nicht, wo du hingehörst?« Damit hob der Raubtierwärter das Jüngelchen über die Schranke und gab ihm noch einen ernsten Verweis mit auf den Weg.

Für einige Zeit wirkte der Schreck auch, doch lange hielt er nicht vor. Sicher wäre Mäcki bald rückfällig geworden, doch ein schlimmes Vorkommnis ließ ihn vernünftiger werden.

Ein anderer kleiner Junge war auch über die Barriere geklettert, doch er hatte es grausig büßen müssen, denn der riesenhafte Alaskabär biß ihm einen Arm bis zum Ellbogen ab. Schnelle Hilfe rettete den Kleinen vor dem Verbluten, doch nicht mehr davor, Krüppel zu sein sein Leben lang.

Später sah ihn Mäcki einmal im Zoo, und schaudernd bemerkte er den kleinen leeren Ärmel.


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