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43. Kapitel

Messing und Braun saßen oben in der »Bude«. An der Schranktür hing ein Bild des afrikanischen Springhasen in Lebensgröße. Unter dem machte Braun so leicht keine Bilder.

Die beiden saßen und unterhielten sich. Messing meinte:

»Braun, du jehst zurück.«

»Wieso?« fragte der Maler.

»Ja, du siehst so spack und bläßlich aus, der richtige notleidende Kinstler.«

»Ach, Gustav, das liegt an meiner Bleibe, die müßtest du mal sehen. Die ist so klein, da kommt nur 'n Schlangenmensch zwischen den Möbeln durch, und dann die Lichtverhältnisse! Oben an der Decke ist ein Ausschnitt von einem Quadratmeter Größe, das ist der Beginn eines Holzschachtes von einem Meter Höhe, und dann kommt das sogenannte Atelierfenster. Das ist die einzige Lichtquelle.«

»Aber Mann, da kommt doch niemals Sonne in den Laden, auf die Dauer jehste da ein wie'n Primeltopp.«

»Ach, sonst lebt sich's da ganz gemütlich. Meine Wirtin is 'n Gemütsmensch, und dann hat die Bude auch 'n separaten Eingang.«

»Ja doch, das kann ich mir denken, darauf legen die Herren Kinstler erheblichen Wert.«

»Und auch sonst, wir drei leben da ruhig und friedlich.«

»Was denn, dreie seid ihr?«

»Na ja, Laura, meine Wechselkröte, mein Gummibaum und ich. Allerdings, der Gummibaum beginnt langsam nachzulassen, aber wir beiden anderen sind noch recht munter.«

»Wie gesagt, du siehst nicht so aus, und denn, sage mal, kannst du die Kröte nicht laufen lassen?«

»Laura? Nee, mein Junge. Wir haben uns sehr aneinander gewöhnt. Die sitzt im Torfmull vergraben, und wenn ich rufe ›Laura‹, dann hebt sich der Mull, und sie kommt raus. Mit ihren smaragdgrünen Augen sieht sie mich an und wartet. Wenn ich dann meine Hand in ihr Terrarium halte, steigt sie mit den Vorderfüßen auf meine Finger und wartet auf den Mehlwurm.«

»Wenn du ihr nun noch Handstand beibringst, könnt ihr euch für Geld sehen lassen.«

»Handstand nicht, aber Leute vergraulen, das kann sie.«

»Wie denn?«

»Man hat doch mitunter Besuch, der einem lästig wird. Letzthin war einer da, der wollte offenbar für immer bleiben. Jedenfalls nach zwei Stunden redete er immer noch. Lauter technisches Zeug, das mich gar nicht interessiert, und dabei ließ der Kerl seine eigene Person unablässig schillern und leuchten, und das war noch lästiger. Auch sprach er sehr schnell mit hoher Stimme, und das war das allerschlimmste. Schließlich wurde er mir doch zu anstrengend, und ich besann mich auf Laura. Ich nahm sie aus ihrem Glas und setzte sie auf den Tisch. Da ging sie in ihrer merkwürdig ziehenden Art auf den Besucher zu. Der stand augenblicklich auf. Er lächelte etwas verlegen und wollte wissen, warum ich das ekle Tier ausgerechnet auf den Tisch setzen müsse, ihm wären Kröten peinlich.«

»Peinlich ist gut.«

»Ja, er sagte ›peinlich‹. Nun wußte ich, daß er bald gehen würde, denn ich hatte noch eine kleine Überraschung für meinen Gast. Erst ließ ich Laura noch etwas auf dem Tisch spazierengehen. Sie lief bis zur Tischkante, guckte runter, ging dann wieder zur Mitte des Tisches und sah mich an.

Ich verstand sie, nahm eine Blechbüchse voll Erde vom Bord, und nachdem ich etwas darin herumgesucht hatte, holte ich einen Regenwurm von Handlänge heraus. Diesen prächtigen, rotbraunen Riesenwurm legte ich auf den Tisch.

Er war recht munter und wand sich, einen feuchten Streifen hinterlassend, voran. Mein Gast wurde unruhig. Laura saß dem Wurm mit dem Rücken zugewandt. Plötzlich bewegte sie den Kopf zurück, und schwupp, drehte sie sich ganz herum. Mit ein paar flinken Schritten war sie beim Wurm, ihre Zunge schnellte vor, und das Ende des Regenwurms war in ihrem Maul.

Der Besucher trat einen Schritt zur Tür.

.

Die Kröte verschlingt den Riesenwurm

Laura schluckte. Sie kniff die Augen ganz ein und schlang und würgte an dem mächtigen Brocken. Aber der Wurm wehrte sich mit aller Kraft, er schlug sich um den Kopf der Kröte und hielt fest, so sehr er konnte. Da faßte Laura den sich Windenden ganz wie ein Mensch mit ihrer kleinen Hand und drückte ihn herunter, und wieder gelang es ihr, ein großes Stück des zuckenden, dicken Kerls hinterzuwürgen.

Aber das war zuviel für meinen Besucher. Er wurde weiß wie die Wand, verabschiedete sich schnell und ließ mich mit der frühstückenden Laura allein.«


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